VwGH 2000/20/0119

VwGH2000/20/011927.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des S in K, vertreten durch Dr. Hubert Sacha, Rechtsanwalt in 3500 Krems a. d. Donau, Gartenaugasse 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 26. Jänner 2000, Zl. Wa- 322/99, betreffend Entziehung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Normen

StGB §83 Abs1;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs3;
StGB §83 Abs1;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. November 1999 entzog der Magistrat der Stadt Krems a. d. Donau dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) den 1984 für ihn ausgestellten Waffenpass. Diese Entscheidung gründete sich im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Krems a. d. Donau vom 7. November 1996 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden sei, weil er Werner S. durch einen Faustschlag ins Gesicht verletzt habe. Hinzu komme noch, dass gegen den Beschwerdeführer auch eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung durch das Bezirksgericht Krems a.

d. Donau vom 9. März 1999 wegen des Vergehens der falschen Zeugenaussage in einem Verwaltungsverfahren vorliege. Der gesamte vorliegende Sachverhalt rechtfertige die Befürchtung, dass die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers nicht mehr gegeben sei.

In seiner Berufung gegen diese Entscheidung machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, die erwähnten Verurteilungen erreichten "nicht das im § 8 Abs. 3 WaffG normierte Ausmaß" und die Behörde erster Instanz habe sich über den klaren Willen des Gesetzgebers, welcher die den Entzug eines Waffenpasses rechtfertigenden strafgerichtlichen Verurteilungen in § 8 Abs. 3 WaffG "abschließend aufgezählt" habe, hinweggesetzt. In Bezug auf die zweite Verurteilung sei auch gemäß § 8 Abs. 4 WaffG auf die dabei zur Anwendung gekommene bedingte Strafnachsicht Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe bei keinem der den beiden Verurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte einen missbräuchlichen, leichtfertigen oder unvorsichtigen Umgang mit Waffen gezeigt und den Urteilssachverhalten seien keinerlei Umstände zu entnehmen, die einen Rückschluss auf eine waffenrechtliche Unverlässlichkeit des Beschwerdeführers zuließen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die belangte Behörde traf - gestützt auf das Urteil des Landesgerichtes Krems a. d. Donau vom 12. August 1997, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Krems a. d. Donau vom 7. November 1996 nicht Folge gegeben worden war - Feststellungen über den der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens der Körperverletzung zugrunde liegenden Sachverhalt. Danach war der Beschwerdeführer am 26. Oktober 1995 mit Werner S., der ihm durch ein verkehrsbehindernd abgestelltes Fahrzeug die Einfahrt in ein Grundstück erschwert hatte, in eine Auseinandersetzung geraten, in deren Verlauf der Beschwerdeführer Werner S., nachdem ihn dieser gehänselt hatte, zunächst "durchschüttelte" und schließlich, als Werner S. wegzufahren versuchte, dessen Autotüre aufriss und Werner S. einen Faustschlag gegen das linke Auge versetzte, was eine Blutunterlaufung am linken Unterlid zur Folge hatte. Der Verurteilung wegen § 289 StGB lag nach den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde zugrunde, dass der Beschwerdeführer mehrmals in Beantwortung von Lenkererhebungen Personen, die zwischen dem Tatzeitpunkt und der Lenkeranfrage verstorben waren, als Lenker angegeben hatte. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei nicht mehr verlässlich im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 1 WaffG. Wer auf Grund eines ganz geringfügigen Anlasses (geringfügiges Verstellen der Einfahrt und allfälliges Verspotten) emotional derart "ausraste" wie der Beschwerdeführer und dabei vorsätzlich auf den Kopf einer in einem gestarteten Pkw sitzenden Person einschlage, wobei daraus auch Verletzungen resultiert seien, von dem sei zu erwarten, dass er auch in anderen geringfügigen Streitfällen oder bei emotionalen Spannungen bzw. Stresssituationen gegen andere Personen aggressiv und gewalttätig vorgehe. Für die belangte Behörde stehe dabei nicht so sehr die eher geringfügige gerichtliche Bestrafung im Mittelpunkt, sondern die Art und Weise des gerichtlich relevanten Geschehensablaufes (Gewaltanwendung wegen eines geringfügigen Anlassfalles). Infolge dieser Ereignisse sei nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer bei möglichen Aggressionshandlungen Waffen, die er auf Grund seines Waffenpasses auch führen dürfe, leichtfertig oder missbräuchlich zum Nachteil anderer Personen verwenden würde. Diese Prognose der belangten Behörde werde durch die gerichtliche Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage "noch verstärkt".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die für die Beurteilung des vorliegenden Falles maßgeblichen

Teile des § 8 WaffG lauten:

"Verlässlichkeit

§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er

  1. 1. Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
  2. 2. mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;

    3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

(2) Ein Mensch ist keinesfalls verlässlich, wenn er

  1. 1. alkohol- oder suchtkrank ist oder
  2. 2. psychisch krank oder geistesschwach ist oder
  3. 3. durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen.

(3) Als nicht verlässlich gilt ein Mensch im Falle einer Verurteilung

1. wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden oder wegen Zuhälterei, Menschenhandels, Schlepperei oder Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder

2. wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels oder

3. wegen einer durch fahrlässigen Gebrauch von Waffen erfolgten Verletzung oder Gefährdung von Menschen oder

4. wegen einer in Z 1 genannten strafbaren Handlung, sofern er bereits zweimal wegen einer solchen verurteilt worden ist.

(4) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Trotz einer nicht getilgten Verurteilung im Sinne des Abs. 3 kann ein Mensch verlässlich sein, wenn das Gericht vom Ausspruch der Strafe abgesehen hat (§ 12 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 - JGG, BGBl. Nr. 599); Gleiches gilt, wenn das Gericht sich den Ausspruch der Strafe vorbehalten hat (§ 13 JGG) oder die Strafe - außer bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten - ganz oder teilweise bedingt nachgesehen hat, sofern kein nachträglicher Strafausspruch oder kein Widerruf der bedingten Strafnachsicht erfolgte."

Die belangte Behörde ist bei ihrer Entscheidung - abgesehen von der zusätzlichen, für den angefochtenen Bescheid aber im Ergebnis nicht maßgeblichen Heranziehung der zweiten Verurteilung des Beschwerdeführers - von dem Sachverhalt ausgegangen, der der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens der Körperverletzung zugrunde liegt. Zu der in der Beschwerde vertretenen Ansicht, es stehe der Behörde nicht frei, auf Grund eines Sachverhaltes, der einer im Strafausmaß hinter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Z 1 WaffG zurückbleibenden Verurteilung zugrunde liegt, gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 WaffG die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Straftäters zu verneinen, kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0139, und die dort dargestellte Vorjudikatur verwiesen werden. Liegt eine strafgerichtliche Verurteilung vor, die nicht unter § 8 Abs. 3 WaffG subsumierbar ist, so kann die bloße Tatsache der Verurteilung in der Regel (vgl. aber die Bezugnahmen auf das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 97/20/0752, in dem zuvor genannten Erkenntnis) nicht ausreichen, um - losgelöst von den konkreten Umständen der Tat, auf die es nach § 8 Abs. 3 WaffG nicht ankommt -

als "Tatsache" im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG eine auf diese Bestimmung gestützte Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit zu rechtfertigen. Die konkreten Umstände der Tat können aber solche "Tatsachen" sein, was - nur beispielsweise, bezogen auf die Gefahr einer missbräuchlichen oder leichtfertigen Verwendung von Waffen - etwa dann der Fall sein kann, wenn eine Waffe missbraucht wurde, um einer Drohung Nachdruck zu verleihen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0287), oder eine hohe Aggressionsbereitschaft zu Tage getreten ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1998, Zl. 98/20/0308; aus der älteren Rechtsprechung im Anschluss an das Erkenntnis vom 15. November 1977, Slg. Nr. 9431/A, etwa die Erkenntnisse vom 27. Februar 1979, Zl. 251/78, vom 23. November 1988, Zl. 88/01/0200, vom 24. Jänner 1990, Zl. 90/01/0001, oder vom 11. Dezember 1997, Zl. 96/20/0578). Die waffenrechtliche Verlässlichkeit kann in solchen Fällen auch auf Grund von Verhaltensweisen zu verneinen sein, die Gegenstand eines mit Freispruch (vgl. dazu das zitierte Erkenntnis vom 23. November 1988, Zl. 88/01/0200, sowie das zuletzt zitierte Erkenntnis hinsichtlich des zweiten der darin beurteilten Vorfälle) oder mit Einstellung aus dem Grunde des § 42 StGB (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 27. Februar 1979, Zl. 251/78) beendeten Strafverfahrens waren (vgl. zur Einstellung des Strafverfahrens auch das Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0321). Der Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bei dem Vorfall am 26. Oktober 1995 aus geringfügigem Anlass gewalttätig geworden und daher mit Rücksicht auf die Gefahr, dass er in einer derartigen Situation auch Waffen leichtfertig oder missbräuchlich zum Einsatz bringen könnte, im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 1 WaffG nicht mehr verlässlich, ist angesichts der Art der dem rechtskräftigen Urteil zugrunde gelegten Gewaltanwendung - Faustschlag in das Gesicht einer in einem Fahrzeug sitzenden Person, die den Schauplatz der Auseinandersetzung gerade zu verlassen versucht - nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegen zu treten. Bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit ist, wie die belangte Behörde in ihrer Entscheidung richtig dargelegt hat, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. dazu etwa die Nachweise bei Hauer/Keplinger, Waffengesetz 1996 (1997), S. 41 f). Dass etwa eine missbräuchliche oder leichtfertige Verwendung von Waffen schon stattgefunden hat, ist in einem Fall wie dem vorliegenden keine Voraussetzung für die Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit (vgl. dazu die Nachweise bei Hauer/Keplinger, a. a.O., S. 44 und 46). Mit dem Vorbringen, er sei schon seit etwa 16 Jahren Inhaber eines Waffenpasses gewesen und habe in dieser Zeit keinen wie immer gearteten Anlass zu einer Beanstandung gegeben, ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass mit der Entziehung einer waffenrechtlichen Urkunde auch dann vorzugehen ist, wenn ein nur ein Mal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, dass die waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht mehr gegeben ist (vgl. als Beispiel für viele das hg. Erkenntnis vom 6. November 1997, Zl. 96/20/0785, mit weiteren Nachweisen).

Der Beschwerdeführer hat schließlich - in einer von ihm selbst verfassten Eingabe vom 17. Juni 2000 - auch noch geltend gemacht, er habe Werner S. gar nicht verletzt und das Urteil sei "nur der Beweiswürdigung des Richters zu verdanken, und dem Umstand, dass ich nicht rechtlich vertreten war". Dem ist - abgesehen von der Rechtskraft des Urteils - entgegen zu halten, dass die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils vom 7. November 1996 durch einen Senat des Landesgerichtes Krems a. d. Donau auf einer in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, in der der Beschwerdeführer durch einen Verteidiger vertreten war, durchgeführten Beweiswiederholung beruhte und es die Sachverhaltsfeststellungen des Berufungsgerichtes waren, von denen die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. September 2001

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