VwGH 2000/07/0261

VwGH2000/07/026122.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde des Mag. Klaus B in X, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, Rainerstraße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 28. Juni 2000, Zl. VwSen-260258/3/WEI/Bk, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §33 Abs4;
AVG §63 Abs3;
VwRallg;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §33 Abs4;
AVG §63 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis (der erstinstanzlichen Behörde) vom 26. Jänner 2000 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959 (§ 137 Abs. 3 lit. f iVm § 31b) gemäß § 139 Abs. 3 lit. f leg. cit. eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunden) verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 28. Jänner 2000 zugestellt.

Dagegen brachte der Beschwerdeführer bei der erstinstanzlichen Behörde mit Schriftsatz vom 9. Februar 2000 (dort eingelangt am 11. Februar 2000) Berufung mit folgendem wesentlichen Vorbringen ein: "Ich erhebe gegen das Straferkenntnis vom 26.1.2000 innerhalb offener Frist nachstehende Berufung: Ich beantrage, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gegen mich einzustellen."

Laut den in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Aktenvermerken der erstinstanzlichen Behörde vom 6. März 2000 und 7. März 2000 sei dem Beschwerdeführer "stillschweigend" eine Drei-Wochen-Frist zur Ausführung der Berufung gewährt worden und dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 6. März 2000 erklärt worden, dass wegen drohender Strafbarkeitsverjährung die "Berufungsanmeldung" dringend dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt werden müsste, sowie "vereinbart" worden, dass nach Prüfung des Sachverhaltes eine weitere Kontaktaufnahme erfolgen werde. Dem Aktenvermerk vom 7. März 2000 zufolge habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers an diesem Tag nochmals "über den Sachverhalt" gesprochen und um Einräumung einer Frist von zumindest einer Woche zwecks Vorlage der Begründung für die Berufung ersucht. Ihm sei (von der erstinstanzlichen Behörde( zur Behebung des "Formgebrechens" telefonisch eine "letzte" Frist bis Freitag, den 10. März 2000, gesetzt worden, widrigenfalls die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müsste; der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe diese Entscheidung zur Kenntnis genommen.

In der sodann bei der erstinstanzlichen Behörde eingebrachten, am 13. März 2000 dort eingelangten Stellungnahme vom 10. März 2000 führte der Beschwerdeführer aus, aus welchen Gründen er gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis Berufung erhebe.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 28. Juni 2000 wurden gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991 die als Berufung bezeichnete Eingabe vom 9. Februar 2000 mangels eines begründeten Berufungsantrages als unzulässig und die nachträgliche Stellungnahme vom 10. März 2000 als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Eingabe vom 9. Februar 2000 mangels eines begründeten Berufungsantrages nicht als Berufung im Sinn des Gesetzes angesehen werden könne und einer Verbesserung nicht zugänglich gewesen sei. Die mit Stellungnahme vom 10. März 2000, eingelangt am 13. März 2000, nachgetragene Berufungsbegründung sei verspätet gewesen. Das faktische Gewähren von Nachfristen durch die erstinstanzliche Behörde könne zu keiner abweichenden Beurteilung führen, weil weder die Berufungsfrist noch der notwendige Berufungsinhalt zur Disposition der Behörde stehe. Dieses Ergebnis könne durch § 13 Abs. 3 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998, wonach Mängel schriftlicher Anbringen nicht zur Zurückweisung ermächtigten, sondern die Behörde zur unverzüglichen Veranlassung der Mängelbehebung verpflichtet sei, nicht in Frage gestellt werden, weil mit dieser Bestimmung nicht das Berufungsrecht habe geändert werden sollen. Dass Rechtsmittel nicht wie beliebige Anbringen behandelt werden könnten, folge auch aus § 13 Abs. 2 AVG, worin die Rechtsmittel besonders erwähnt und diese den "sonstigen" Anbringen geradezu als ein aliud gegenübergestellt seien.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 26. September 2000, B 1373/00-3). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf meritorische Erledigung seiner Berufung durch die belangte Behörde als verletzt.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt vor, dass die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers vom 9. Februar 2000 und seiner Stellungnahme vom 10. März 2000 zu Unrecht erfolgt sei, weil die belangte Behörde ihm gemäß § 13 Abs. 3 AVG idF der AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, einen Mängelbehebungsauftrag hätte erteilen müssen. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer, sehe man die ihm von der erstinstanzlichen Behörde am 7. März 2000 telefonisch gesetzte Frist bis 10. März 2000 bereits als Verbesserungsauftrag an, diesem Auftrag durch seine Stellungnahme vom 10. März 2000 entsprochen, sodass die Berufung als rechtzeitig eingebracht anzusehen sei.

2. Nach der - gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, zu § 51 VStG

E 79 zitierte hg. Judikatur) - Vorschrift des § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Bis zur Novellierung des AVG durch BGBl. I Nr. 158/1998 stellte das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages einen nicht behebbaren, zur Zurückweisung einer Berufung führenden Mangel dar (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 63 AVG E 134 zitierte hg. Judikatur). Durch die mit 1. Jänner 1999 in Kraft getretene Novellierung des AVG erhielt dessen - auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende (vgl. § 24 VStG) - Bestimmung des § 13 Abs. 3 eine neue Fassung mit folgendem Wortlaut:

"§ 13 (3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."

Nach dieser Neufassung ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen somit die Behörde nicht zur sofortigen Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen. Im Gegensatz zu der bis zur Neufassung geltenden Rechtslage stellt § 13 Abs. 3 AVG nicht mehr auf Formgebrechen ab, sondern ganz allgemein auf "Mängel". Damit sind auch solche Mängel, die bisher zur Zurückweisung zu führen hatten, wie etwa das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages, einer Verbesserung zuzuführen. Fehlt ein begründeter Berufungsantrag, ist die Berufung nach § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung zurückzustellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/10/0154, mwN). Dafür, dass - wie die belangte Behörde meint - Berufungen nicht von der genannten Novellierung erfasst werden sollten, findet sich weder im Wortlaut des § 13 AVG noch in den Materialien zur AVG-Novelle 1998 (1167 Blg. NR 20. GP) eine Grundlage, zumal schon nach der bis zur besagten Novellierung geltenden Rechtslage (formelle) Mängel von Berufungen verbesserungsfähig waren (vgl. dazu etwa Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 160, 161, 524, mwN) und laut diesen Gesetzesmaterialien mit der Novellierung dieser Bestimmung die Differenzierung zwischen formellen und materiellen Mängeln aufgehoben werden und jeder prinzipiell verbesserungsfähige Mangel eines Anbringens einer Verbesserung zugänglich werden sollte (vgl. RV 1167 Blg NR 20. GP, 26, "Zu Z 3 (§ 13 samt Überschrift)").

3. Da die Berufung vom 9. Februar 2000 zwar einen Berufungsantrag, aber keine Begründung dafür enthielt, war von der Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG (in der novellierten Fassung) vorzugehen. Den in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Aktenvermerken vom 6. März 2000 und 7. März 2000 zufolge wurde dem Beschwerdeführer von der erstinstanzlichen Behörde nach bereits "stillschweigend gewährter" Mängelbehebungsfrist am 7. März 2000 telefonisch "eine letzte Frist bis Freitag, den 10.3.2000, gesetzt, widrigenfalls die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müsste", was vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen wurde.

Dazu ist zu bemerken, dass mit einem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 zweiter Satz AVG gleichzeitig eine (angemessene) Verbesserungsfrist zu setzen ist und eine stillschweigende Fristsetzung dem Verfahrensrecht fremd ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die in Walter/Thienel, aaO, zu § 33 AVG E 44 zitierte hg. Judikatur). Die in den vorzitierten Aktenvermerken genannte "stillschweigende Fristgewährung" konnte daher noch keine Grundlage für eine Zurückweisung im Sinn des § 13 Abs. 3 zweiter Satz AVG schaffen, sondern es wurde erst am 7. März 2000 ein dem § 13 Abs. 3 leg. cit. entsprechender Verbesserungsauftrag erteilt. Für diese Verfahrensanordnung war die erstinstanzliche Behörde nicht unzuständig, stand es doch in ihrem Ermessen zu erwägen, eine Berufungsvorentscheidung nach § 24 VStG iVm § 64a Abs. 1 AVG zu treffen, und die Voraussetzungen für eine solche Entscheidung zu beurteilen.

4. Mit der obgenannten Stellungnahme vom 10. März 2000 holte der Beschwerdeführer die fehlende Begründung für seinen Berufungsantrag nach. Ob dieser Schriftsatz innerhalb der am 7. März 2000 gesetzten Verbesserungsfrist erstattet wurde, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Darin findet sich insoweit lediglich die Feststellung, dass der Schriftsatz am 13. März 2000 eingelangt ist. Sollte der Schriftsatz spätestens am 10. März 2000 zur Post gegeben worden sein (§ 33 Abs. 3 AVG; der auf den in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Briefkuvert gesetzte Aufdruck einer Freistempelmaschine mit dem Namen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers lässt noch keinen gesicherten Schluss auf das Postaufgabedatum zu), wäre der inhaltliche Mangel der Berufung innerhalb der gesetzten Frist behoben worden, was zur Folge hätte, dass die Berufungsfrist vom Beschwerdeführer gewahrt worden wäre (vgl. dazu etwa die in Walter/Mayer, aaO, Rz 161, zitierte hg. Judikatur).

5. Da die belangte Behörde in Bezug auf § 13 Abs. 3 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 die Rechtslage verkannt hat und in deren Verkennung Feststellungen hinsichtlich des Zeitpunktes der Einbringung des Verbesserungsschriftsatzes vom 10. März 2000 nicht getroffen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. März 2001

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