VwGH 2000/04/0178

VwGH2000/04/017812.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des H und der M in K, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 31. Jänner 2000, Zl. VIb- 221/589-1999, betreffend gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §77 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 31. Jänner 2000 wurde den Beschwerdeführern die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage (Maschinenreparaturwerkstätte in einer Kfz-Garage sowie Außenlager) gemäß § 74 Abs. 2 Z. 1 i.V.m. § 77 GewO 1994 versagt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten in einer auf Grundstück Nr. 1082/5 GB K. befindlichen, frei stehenden Garage mit einer Gesamtnutzfläche von 27 m2 die Deckenplatte entfernt und Dachfenster eingebaut. Sie hätten die Absicht, in dieser Garage eine Maschinenreparaturwerkstätte einzurichten; westlich des Betriebsgeländes sollten drei Parkplätze errichtet werden. Die geplante Reparaturwerkstätte befinde sich - in westlicher Richtung - ca. 4 m vom Waldrand entfernt. Die auf dieser Waldparzelle stockenden Bäume würden - dem Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen zufolge - unter normalen Umständen auf Grund ihres Alters und ihres stabilen und gesunden Zustandes keine direkte Gefährdung des Betriebsgebäudes erwarten lassen. Bei hohen Schnee- oder Windeinwirkungen bestehe allerdings eine große Gefährdung durch Schneebruch oder Windbruch/-wurf der Bäume. Dadurch könnten die Bäume oder Teile derselben auf das Betriebsgrundstück, insbesondere auf die geplante Betriebsanlage und die Parkplätze fallen. Solche Sturmereignisse bzw. starken Schneefälle seien in diesem Gebiet durchaus keine Seltenheit. Für das geplante Betriebsobjekt bedeute dies eine sehr große Gefahr, die mit zunehmenden Alter der Bäume noch steigen werde. Durch umstürzende Bäume oder herabfallende Äste könnten sowohl das Betriebsgebäude als auch die auf den Parkplätzen befindlichen Autos getroffen und beschädigt werden. Für Personen, die sich dann im Gebäude aufhielten bzw. vor dem Gebäude oder auf den Parkplätzen, bestehe die Gefahr, verletzt oder getötet zu werden. Die bei solchen Ereignissen entstehenden Kräfte könnten praktisch nicht vorausberechnet werden. Es sei aber jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Dachstuhl des Betriebsobjektes durch umstürzende Bäume durchschlagen oder stark beschädigt werde; die Beschädigungen an Autos könnten bis zum Totalschaden gehen, Personen könnten verletzt oder sogar getötet werden. Der gewerbetechnische Amtssachverständige habe in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass durch den Wiedereinbau der entfernten Betondecke das Gefährdungspotenzial im Werkstättenraum verringert werden könnte. Die Statik der Umfassungsbauteile würde dadurch gesamthaft verbessert, andererseits könnte das Gefahrenpotenzial durch - zufolge Bruches der Dachfenster - herabfallende Glasteile ausgeschlossen werden. Eine andere Schutzmaßnahme wäre z.B. eine mit Stahlträgern verstärkte Dachausbildung, die mehrere - im Einzelnen dargelegte - Anforderungen erfüllen müsste, oder der außenseitige Aufbau einer Fangnetzkonstruktion ähnlich einer Felssturzsicherungsmaßnahme. Für die außen liegenden Bereiche um das Betriebsgebäude könnte ein entsprechender Schutz nur durch eine über den gesamten Grundstücksbereich ausgedehnte Fangnetzkonstruktion erfolgen. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei daher davon auszugehen, dass durch den erwähnten Waldbestand ein Gefährdungspotenzial für die Betriebsanlage einschließlich der Parkplätze vorhanden sei. Maßnahmen, die das Gefährdungspotenzial vermeiden könnten, würden das Wesen des eingereichten Projektes verändern und könnten daher nicht vorgeschrieben werden. Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 könnten somit nicht ausgeschlossen werden, weshalb die beantragte Genehmigung zu versagen gewesen sei.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 21. Juni 2000, B 635, 636/00, abgelehnt hatte, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid u.a. im Recht auf Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung verletzt. Sie bringen hiezu im Wesentlichen vor, die Nachbarliegenschaft sei mittelstark geneigt und zweifelsfrei Wald. Allerdings sei das geplante Betriebsgebäude "ursprünglich baurechtlich konsentiert" gewesen, sodass die Gewerbebehörde dafür Sorge zu tragen habe, dass dieses Gebäude im Rahmen der bewilligten Verwendung von den Eigentümern risikolos als Betriebsanlage genützt werden könne. Tue die Behörde das nicht, so habe sie die "forstliche Gefährdung" zu ignorieren, weil sie nicht gewerberechtlicher Natur sei. Eine Einbeziehung der vom Wald ausgehenden Gefährdung hätte aber jedenfalls nur "generellabstrakt typisierend und nicht individualisierend konkret erfolgen" dürfen, d.h. es hätte von einem pflichtgemäß gepflegten Wald ausgegangen werden müssen, der für das Betriebsgrundstück der Beschwerdeführer keine Gefahr darstellen könne. Allenfalls hätte die Problematik durch Vorschreibung einer Auflage oder aufschiebenden Bedingung berücksichtigt werden müssen, der zufolge die Bauführung erst nach "forstrechtlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung" erfolgen dürfe.

Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; ...

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen und nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass der Standort der geplanten Betriebsanlage - entsprechend den Sachverhaltsannahmen des angefochtenen Bescheides - bei den hier nicht seltenen Sturmereignissen und starken Schneefällen gefährdet ist, und zwar durch umstürzende Bäume des benachbarten Waldgrundstückes und von diesen herabfallende Äste. Sie meinen vielmehr, dass diese Gefahren im gewerberechtlichen

Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nicht relevant seien. Sie sind mit ihrer Auffassung jedoch nicht im Recht.

§ 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 stellt auf die mit einer gewerblichen Betriebsanlage verbundene Eignung ab, das Leben oder die Gesundheit der hier genannten Personen zu gefährden, wobei diese Eignung in der Verwendung von Maschinen und Geräten, in der Betriebsweise, in der Ausstattung der Betriebsanlage aber auch sonst wie ("oder sonst") begründet sein kann. Ist daher der Standort einer Betriebsanlage so beschaffen, dass die sich hier aufhaltenden Personen einer Lebens- oder Gesundheitsgefährdung ausgesetzt sind, so trifft die erwähnte Eignung, Leben oder Gesundheit des geschützten Personenkreises zu gefährden, auf diese Betriebsanlage bereits deshalb zu, weil sie an diesem Standort besteht bzw. betrieben wird. Die an diesem Standort (an sich) bestehende Gefährdung ist im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 der Betriebsanlage zuzurechnen, weil die Betriebsanlage diesen Standort in Anspruch nimmt.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführer geht es daher im vorliegenden Fall nicht um eine "forstrechtliche Problematik", die der Ingerenz der Gewerbebehörde entzogen wäre. Vielmehr geht es darum, ob im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 die wegen des benachbarten Waldes voraussehbare Gefährdung des sich am Standort der Betriebsanlage aufhaltenden geschützten Personenkreises im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 - gegebenenfalls durch Vorschreibung von Auflagen an die Beschwerdeführer als Inhaber der Betriebsanlage - vermieden werden kann. Diese Frage wurde von der belangten Behörde, gestützt auf die wiedergegebenen Gutachten, zu Recht verneint. Die Vorschreibung von Auflagen an Dritte, nämlich an den Eigentümer des angrenzenden Waldes, wie dies den Beschwerdeführern vorzuschweben scheint, findet in der GewO 1994 allerdings ebenso wenig eine Grundlage (vgl. die bei Kobzina-Hrdlicka, GewO 19943 (1994), 267, dargestellte hg. Judikatur), wie die Erteilung der Genehmigung unter der aufschiebenden Bedingung, dass die erwähnte Gefährdung nicht mehr besteht.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil weder Fragen des Sachverhaltes, noch der Rechtslage der weiteren Klärung durch eine mündliche Verhandlung bedürfen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Dezember 2001

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