VwGH 2001/18/0242

VwGH2001/18/024217.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des A I, geboren am 13. Februar 1982, vertreten durch Dr. Achim Maurer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 27-28, Stiege 2/19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. September 2001, Zl. SD 717/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
StGB §43a;
VwRallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
StGB §43a;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. September 2001 wurde gegen den Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 20. Oktober 2000 in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei am 25. Oktober 2000 in erster Instanz abgewiesen worden. Eine Berufung sei noch anhängig.

Mit Urteil vom 15. Mai 2001 sei der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 Suchtmittelgesetz, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 15. und 16. April 2001 insgesamt sieben Kugeln Heroin bzw. Kokain zu je 0,5 Gramm an unbekannte Personen gewerbsmäßig verkauft habe. Am 16. April 2001 habe er weitere 13 Kugeln, teils Heroin, teils Kokain, zum Verkauf bereit gehalten. Im Zeitraum vom Jahr 2000 bis April 2001 habe er mehrmals Suchtgifte erworben und besessen.

Es könne kein Zweifel bestehen, dass der in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Tatbestand verwirklicht sei. Das der Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit (das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität) in erheblichem Ausmaß, sodass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Auf Grund des kurzen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie im Hinblick auf das Fehlen familiärer oder sonstiger Bindungen sei das Aufenthaltsverbot nicht mit einem Eingriff in das Privat- oder Familienleben verbunden. Es sei daher weder zu prüfen gewesen, ob die gegenständliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig) sei, noch eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmen gewesen.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe angesichts des vorliegenden Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

Die von der Erstbehörde festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des dargestellten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich die vom Aufenthalt des Beschwerdeführers ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes von zehn Jahren erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

1.2. Die Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität ebenfalls keinem Einwand, zumal der Beschwerdeführer bei der Begehung des Deliktes gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (siehe § 70 StGB), vorgegangen ist. Auf Grund der Suchtgiftdelikten innewohnenden Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, 2000/18/0107) kann der vorgebrachte Umstand, dass der Beschwerdeführer insbesondere auf Grund der Verbüßung des unbedingten Teils der über ihn verhängten Freiheitsstrafe das Unrecht seiner Tat eingesehen habe, zu keinem anderen Ergebnis führen. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, sich seit Begehung der festgestellten Straftat wohl verhalten zu haben, ist ihm zu entgegnen, dass der seither verstrichene Zeitraum von nur fünf Monaten viel zu kurz ist, um auf einen Wegfall oder auch nur eine entscheidende Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können, zumal er in dieser Zeit nach seinem eigenen Vorbringen auch den unbedingten Teil der über ihn verhängten Strafe in der Dauer von drei Monaten verbüßt hat.

Dem Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde habe die bedingte Nachsicht eines Teils der Strafe nicht berücksichtigt, ist entgegenzuhalten, dass die Fremdenpolizeibehörde die Frage des Dringend-Geboten-Seins eines Aufenthaltsverbotes unabhängig von den die Strafbemessung und die teilbedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdengesetzes zu beurteilen hat, wobei sich schon aus § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG ergibt, dass auch eine teilbedingt nachgesehene Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 98/18/0250).

2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei mit keinem Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden. Dazu bringt er vor, es sei offensichtlich, dass durch ein Aufenthaltsverbot in sein Privatleben eingegriffen werde, wenn dadurch die Möglichkeit bestehe, dass er in jenes Land abgeschoben werde, aus dem er geflohen sei.

Damit macht er keine privaten oder familiären Bindungen geltend, in die durch das Aufenthaltsverbot eingriffen werden könnte. Im Übrigen ist er während des unstrittig anhängigen Asylverfahrens gemäß § 21 Abs. 2 Asylgesetz 1997 vor einer Abschiebung geschützt.

Selbst wenn man jedoch - anders als die belangte Behörde - auf Grund der Aufenthaltsdauer von etwa elf Monaten einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annähme, führte dies aus folgenden Gründen nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides:

Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet unstrittig über keine familiären Bindungen und geht hier keiner erlaubten Berufstätigkeit nach. Aus der kurzen Aufenthaltsdauer könnte jedenfalls nur eine gering ausgeprägte Integration abgeleitet werden. Diese würde in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die Straftat des Beschwerdeführers weiter gemindert. Den persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet käme daher nur ein sehr geringes Gewicht zu.

Dem stünde die erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen durch die vom Beschwerdeführer begangene Straftat gegenüber. Auf Grund der besonderen Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten wäre das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG).

3. Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestand auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, im Rahmen des ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, sind doch weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbotes wendet, geht sein Vorbringen ins Leere, wurde doch vorliegend ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen. Im weiteren Beschwerdevorbringen, es wäre ausreichend gewesen, ein "maximal 5 jähriges Aufenthaltsverbot zu verhängen", kann jedoch eine Bekämpfung der zehnjährigen Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots erblickt werden. Der belangten Behörde kann jedoch nicht entgegengetreten werden, wenn sie in Anbetracht des aufgezeigten schwerwiegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Auffassung vertrat, dass ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände nicht vor Verstreichen eines Zeitraumes von zehn Jahren erwartet werden könne, zumal der Beschwerdeführer seinerseits nicht aufzeigt, welche Umstände die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, ein für einen kürzeren Zeitraum befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen.

5. Soweit der Beschwerdeführer die Unterlassung seiner Vernehmung als Partei rügt, zeigt er schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel auf, weil er nicht dartut, zu welchen (für ihn günstigen) zusätzlichen Feststellungen die belangte Behörde bei Aufnahme dieses Beweises gekommen wäre.

6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2001

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