VwGH 2001/05/0005

VwGH2001/05/000522.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des GS in W, vertreten durch Dr. RL, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. Juni 2000, Zl. UVS- 04/A/40/268/1999, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (weitere Partei gemäß § 21 Abs. 1 VwGG: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §135 Abs1;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauO Wr §135 Abs1;
BauO Wr §60 Abs1 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Strafausmaßes und der Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 6. Juli 1999 wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 135 Abs. 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien mit einer Geldstrafe von S 135.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzarreststrafe von "21 Stunden, 4 Tagen und 2 Wochen" verurteilt. Dem Beschwerdeführer wurde angelastet, er habe als Liegenschaftseigentümer und Bauherr auf der im Wald- und Wiesengürtel befindlichen Liegenschaft in W, A-Gasse, entgegen der Vorschrift des § 60 Abs. 1 lit. a BO Arbeiten zur Errichtung eines Neubaues, und zwar am 15. März 1999 die Aufstellung von Fertigteil-Kellerwänden auf einer Fläche von 6 m x 10 m und die Errichtung einer Kellerdecke aus Stahlbeton und am 16. März 1999 einen weiteren Erdaushub zur Vergrößerung der Baugrube westlich des errichteten Kellergebäudes im Ausmaß von 12 m x 4,5 m und einer Tiefe bis zu 2,5 m, am 17. März 1999 die Herstellung einer Stahlbetonfundamentplatte westlich des Kellergebäudes sowie am 18. und 19. März 1999 die Errichtung eines weiteren Kellergebäudeteiles durch Aufstellung von Fertigteilwand- und -deckenschalen mit Ortbetonfüllung an der Westseite im Ausmaß von 10 m x 5,5 m, durchführen lassen, ohne vorher die hiefür erforderliche Baubewilligung erwirkt zu haben.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. September 2000, B 1414/00-6, abgelehnt; mit einem weiteren Beschluss vom 21. Dezember 2000, B 1414/00-8, wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten ohne Gegenschrift vorgelegt und unter Beantragung der Zuerkennung des Vorlageaufwandes die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die gegenständliche Bauführung erfolgte nicht im Bauland, sondern im Wald- und Wiesengürtel. Vor den angelasteten Tatzeitpunkten bestand auf dieser Liegenschaft ein unterkellertes Gebäude mit nicht ausgebautem Dachgeschoss, das Gebäude soll dort seit mehr als 30 Jahren gestanden sein. Im Jahre 1998 war für den Altbestand ein Bestandsplan gemäß § 71a der Wiener Bauordnung eingereicht worden, wodurch er ab diesem Zeitpunkt als bewilligt galt.

Im Zuge von Sanierungsarbeiten an diesem Gebäude wurde vor dem Tatzeitraum von einem Drittunternehmer (Fa. C) Erdmaterial auch entlang jener Gebäudeseite ausgehoben, an welcher das angrenzende Erdreich hangartig zur A-Gasse aufsteigt. Durch diese Arbeiten am bzw. um den Altbestand wurde eine Hangrutschung ausgelöst, die einen Teil des Gebäudealtbestandes zerstörte. Auf Grund der Hangrutschung wurde die hangaufwärts gelegene A-Gasse gesperrt.

Anlässlich einer Erhebung durch ein Organ der Baubehörde wurde am 15. März 1999 festgestellt, dass auf dieser Liegenschaft mit der Errichtung eines Betonfertigteilkellers im Ausmaß von ca. 6 m x 10 m begonnen wurde. Im Zeitpunkt der Erhebung waren folgende Bauarbeiten durchgeführt: gesamter Baugrubenaushub und Errichtung der Fundamentplatte; folgende Arbeiten waren im Gange:

die Errichtung von Fertigteil-Kellerwänden. Da für diese Baulichkeit keine Baubewilligung erwirkt worden war, untersagte der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 15. März 1999 gemäß § 127 Abs. 8 lit. a der Bauordnung für Wien (BO) dem Eigentümer der Baulichkeit und nunmehrigen Beschwerdeführer die Fortführung der auf der genannten Liegenschaft begonnenen Bauführung.

Im Anschluss an die Baueinstellung hatte der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 7. April 1999 dem Beschwerdeführer als dem Eigentümer der oben genannten Kellerbaulichkeit gemäß § 129 Abs. 10 BO den Auftrag erteilt, das ohne Baubewilligung errichtete Kellergebäude zur Gänze abtragen zu lassen. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers blieb ebenso erfolglos wie seine dagegen an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, die dieser mit Erkenntnis vom 28. März 2000, Zl. 99/05/0288, abgewiesen hat.

Die gegen die Baueinstellung erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat die Bauoberbehörde für Wien mit Bescheid vom 13. Dezember 1999 abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. August 2000, Zl. 2000/05/0077, abgewiesen.

Auftraggeber und Bauherr der Sanierungsarbeiten am Altbestand war der Beschwerdeführer. Auf Grund der Hangrutschung wurde der Baupolier der mit den Sanierungsarbeiten beauftragten Baufirma M GesmbH. am 9. März 1999 auf die Baustelle beordert und ein Statiker (D.I. T.) beigezogen. Dieser empfahl am 10. März 1999 schriftlich, dringlichst Sofortmaßnahmen in Form einer statisch ausreichenden Absicherung des Hanges gegen weiteres Abrutschen. Die konkrete Sicherungsmaßnahme wurde daraufhin mit M. besprochen. Der Sachverständige schlug bis zum 11. März 1999 die Errichtung einer sogenannten "Stützschachtel" vor, die in der Entfernung der alten Gebäudesubstanz inklusive des damals noch teilweise bestehenden Kellers und der Errichtung eines neuen Kellers (betonierte Fundamentplatte und Kellerfertigbetonteilwände samt Kellerbetondecke) bestand. Auf Grund der behördlichen Baueinstellung am 15. März 1999 und trotz vorliegender Hangrutschungsgefahr wurde die Baugrube in Richtung des noch bestehenden Altkellerteiles erweitert, indem der zweite Teil des Kelleraltbestandes entfernt wurde. Am 17. März 1999 wurde die Stahlbetonfundamentplatte in diese Richtung vergrößert. Am 18. März 1999 wies der Vertreter der Baubehörde an Ort und Stelle abermals auf die Unzulässigkeit der gegenständlichen Bauführung hin, der beigezogene Vertreter der für Fragen der Statik zuständigen Magistratsabteilung 29 forderte eine kraft- und formschlüssige Sicherung bzw. Abstützung der vorhandenen Baugrubenböschung, um weitergehende Hangrutschungen zu verhindern. Als alternative Maßnahmen zur Errichtung einer "Betonschachtel" führte der Amtssachverständige aus, es könne eine Vorschüttung eines entsprechend dimensionierten und verdichteten Stützkörpers aus geeignetem Material (z.B. Schotter) bis zur Baugrubenoberkante durchgeführt werden oder die Aufbringung eines Betonstützkörpers oder Sicherung der Baugrubenwand mittels Spritzbetonschale (bewehrt) und Anker oder Nagelung. Seitens der Baubehörde wurde der Bauführer auf die Unzulässigkeit der Weiterführung der Bauarbeiten zur Fertigstellung des gesamten Kellergeschosses hingewiesen. Dennoch wurden in der Nacht vom 18. März 1999 auf den 19. März 1999 die Arbeiten am Keller fortgesetzt.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung der Arbeiten nicht bestritten, er führte jedoch schon in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Strafbescheid aus, es treffe ihn an der angelasteten Verwaltungsübertretung kein Verschulden. Er habe die Fa. M GesmbH. lediglich mit Renovierungsarbeiten am Altbestand beauftragt, weitere Aufträge hätte er der Baufirma nicht erteilt. Da er berufsbedingt vom 12. bis 22. März 1999 im Ausland gewesen sei, habe er von den Vorkommnissen auf der Baustelle erst im Nachhinein erfahren.

Hinsichtlich der im Zusammenhang mit der Verschuldensfrage bestrittenen Kenntnis von der Kellererrichtung gelangte die Berufungsbehörde zur Überzeugung, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Neuerrichtung des Kellers im Vorhinein - zumindest - informiert gewesen sei, ein solches Vorgehen einkalkuliert und den Bauführer an der rechtswidrigen Herstellung des Kellers im Wald- und Wiesengürtel nicht gehindert habe.

Zu dieser Überzeugung gelangte die Berufungsbehörde nicht nur deshalb, weil auf Grund der diesbezüglich vom Beschwerdeführer unbestrittenen Angaben des Bauführers davon auszugehen war, dass die Hangrutschungsgefahr bereits am 10. März 1999 bestand, somit zwei Tage vor dem Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers, und weil der Beschwerdeführer ausdrücklich erklärt hatte, den Altbestand des Hauses trotz beabsichtigter Sanierung (Keller- und Dachsanierung sowie Sanierung der Elektroinstallation) "ratzeputz" ausgeräumt zu haben, was für die beabsichtigte Sanierung nicht notwendig gewesen wäre. Mit der Zeugin D.I. M. R. habe der Beschwerdeführer in einem Gespräch vor den gegenständlichen Tatzeitpunkten von einem Neubau gesprochen, von einem Lebenstraum, den er sich dort erfüllen wolle. Überdies hat der Statiker D.I. T. als Zeuge ausgesagt, dass "einkalkuliert war, dass dieses Haus beseitigt wird". Dass weitaus größere Bauarbeiten als bloß die genannte Sanierung geplant gewesen seien, habe sich nach Ansicht der belangten Behörde weiters aus der Errichtung einer eigenen Zufahrtsstraße auf der gegenständlichen Liegenschaft gezeigt, wofür eine Fläche von zumindest 100 m Länge x 3 m Breite und etwa 80 cm Tiefe ausgehoben wurde und mit tragfähigem Material für die Zufahrt von Lkw verfestigt wurde.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde - soweit nicht offenkundige Tatsachen oder gesetzliche Vermutungen im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG vorliegen - unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Dieser Grundsatz bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen , insbesondere keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsrechtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8619/A, uva.).

Unter Zugrundelegung derselben Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1993, Zl. 92/06/0207, mwH).

Einer solchen Schlüssigkeitsprüfung hält die Begründung des angefochtenen Bescheides auch unter dem Blickwinkel des Beschwerdevorbringens stand.

Wenn der Beschwerdeführer ausführt, die Zeugin D.I. M. R. habe bei ihrer Einvernahme am 30. November 1999 zuerst von einem Neubau gesprochen und dann ausgesagt, sie könne nicht genau sagen, ob der Beschwerdeführer gesagt habe, dass er etwas Neues errichten wolle, so kann damit die Unglaubwürdigkeit der Zeugin nicht dargetan werden, ist doch auch "etwas Neues" kein sanierter Altbestand. Wenn sich diese Zeugin bei Vorlage von Fotografien betreffend Sichtschutz an Grundstückszäunen ausschließlich daran erinnern konnte, dass die Einzäunung so gestaltet war, dass man keineswegs durchsehen konnte, sagt das nichts über ihr Erinnerungsvermögen betreffend die Gespräche mit dem Beschwerdeführer aus. Auf Grund der auch vom Verwaltungsgerichtshof als schlüssig zu beurteilenden Beweiswürdigung konnte daher die belangte Behörde mit Recht zum Ergebnis gelangen, dass der Beschwerdeführer zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Die grundsätzliche Strafbarkeit des Verhaltens hat die belangte Behörde daher zu Recht angenommen.

Mit Recht hat die belangte Behörde eine verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, von der die Erstbehörde ausgegangen ist, nicht als mildernden Umstand gewertet, weil eine Auskunft der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. November 1999 ergeben hat, dass dem Beschwerdeführer die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit nicht zukommt. Wenn auch die rechtskräftig verhängte Verwaltungsstrafe aus dem Jahre 1997 nicht auf der gleichen schädlichen Neigung beruhte, so bedeutete dies nur, dass die belangte Behörde das Vorliegen einer Vorstrafe nicht als erschwerend berücksichtigen durfte, was sie ohnedies nicht getan hat, dass aber andererseits der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht vorlag. Der erhebliche Verschuldensgrad in Form des bedingten Vorsatzes wurde ebenfalls zu Recht angenommen, da der bedingte Vorsatz einen höheren Verschuldensgrad als die Fahrlässigkeit darstellt. Zu Unrecht hat die belangte Behörde aber das Vorliegen von "nicht unerheblichem Vermögen (Alleineigentum an der gegenständlichen Liegenschaft)" angenommen, stellt doch die Liegenschaft im Wald- und Wiesengürtel, die nicht bebaut werden darf, nicht ein "nicht unerhebliches Vermögen" dar, weil einer solchen Liegenschaft nicht Baulandpreise zugemessen werden können. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem gleichzeitig mit der Beschwerde vorgelegten Gutachten der Prof. H. G. betreffend den Wert der Liegenschaft um eine vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung handelt, weil auch ohne Vorlage eines Gutachtens erkennbar ist, dass der Wert der gegenständlichen Liegenschaft kein erhebliches Vermögen darstellt.

Aus dem oben angeführten Grund war der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Strafbemessung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 6 VwGG abgesehen werden, da im Gegenstand bereits eine mündliche Verhandlung vor einem unabhängigen Tribunal stattgefunden hat, bei der die Erfordernisse des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK gewährleistet waren (vgl. § 51g Abs. 2 VStG).

Wien, am 22. Mai 2001

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