VwGH 2000/05/0050

VwGH2000/05/00503.7.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der EG in W, vertreten durch Dr. JP, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. November 1998, Zl. UVS- 04/A/44/00189/98, betreffend Übertretung der Wiener Bauordnung (weitere Partei des Verfahrens: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §135 Abs1;
BauO Wr §135 Abs3;
MRG §18;
VStG §51 Abs7;
VStG §9;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §135 Abs1;
BauO Wr §135 Abs3;
MRG §18;
VStG §51 Abs7;
VStG §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Hauses in W, H-Straße, und der Aktenlage zufolge Gesellschafterin sowie alleinige (handelsrechtliche) Geschäftsführerin der M-R Gesellschaft mbH, die Verwalterin dieses Hauses ist.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 15. Jänner 1996, wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin dieses Hauses gemäß § 129 Abs. 2, 4 und 10 der Bauordnung für Wien (BO) der Auftrag erteilt, innerhalb von 4 Monaten nach Zustellung des Bescheides (unter anderem) die Fangköpfe näher bezeichneter Fänge der Bauordnung entsprechend in Stand zu setzen (Punkt 1.), bei der Fanggruppe Nr. 7-9 den Außenverputz bauordnungsgemäß herzustellen (Punkt 3.) und die Kehrtürchen der Fänge Nr. 9 und 20 gemäß der Ö-NORM B 8250 herstellen zu lassen (Punkt 4.). Dies wurde damit begründet, dass bei den Fangköpfen näher bezeichneter Fänge der Außenverputz schadhaft bzw. das dadurch freigelegte Ziegelmauerwerk und dessen Stoß- und Lagerfugen teilweise verwittert sei (Punkt 1.), bei der genannten Fanggruppe (Punkt 3.) der Außenverputz im Dachbodenbereich stellenweise abgefallen sei, weiters (Punkt 4.) beim Kehrtürchen des Fanges Nr. 9 das Innentürchen fehle und beim Kehrtürchen des Fanges Nr. 20 das Außentürchen durchgerostet sei.

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 26. Mai 1998 wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin dieses Hauses zur Last gelegt, in der Zeit vom 15. Jänner 1996 bis 19. März 1998

1. insoferne nicht dafür gesorgt zu haben, dass das Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechendem Zustand erhalten worden seien, als sie es unterlassen habe,

a) die Fangköpfe näher bezeichneter Fänge (Anmerkung: gemäß Punkt 1. des Bescheides vom 15. Jänner 1996) der Bauordnung entsprechend instandzusetzen,

b) bei der FanggruppeNr. 7-9 den Außenverputz ordnungsgemäß wiederherzustellen,

c) das Kehrtürchen des Fanges Nr. 20 rostfrei herzustellen bzw. zu erneuern;

2. insoferne Abweichungen von den Bauvorschriften nicht behoben habe, als sie beim Kehrtürchen des Fanges Nr. 9 kein Innentürchen angebracht habe.

Sie habe dadurch zu Punkt 1. § 129 Abs. 2 BO und zu Punkt 2 § 129 Abs. 10 BO verletzt und wurde hiefür gemäß § 135 Abs. 1 BO zu Punkt 1. mit einer Geldstrafe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Wochen) und zu Punkt 2. mit einer Geldstrafe von S 10.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen) bestraft.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid nur dahingehend Folge gegeben, dass die Ersatzfreiheitsstrafen zu Punkt 1. auf 6 Tage und zu Punkt 2. des Schuldspruches auf 2 Tage herabgesetzt wurden.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschwerdeführerin das Vorliegen der im erstinstanzlichen Straferkenntnis aufgezählten Mängel nicht in Abrede gestellt habe. Sie habe ausdrücklich zugegeben, dass sie aus ökonomischen Gründen die Behebung der Mängel erst im Zuge einer fälligen Generalsanierung des Hauses habe beheben wollen, weil auch das gesamte Dach erneuert werden müsse und somit Arbeiten an den Rauchfängen wiederholt werden müssten.

Hinsichtlich des vorschriftswidrigen Kehrtürchens Nr. 20 habe sich im Lauf der Verhandlung vor der belangten Behörde durch die erfolgte Nachschau eines Mitarbeiters des Rauchfangkehrermeisters herausgestellt, dass dieses - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin - nach wie vor "verrostet" (und daher auch noch immer vorschriftswidrig) gewesen sei.

Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie habe die Entscheidung über ihren Antrag nach §§ 18 und 18a MRG abwarten wollen, weil die aufgezeigten Mängel dann aus ökonomischen Gründen im Zuge der fälligen Generalsanierung des Hauses behoben worden wären, habe nicht vermocht, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Diesbezüglich werde darauf hingewiesen, dass der Eigentümer eines Hauses von sich aus für den ordnungsgemäßen Zustand des Hauses verantwortlich sei und demnach "automatisch" (also ohne behördliche Aufforderung) alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen habe, das Gebäude in einem sicheren und der Bauordnung entsprechendem Zustand zu erhalten.

Nach Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 18 und 18a MRG heißt es weiter, die Beschwerdeführerin sei demnach nicht nur nach den gegenständlichen Bauvorschriften (gemeint ist der Sache nach § 129 BO) sondern auch nach den mietrechtlichen Vorschriften zur Vornahme der ihr mit Auftrag vom 15. Jänner 1996 aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten vorweg verpflichtet gewesen, habe aber gleichzeitig davon ausgehen können, dass die Kosten der ihr aufgetragenen Erhaltungsarbeiten und die dafür anfallenden Zinsen im Verfahren nach § 18 MRG Berücksichtigung finden würden. Damit sei aber ein Zuwarten der Beschwerdeführerin mit den aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten nach Erlassung des Auftrages nicht mehr vertretbar gewesen. Sie hätte daher ab diesem Zeitpunkt, allenfalls mit Fremdmitteln, die im Verfahren nach § 18 MRG samt Zinsen berücksichtigt worden wären, die verfahrensgegenständlichen Erhaltungsarbeiten unverzüglich durchzuführen gehabt (und zwar unabhängig davon, ob später bei der Generalsanierung ua. des Daches die Kamine ohnedies erneuert worden wären oder nicht).

Dass die sofortige Durchführung der aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten dringend notwendig gewesen wäre, lasse sich den Angaben des Rauchfangkehrermeisters H. eindeutig entnehmen, wonach einerseits schadhafte Verputz- und Mauerteile von den Schornsteinen auf die Straße hinunterfallen und Personen und Sachen beschädigen könnten, andererseits aber durch die mangelhaften Kehrtürchen auch eine Brandgefahr gegeben gewesen sei. Im Sinne "der allgemeinen Sicherheit" wäre also eine unverzügliche Beseitigung der aufgezeigten Mängel offensichtlich dringend erforderlich gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit; hilfsweise wird der angefochtene Bescheid "wegen Rechtswidrigkeit seines Zustandekommens" bekämpft.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, der angefochtene Bescheid sei zwar mit 4. November 1998 datiert, sei ihr aber erst am 25. Jänner 2000 zugestellt worden, sodass er erst mit diesem Tag als "erlassen i.S.d. § 51 VStG" (im Original unter Anführungszeichen) angesehen werden könne. Somit sei seit dem Einlangen der Berufung bei der belangten Behörde (im Juni 1998) und der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Zeitraum von mehr als 15 Monaten verstrichen. Die belangte Behörde hätte daher den bei ihr angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid als aufgehoben betrachten und das Verfahren einstellen müssen.

Dem ist zu entgegnen, dass der angefochtene Bescheid am 4. November 1998 (in Gegenwart der Beschwerdeführerin) verkündet wurde, daher rechtzeitig (im Sinne des § 51 Abs. 7 VStG) erlassen wurde. Darauf kommt es entscheidend an. Der aktenmäßig nicht nachvollziehbare geradezu exorbitante Verzug bis zur Zustellung der Ausfertigung der angefochtenen Entscheidung (der Aktenlage nach erfolgte die Abfertigung am 5. Jänner 2000; wann die Ausfertigung erfolgte, ist nicht aktenkundig) vermochte daran nichts zu ändern, weil das Gesetz keine Sanktion für einen solchen Verzug vorsieht.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor (dem Zusammenhang nach betreffend den verfahrensgegenständlichen Zeitraum), das Haus stehe im Eigentum der Beschwerdeführerin, werde aber von der M-R Gesellschaft m.b.H. verwaltet. Gemäß § 135 Abs. 3 BO trete im Fall der Verwaltung eines Hauses durch einen Hausverwalter hinsichtlich der baustrafrechtlichen Verantwortlichkeit dieser Hausverwalter an die Stelle des Eigentümers. Da somit die Beschwerdeführerin nicht "Adressat in der angewandten Norm" sei, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Die belangte Behörde habe auch rechtswidrigerweise die Feststellung der Tatsache "des Bestehens einer Hausverwaltung" unterlassen.

Auch dieser Einwand verfängt nicht; zutreffend verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf, dass die Beschwerdeführerin die hier maßgebliche Bestimmung des § 135 Abs. 3 BO nur verkürzt wiedergibt.

Nach dieser Bestimmung ist, wer die Verwaltung eines Gebäudes ausübt, für Verletzungen der dem Eigentümer durch dieses Gesetz oder eine dazu erlassene Verordnung auferlegten Pflichten an dessen Stelle verantwortlich, wenn die Tat ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers begangen wurde. Der Eigentümer ist neben dem Verwalter verantwortlich, wenn er es bei dessen Auswahl oder Beaufsichtigung an der nötigen Sorgfalt fehlen ließ.

Es ist richtig, dass im Beschwerdefall keine Identität zwischen der Person des Eigentümers des Gebäudes (der Beschwerdeführerin als natürliche Person) und des Verwalters dieses Gebäudes (der M-R Gesellschaft mbH als juristische Person) besteht. Allerdings ist die Beschwerdeführerin Geschäftsführerin der verwaltenden Gesellschaft (und in dieser Eigenschaft verantwortlich im Sinne des § 9 VStG). Im Hinblick auf diese Personenidentität ist die Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund der vorgeworfenen Unterlassungen jedenfalls so zu behandeln, als ob sie es im Sinne des § 135 Abs. 3 BO bei der "Beaufsichtigung an der nötigen Sorgfalt fehlen ließ". Daraus folgt, dass die Beschwerdeführerin rechtens in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin dieses Gebäudes bestraft werden durfte; ob sie sowohl in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin des Gebäudes als auch als handelsrechtliche Geschäftsführerin der verwaltenden Gesellschaft hätte bestraft werden können, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vorbringt, kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, weil eine solche Vorgangsweise nicht erfolgte.

Die Beschwerdeführerin bringt schließlich vor, es sei ihr kein Verschulden zuzurechnen. Den Hauseigentümer treffe gegenüber den Mietern seines Hauses eine aus dem Mietvertrag erfließende Sorgfaltspflicht. Diese gebiete es ihm, die Mieter mit "sachlich unsinnigen Reparaturkosten zu verschonen". Unter Berücksichtigung dessen sei der Beschwerdeführerin die Vornahme der auftragsgegenständlichen Reparaturen vor Abschluss des Verfahrens nach § 18 MRG nicht zumutbar gewesen, weil ein solches Vorgehen die Mieter mehrfach mit Reparaturkosten bezüglich derselben Bauwerksteile belastet hätte.

Auch dieses Vorbringen vermag der Beschwerdeführerin nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Von "sachlich unsinnigen Reparaturkosten" kann vorliegendenfalls nicht die Rede sein, wobei weiters der Behebung der verfahrensgegenständlichen Mängel angesichts der davon ausgehenden, von der belangten Behörde unbestritten aufgezeigten Gefahren für die Mieter selbst oder auch für unbeteiligte Dritte (Brandgefahr, Gefahr des Herabfallens von Verputz- und Mauerteilen) Vorrang gegenüber einem allgemeinen Interesse der Mieter an einer wirtschaftlichen Vorgangsweise bei der Reparatur des Hauses zukommt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 3. Juli 2001

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