VwGH 2001/11/0185

VwGH2001/11/018523.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in R, vertreten durch Dr. Rudolf Watschinger, Rechtsanwalt in 4910 Ried i. I., Bahnhofstraße 47, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 5. Februar 2001, Zl. VerkR-394.130/1-2001-Be/Ha, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs3;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs4;
AVG §69 Abs3;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 27. Juni 2000 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß den §§ 7 Abs. 1 und 3 Z. 1, 24 Abs. 1 Z. 1 und 25 Abs. 1 und 3 Führerscheingesetz - FSG für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab 24. Juni 2000, entzogen. Dieser Maßnahme lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 24. Juni 2000 die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert hat, obwohl auf Grund von Alkoholisierungssymptomen vermutet werden konnte, dass er sich bei dem zuvor erfolgten Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 4. Juli 2000 durch postamtliche Hinterlegung (Beginn der Abholfrist am selben Tag) zugestellt.

Am 27. November 2000 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn eine (mit Rechtskraftbestätigung versehene) Ausfertigung eines Urteiles des Landesgerichtes Ried i. I. vom 2. November 2000 ein. Mit diesem Urteil wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Diebstahles, des Vergehens der schweren Körperverletzung und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Nach diesem Urteil hat der Beschwerdeführer die Diebstahlshandlungen in der Zeit zwischen 1. August 1999 und Ende Juni 2000 und die das Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 und 3 StGB begründenden Taten in der Zeit zwischen Jänner und Juni 2000 begangen.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2000 entzog die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 1 und 3 FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von 36 Monaten, gerechnet ab 25. Dezember 2000, wobei Haftzeiten in die Entziehungsdauer nicht einzurechnen seien.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge.

In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, auf Grund der rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 2 und 84 Abs. 1 und 3 StGB liege eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 4 Z. 3 FSG vor. Weiters sei zu beachten, dass § 7 Abs. 4 FSG nur eine demonstrative, d.h. nicht abschließende Aufzählung von strafbaren Handlungen enthalte. Wenn auch Einbruchsdiebstähle im § 7 Abs. 4 FSG nicht genannt seien, seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Häufung von Einbruchsdiebstählen, das Zusammentreffen mit anderen Straftaten oder besonders gelagerte schwere Diebstähle als den beispielsweise genannten Straftaten gleichwertig anzusehen. Im Rahmen der Wertung sei als besonders verwerflich zu beurteilen, dass der Beschwerdeführer nicht davor zurückschrecke, eine andere Person durch Gewaltanwendung am Körper zu verletzen. Beim Beschwerdeführer sei eine eindeutige Wiederholungstendenz zur Begehung strafbarer Handlungen ersichtlich. Die mit 36 Monaten festgesetzte Dauer der Entziehung (ohne Einrechnung von Haftzeiten) sei zur Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 24 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

    Das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern ein einheitliches, als die Behörde bei der Entziehung der Lenkberechtigung sämtliche Erteilungsvoraussetzungen zu beurteilen und in diesem Zusammenhang alle bis zur Bescheiderlassung verwirklichten Umstände zu berücksichtigen hat. Waren der Behörde solche Umstände nicht bekannt, kommt unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 AVG die Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen in Betracht (siehe dazu das bereits zum FSG ergangene hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 99/11/0004, sowie die zum KFG 1967 ergangenen Erkenntnisse vom 3. Juli 1990, Zl. 89/11/0224, vom 30. Juni 1992, Zl. 91/11/0177, vom 12. Jänner 1993, Zl. 92/11/0205, vom 23. November 1993, Zl. 93/11/0048, und vom 7. Oktober 1997, Zl. 96/11/0348).

    Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG sind strafbare Handlungen, nicht aber die Verurteilung wegen dieser Straftaten. Es kommt also im gegebenen Zusammenhang darauf an, wann der Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen begangen hat, nicht aber wann er ihretwegen verurteilt oder wann die Verurteilung rechtskräftig wurde (vgl. auch dazu das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1997). Die strafbaren Handlungen, welche die belangte Behörde als bestimmte Tatsachen gemäß § 7 Abs. 4 FSG angesehen hat, hat der Beschwerdeführer vor der Erlassung des Entziehungsbescheides vom 27. Juni 2000 begangen. Nach dem zuvor Gesagten hätte die Behörde nur die Möglichkeit der amtswegigen Wiederaufnahme des mit Bescheid der Erstbehörde vom 27. Juni 2000 abgeschlossenen Entziehungsverfahrens gehabt. Die Erlassung eines weiteren Entziehungsbescheides auf Grund von Tatsachen, die bereits vor der Erlassung des in Rechtskraft erwachsenen Entziehungsbescheides vom 27. Juni 2000 verwirklicht waren, erweist sich daher als rechtswidrig. Der im angefochtenen Bescheid erwähnte und in der Gegenschrift hervorgehobene Umstand, dass die strafbaren Handlungen der Erstbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides vom 27. Juni 2000 nicht bekannt waren, ändert an diesem Ergebnis nichts. Die mangelnde Kenntnis der Behörde von den Straftaten ist bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die amtswegige Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Z. 2 AVG von Bedeutung.

    Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 23. Oktober 2001

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