VwGH 2001/09/0040

VwGH2001/09/00404.4.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des M in P, vertreten durch Dr. Gabriele Schubert, Rechtsanwältin in 2500 Baden, Antonsgasse 2, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 11. Dezember 2000, Zl. 133/6-DOK/00, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §59 Abs1;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §59 Abs1;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides stand der Beschwerdeführer als Revierinspektor im Bereich der Zollwache in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war das Zollamt Klingenbach.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 14. September 2000 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt:

"Revierinspektor M ist schuldig, am 3. September 1996 am Grenzübergang Klingenbach zwei rumänischen Staatsbürgern die illegale Einreise nach Österreich ermöglicht und hiefür S 5.000,-- verlangt zu haben.

Er hat dadurch gegen § 43 Abs. 1 BDG sowie § 59 Abs. 1 leg. cit. verstoßen und somit Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG begangen."

Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen sprach die Disziplinarbehörde erster Instanz gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung aus.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Disziplinarerkenntnis vom 11. Dezember 2000 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die vom Beschwerdeführer begangenen Dienstpflichtverletzungen zusätzlich dem Tatbestand des § 43 Abs. 2 BDG 1979 unterstellt werden.

Zur Begründung der über den Beschwerdeführer verhängten Disziplinarstrafe der Entlassung führte die belangte Behörde nach ausführlicher Darlegung der Rechtsprechungsgrundsätze des Verwaltungsgerichtshofes im Wesentlichen aus, ein unter anderem zum Schutz vor Grenzverletzungen berufener Beamter der Zollverwaltung, der zwei ausländische Staatsbürger, welche nicht im Besitz gültiger Visa seien, illegal nach Österreich einreisen lasse, wobei er sich eine finanzielle Abgeltung in Aussicht stellen lasse, verletze den Kernbereich seiner dienstlichen Aufgaben in gröblichster Weise. In Anbetracht der eklatanten Missachtung pass- und fremdenrechtlicher Vorschriften, gerade die zu vollziehen er im Rahmen seiner Tätigkeit als Angehöriger der Zollverwaltung unter anderem berufen sei, habe der Beschwerdeführer durch seine Vorgangsweise eine außerordentlich schwer wiegende Dienstpflichtverletzung begangen, die in der Folge auch zur rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung wegen des Verbrechens des Amtsmissbrauches gemäß § 302 Abs. 1 StGB geführt habe. Der Beschwerdeführer hätte sich im Tatzeitpunkt seiner Eigenschaft als Zollwachebeamter besinnen, adäquat handeln müssen und keinesfalls einem Ersuchen des - durch Amtsverlust im Jahr 1993 aus dem Dienststand ausgeschiedenen - näher genannten ehemaligen Kollegen nachkommen dürfen. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer dem Ansehen der Zollverwaltung insgesamt und seinem Wachkörper im Besonderen schweren Schaden zugefügt und sich auch nach Ansicht der belangten Behörde für den Dienst als Zollwachebeamter, für den er ausgebildet worden sei, untragbar gemacht, weil dies ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis zwischen der Verwaltung und dem Beamten erfordere. Der Beschwerdeführer habe ein derart bedenkliches charakterliches und moralisches Versagen und unwürdiges Verhalten gezeigt, durch das er nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern auch das der Beamtenschaft im Allgemeinen und seines Wachkörpers im Besonderen in einem Ausmaß herabgesetzt habe, das die Fortsetzung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als unzumutbar erscheinen lassen müsse. Ein Beamter der Zollwache habe die Verpflichtung, Rechtsgüter, insbesondere die Beachtung pass- und zollrechtlicher Vorschriften, zu schützen und nicht zu verletzen. Der Beschwerdeführer habe im konkreten Fall entgegen seinen Pflichten dadurch, dass er zwei rumänische Staatsbürger, welche nicht im Besitz gültiger Visa gewesen seien, gegen Zusage einer finanziellen Zuwendung habe einreisen lassen, genau das Rechtsgut, das zu schützen ihm dienstlich anvertraut gewesen sei, verletzt und damit gegen seine Dienstpflichten schwerstwiegend verstoßen; dadurch sei er grundsätzlich als Beamter nicht mehr tragbar, weil durch eine derartige Straftat nicht nur das für die Erfüllung der Aufgaben des Zollwachedienstes unerlässliche Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten und zu seinem Dienstgeber, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit wesentlich zerstört worden sei. Im Fall einer derart starken und nachhaltigen Belastung des Vertrauensverhältnisses sei es notwendig, den betreffenden Beamten aus dem Dienst zu entlassen. Der Tatbestand des Amtsmissbrauchs gemäß § 302 Abs. 1 StGB erfordere die Schuldform des Vorsatzes im Hinblick auf die Schädigung eines anderen in seinen Rechten und Wissentlichkeit im Hinblick auf den Befugnismissbrauch. Die Argumentation des Beschwerdeführers, er sei bei dem verfahrensgegenständlichen Vorfall lediglich seinem freundlichen Gemüt gefolgt und habe damit einem ehemaligen Kollegen einen Gefallen erweisen wollen, könne schon im Hinblick auf die Bindung der Disziplinarbehörden an die Feststellungen des Strafgerichtes auch zur subjektiven Tatseite eine mildere disziplinäre Beurteilung des strafgerichtlich rechtskräftig abvotierten Verhaltens nicht bewirken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, dass über ihn nicht die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wird. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist allein strittig, ob die von der belangten Behörde vorgenommene Strafbemessung, über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen, gesetzmäßig erfolgte. In dieser Hinsicht macht der Beschwerdeführer geltend, die innerbehördliche Publizität des Verfahrens, seine spätere Suspendierung, die gerichtliche Vorstrafe und seine Abstempelung als "schwarzes Schaf" sowie eine Geldstrafe im Ausmaß von fünf Monatsbezügen seien vollkommend ausreichend und für ihn für alle Zeiten derart prägend, um ihn von künftigen Verfehlungen abzuhalten. Er sei wegen der Verletzung seiner Pflichten ohnedies bereits strafgerichtlich verurteilt worden. Die Beurteilung der belangten Behörde dehne den Anwendungsbereich des § 27 StGB weiter aus. Aus spezialpräventiven Gründen sei seine Entlassung nicht geboten. In Anbetracht dessen, dass "Rumänien schon bald in die Europäische Union aufgenommen werden könnte und es sich im Übrigen um einen Akt der Familienzusammenführung gehandelt hat", habe die Disziplinarstrafe nicht auf Entlassung zu lauten.

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtige Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Zufolge § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 zählt die Entlassung zu den Disziplinarstrafen.

Insoweit der Beschwerdeführer die strafgerichtliche Strafbemessung bzw. die im gerichtlichen Strafverfahren über ihn erfolgte Verhängung einer Strafe unter der Grenze des § 27 StGB für sich ins Treffen zu führen sucht, ist zu erwidern, dass dem gerichtlichen Strafurteil in dieser Hinsicht keine Bindungswirkung und auch sonst kein Einfluss auf die Bemessung der Disziplinarstrafe zukommt. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer daher nicht auf, dass die erfolgte Verhängung der Disziplinarstrafe nicht gerechtfertigt wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 2000, Zl. 98/09/0244, und die darin angegebene Vorjudikatur).

Die Disziplinarstrafe der Entlassung ist keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine Strafe, die sich wesentlich auch als eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes darstellt. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter erfordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht, um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis (vgl. zu diesen Ausführungen und insbesondere zum so genannten "Untragbarkeitsgrundsatz" das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191, mit zahlreichen Beispielen aus der Vorjudikatur).

Auch wenn die Disziplinarstrafe der Entlassung nicht als Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, so handelt es sich dabei doch um eine Strafe. Die Frage, ob durch die Verfehlung des Beamten das gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen diesem und der Verwaltung zerstört wurde, ist auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu beurteilen. Auch hier hat die Disziplinarbehörde gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 zunächst am Maß der Schwere der Dienstpflichtverletzung gemäß § 92 Abs. 1 leg. cit. zu prüfen, ob die Verhängung der höchsten Strafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 geboten ist. Hiebei hat sie sich gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 an den nach dem StGB für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und somit im Hinblick auf § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen, wobei sie vor allem zu berücksichtigen hat, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte.

Erst wenn eine an diesem - an der Modellfigur des mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Beamten orientierten - Maßstab erfolgte Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung des Beamten ergibt, dass ein weiteres Verbleiben im Dienst untragbar geworden ist, fehlt es dann im Sinn der angeführten Rechtslage an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen dahingehend, ob im Sinne des § 93 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979 die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, ihn von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. In diesem Fall bleibt für spezialpräventive Erwägungen kein Raum vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042, und vom 28. September 2000, Zl. 98/09/0244).

In diesem Sinn erweist sich aber die im Beschwerdefall verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung als gesetzmäßig. Ein Zollbeamter, der seine Befugnisse vorsätzlich und wissentlich derart missbraucht, dass er Fremden am Grenzübergang die illegale Einreise ermöglicht und dafür von diesen Personen ein Entgelt verlangt, ist grundsätzlich nicht mehr tragbar, weil durch eine derartige Straftat nicht nur das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit zerstört wird. Der entscheidende Gesichtspunkt ist hiebei, dass sich die Verwaltung auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten bei dessen Dienstausübung verlassen muss, weil eine lückenlose Kontrolle nicht möglich ist. Den in der Beschwerde aus einer künftigen Mitgliedschaft Rumäniens in der Europäischen Union und einer "Familienzusammenführung" abgeleiteten Folgerungen, die Schwere der "Dienstverletzung" (richtig wohl: Verletzung der Dienstpflichten) erfordere keine Entlassung, kann nicht ernstlich als maßgebend angesehen werden.

Es kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde davon ausging, dass angesichts der Art und Schwere der begangenen Straftat auch im Beschwerdefall eine andere Disziplinarmaßnahme als jene der Entlassung nicht in Betracht kam, weshalb alle möglicherweise sonst gegebenen Milderungsgründe dahingestellt bleiben konnten.

Da die Beschwerde nach ihrem Inhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens hat ein Abspruch des Berichters über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zu unterbleiben. Wien, am 4. April 2001

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