VwGH 2001/05/0037

VwGH2001/05/00374.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Mag. Erich Cordt in Maria Enzersdorf, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, Franz Josef-Straße 42/ Hauptstraße 35, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. Mai 2000, Zl. RU1-V- 00040/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Robert Stipschitz in Maria Enzersdorf, vertreten durch Ploil, Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Stadiongasse 4, 2. Marktgemeinde Maria Enzersdorf, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und dem Erstmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren des Erstmitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr. .499, KG Maria Enzersdorf (Franz Josef-Straße Nr. 23), das unmittelbar an das zu bebauende Grundstück Nr. .232 (Franz Josef-Straße Nr. 21) anschließt. Beide Grundstücke sind bebaut, wobei die gekuppelte Bauweise verwirklicht wird. Der Beschwerdeführer grenzt mit der östlichen Front seiner Gebäudefront an die westliche Front des Gebäudes des Erstmitbeteiligten an.

Mit seinem am 10. Juni 1999 bei der Behörde eingelangten Ansuchen beantragte der Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für einen Dachgeschossauf- und -ausbau auf seinem Wohnhaus. Nach Durchführung der Vorprüfung verständigte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Nachbarn, unter anderem den Beschwerdeführer, davon, dass sie eventuelle Einwendungen gegen das Vorhaben binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung einbringen könnten. Der Beschwerdeführer sprach sich hierauf gegen das Bauvorhaben aus, wobei er ausführte, der Balkon sei unzulässig, weil er zu lang sei, das Drittel der Gebäudelänge würde jedenfalls überschritten. Das sei besonders beeinträchtigend, weil vom Balkon aus die Sicht in seinen Garten gegeben sei. Um das zu vermeiden, müsste die bestehende Mauer entsprechend erhöht werden. Aus den Plänen ergebe sich, dass entsprechend der Bauklasse III das Haus schon jetzt drei Geschosse habe. Das geplante vierte Geschoss widerspreche der Bauklasse III. Nach den Plänen würde die Gesamthöhe des Gebäudes 14,06 m erreichen, was die Bauklasse III bei weitem überschreite, die Änderung des Flächenwidmungsplanes sei gesetzwidrig.

Mit Ladung vom 5. Oktober 1999 wurden der Beschwerdeführer und weitere Nachbarn zur mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 1999 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen der §§ 40 bis 44 AVG 1991 geladen. In der Verhandlung vom 19. Oktober 1999 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine bereits schriftlich erhobenen Einwendungen.

Mit Bescheid vom 3. November 1999 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 15. März 2000 abgewiesen, ergänzend wurde eine Auflage vorgeschrieben, wonach die zwei Grundstücke des Erstmitbeteiligten bis zur Fertigstellung des Bauvorhabens zu einem Bauplatz zu vereinigen seien.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 30. Mai 2000 abgewiesen. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. November 2000, B 1252/00-9, abgelehnt, mit einem weiteren Beschluss vom 15. Februar 2001, B 1252/00-11, wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung abgetreten.

In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bedenken gegen den Bebauungsplan, mit dem die Bauklasse III als zulässig erklärt wurde, hat der Beschwerdeführer bereits an den Verfassungsgerichtshof herangetragen, dieser hat unter Bezugnahme auf seine Judikatur zur Bauklassenerhöhung die Bedenken nicht geteilt. Bezogen auf den Beschwerdefall hegt auch der Verwaltungsgerichtshof auch unter dem Gesichtspunkt des Beschwerdevorbringens keine Bedenken gegen den Bebauungsplan; er sieht sich daher zu keiner (neuerlichen) Befassung des Verfassungsgerichtshofes veranlasst.

Zufolge der Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 1 der Bauordnungs-Novelle, LGBl. 8200-3, ist das Verfahren im Beschwerdefall auf Grund der Einbringung des Baugesuches vor dem Inkrafttreten der genannten Novelle nach der bis dahin geltenden Rechtslage zu Ende zu führen; es ist daher die NÖ BauO 1996 in der Fassung vor der Novelle LGBl. 8200-3 anzuwenden.

Gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. werden subjektiv-öffentliche Rechte begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen Gebäude der Nachbarn dienen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, werden die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte im § 6 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1996 taxativ aufgezählt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 2000/05/0120). In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, dass mit dem Vorbringen, ein Nachbar erachte sich durch ein Bauprojekt in seiner persönlichen Freiheit eingeengt, kein im § 6 Abs. 2 leg. cit. angeführtes subjektiv-öffentliches Recht geltend gemacht wird. Dasselbe gilt für das in der gegenständlichen Beschwerde angeführte Recht auf "Achtung des Privatlebens", das in dieser allgemeinen Form kein subjektiv-öffentliches Recht bildet. Die behauptete Wertminderung der Liegenschaft des Beschwerdeführers wegen der durch die Bauführung ermöglichten Einsicht auf seine Liegenschaft ist als privatrechtliche Einwendung zu qualifizieren, die weder zu einer Versagung der Baubewilligung noch zu einer die behauptete Wertminderung vermeidenden Auflage führen kann. Die Behandlung der behaupteten Verletzung des Grundrechtes auf Eigentum fällt in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes, soweit damit eine Verletzung in einem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht geltend gemacht wird, genügt der Hinweis, dass die einfachgesetzlich gewährleistete Freiheit auf Eigentum des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur soweit gehen kann, als sie durch diesbezügliche subjektiv-öffentliche Rechte geschützt ist. Werden die baurechtlich relevanten Bestimmungen, die der Landesgesetzgeber als Nachbarrechte determiniert hat, eingehalten, so besteht kein weiteres einfachgesetzlich gewährleistetes Recht auf Freiheit des Eigentums.

Gemäß dem, einen Bestandteil des Baubewilligungsbescheides bildenden Plan nimmt der vorgesehene Balkon eine Länge von 16,7 m mit einer Tiefe von 2 m ein.

Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass gemäß § 52 Abs. 3 Z. 3 der NÖ BO 1996 Balkone auf eine Länge von nicht mehr als 5 m beschränkt werden. Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, dass § 52 leg. cit. nur Regelungen betreffend Vorbauten über die Straßenfluchtlinie (Abs. 1), im vorderen Bauwich (Abs. 2) sowie im seitlichen oder hinteren Bauwich (Abs. 3) trifft. Im Beschwerdefall soll der Balkon an der südlichen Front des Gebäudes errichtet werden, somit, wie der Plan zeigt, weder im vorderen noch im seitlichen Bauwich. Ein "hinterer Bauwich" liegt in diesem Bereich nicht vor, da einerseits im Bebauungsplan keine hinteren Baufluchtlinien vorgesehen sind und die Grenze zu dem südlich anschließenden Grundstück ca. 6,5 m von der hinteren Gebäudeflucht entfernt ist. Da gemäß § 50 Abs. 2 BO auch der hintere Bauwich nur 3 m betragen müsste, erfolgt die Bauführung jedenfalls außerhalb eines hinteren Bauwichs, dies unabhängig davon, ob die Vereinigung des südlich des zu bebauenden Grundstückes liegenden, ebenfalls dem Erstmitbeteiligten gehörenden Grundstückes mit dem zu bebauenden Grundstück bereits erfolgt ist oder nicht. Da die Ausmaße des geplanten Balkons durch § 52 BO nicht beschränkt sind, ist der Beschwerdeführer durch die geplante Balkonausgestaltung in keinen rechtzeitig geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.

Eine weitere Rechtsverletzung erblickt der Beschwerdeführer in der behaupteten Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe.

Hinsichtlich der Bebauungsweise, der Bebauungshöhe, des Bauwichs, der Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässiger Höhe wird dem Nachbarn gemäß § 6 Abs. 2 Z. 3 der NÖ BO 1996 lediglich insofern ein Mitspracherecht eingeräumt, als diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster der bewilligten oder bewilligungsfähigen Gebäude der Nachbarn dienen (vgl. dazu auch das oa. Erkenntnis vom 4. Juli 2000). Den Einwendungen des Beschwerdeführers kann nicht entnommen werden, dass er befürchte, durch das Bauvorhaben werde die ausreichende Belichtung der Hauptfenster seines bestehenden Gebäudes oder künftig bewilligungsfähiger Gebäude beeinträchtigt. Abgesehen davon, ist die Gebäudehöhe auf Verwaltungsebene richtig ermittelt worden: Gemäß § 53 Abs. 1 der NÖ BO 1996 ist die Gebäudehöhe nach der mittleren Höhe der Gebäudefront zu bemessen und die Gebäudefront wird bei Gebäuden an der Straßenfluchtlinie durch den Verschnitt mit dem Straßenniveau in dieser Linie, ansonsten mit der bestehenden oder bewilligten Höhenlage des Geländes und nach oben durch den Verschnitt mit der Dachhaut oder mit dem oberen Abschluss der Gebäudefront begrenzt. Bei zurückgesetztem Geschoss ergibt sich der Verschnitt in der gedachten Fortsetzung der Gebäudefront mit einer an der Oberkante des zurückgesetzten Geschosses angelegten Ebene im Lichteinfallswinkel von 45 Grad . Dies gilt sinngemäß auch für Gebäude mit einer Dachneigung mit mehr als 45 Grad . Gemäß § 53 Abs. 6 leg. cit. darf bei Giebelfronten die Bebauungshöhe oder höchstzulässige Gebäudehöhe bis zu 4 m überschritten werden. Da im Beschwerdefall im Bebauungsplan die Bauklasse II oder III festgesetzt wurde und die zulässige Bebauungshöhe in der Bauklasse III 8 m bis 11 m beträgt (vgl. § 70 Abs. 2 NÖ BO 1996) und an der der Liegenschaft des Beschwerdeführers zugekehrten Westfront eine Giebelfront ausgebildet ist, bei der zu den 11 m noch zuzüglich 4 m zulässig sind, erweist sich das in der Bauverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers abgegebene Gutachten des bautechnischen Sachverständigen als schlüssig und nachvollziehbar und es ergibt sich insbesondere anhand des Planes, dass die Gebäudehöhe an der dem Beschwerdeführer zugekehrten Giebelfront in ihrer mittleren Höhe 12,92 m beträgt und damit jedenfalls unter der zulässigen Gebäudehöhe liegt. Die Gebäudehöhe an den übrigen Fronten wird ebenfalls eingehalten, wobei dazu zu bemerken ist, dass dem Anrainer nur ein Recht darauf zukommt, dass die ihm zugekehrte Gebäudefront die zulässige Gebäudehöhe einhält (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 6. Juni 1977, Slg. Nr. 9338/A). Da die Gebäudehöhe im Beschwerdefall durch die Bauklasse definiert ist, erübrigt sich ein Eingehen darauf, ob die zulässige Geschosszahl eingehalten wird, abgesehen davon handelt es sich bei dem vorliegenden Fall entsprechend der Definition des § 4 Z. 7 NÖ BO nicht um ein Hauptgeschoss, sondern um ein Dachgeschoss, weil es innerhalb des Dachraumes liegt.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren des Erstmitbeteiligten für die Vergebührung nicht erforderlicher Ausfertigungen der Gegenschrift war abzuweisen. Wien, am 4. September 2001

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