Normen
ARB1/80 Art7;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §56 Abs2;
ARB1/80 Art7;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §56 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 2 und 6 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf sechs Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich.
Diese Maßnahme begründete sie folgendermaßen: Die Beschwerdeführerin habe am 11. Jänner 1999 beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul die Erteilung eines Visums beantragt. Sie habe als Reisezweck "Besuch" angegeben. Auf Grund dessen sei ihr ein vom 13. Jänner 1999 bis 13. Februar 1999 gültiges Reisevisum erteilt worden. Nach Ablauf der Gültigkeit dieses Visums sei die Beschwerdeführerin ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sondern, ohne im Besitz eines Reise- oder Aufenthaltstitels zu sein, in Österreich verblieben. Ihrer Behauptung, sie hätte bei der Antragstellung keinen längeren Verbleib im Bundesgebiet beabsichtigt, stehe das von ihr in der Folge gesetzte Verhalten entgegen. So sei sie weder bereit gewesen, nach Ablauf des Reisevisums Österreich zu verlassen, noch habe die in der Folge verhängte Geldstrafe von S 1.000,-- (dazu unten) sie zu einem gesetzmäßigen Verhalten bewegen können. Dass sie lediglich auf Grund ihres Gesundheitszustandes Österreich nicht mehr verlassen habe, sei insofern unglaubwürdig, als sie seit über 29 Jahren an diesen gesundheitlichen Problemen leide. (Laut dem in den Verwaltungsakten erliegenden ärztlichen Bericht vom 27. April 1999 besteht bei der Beschwerdeführerin seit dem 20. Lebensjahr eine Manifestation epileptischer Anfälle und es kann noch nicht klar beantwortet werden, inwieweit die Kopfschmerzen damit zusammenhängen.) Sie habe auch nicht versucht, auf legalem Weg die Situation zu bereinigen. Erst am 30. März 1999 habe sie eine Verlängerung des bereits abgelaufenen Einreisetitels beantragt. Die belangte Behörde hege daher keine Zweifel, dass die Beschwerdeführerin durch die Angabe falscher Gründe vor der österreichischen Vertretungsbehörde die Einreise nach Österreich erschlichen habe, um sich das aufwändigere Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu ersparen bzw. dieses zu umgehen. Damit liege die Voraussetzung des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG vor. Weiters sei die Beschwerdeführerin nach § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG rechtskräftig bestraft worden, womit auch die Voraussetzung des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG gegeben sei. In Anbetracht des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht bereit sei, Österreich freiwillig zu verlassen, und daher weiterhin mit Verstößen gegen wesentliche Bestimmungen des Fremdenrechtes gerechnet werden müsse, werde von der Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch gemacht.
Die Beschwerdeführerin habe sich in den Jahren 1974 bis 1980 legal in Österreich aufgehalten. Da sie seither 19 Jahre in der Türkei gewesen sei, könne von keiner besonderen Integration im Bundesgebiet ausgegangen werden. In Österreich hielten sich zwar ihr Ehemann, der über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfüge, sowie ihre beiden Söhne auf. Ihre Tochter halte sich seit Ablauf ihres einmonatigen Visums ebenfalls unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Da bereits vor der Einreise eine 19-jährige räumliche Trennung der Familie vorgelegen habe, könne die Wiederherstellung dieses Zustandes nicht als schwerwiegender Eingriff in das Privat- und Familienleben angesehen werden. Selbst unter der Annahme eines gravierenden Eingriffs wäre das Aufenthaltsverbot dringend geboten, weil den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Da die Familie seit 19 Jahren räumlich getrennt lebe und damit der Eingriff in das Familienleben relativiert werde, überwiege das öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme den Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin. Durch das Aufenthaltsverbot werde zwar die medizinische Betreuung der Beschwerdeführerin in Österreich beendet; da sie jedoch unbestritten seit 29 Jahren an denselben gesundheitlichen Problemen leide, bestehe keine Veranlassung zur Annahme, dass eine medizinische Betreuung in ihrem Heimatland nicht auch in Zukunft möglich sein sollte. Eine momentane Verschlechterung des Gesundheitszustandes stelle keine Rechtfertigung für einen illegalen Aufenthalt dar. Im Rahmen der Vollziehung des Aufenthaltsverbotes werde zu prüfen sein, ob einer momentanen Abschiebung tatsächliche Gründe entgegenstehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Feststellung der belangten Behörde, sie habe bereits bei der Stellung des Visumsantrages in der Türkei einen längeren Aufenthalt in Österreich beabsichtigt. Der Gerichtshof kann jedoch im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht finden, dass die behördliche Beweiswürdigung unschlüssig sei. Aus der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Reisevisums Österreich nicht verlassen und vor einer behördlichen Kontaktnahme (nach dem Akteninhalt lud die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn die Beschwerdeführerin nach deren polizeilicher Anmeldung vor) nicht von sich aus eine Legalisierung des Aufenthalts zu erreichen versucht hat, durfte die belangte Behörde in schlüssiger Weise zur Ansicht gelangen, dass die Beschwerdeführerin bereits bei der Antragstellung die Absicht hatte, über die Gültigkeitsdauer des für Besuchszwecke ausgestellten Reisevisums hinaus (unrechtmäßig) in Österreich zu bleiben. Da weiters die Beschwerdeführerin unbestritten seit vielen Jahren an ihrer Krankheit leidet, durfte die belangte Behörde auch annehmen, dass diese Krankheit nicht eine vorher nicht geplante Verlängerung des Aufenthalts bewirkt habe. Von der im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde angesprochenen plötzlichen Verschlechterung ist in der eingangs genannten ärztlichen Bestätigung keine Rede. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin in seiner Stellungnahme vom 4. Mai 1999 u.a. Folgendes angegeben hat: "Meine Frau war allein zuhause und krank, deshalb möchte ich sie wieder nach Österreich bringen." Damit ist die Behauptung widerlegt, die Beschwerdeführerin habe lediglich zu Besuchszwecken nach Österreich reisen wollen. Soweit die Beschwerde darauf verweist, dass im Fall eines geplanten längeren Aufenthaltes in Österreich die Möglichkeit des Familiennachzuges offen gestanden wäre, kann ein Motiv für die Vorgangsweise der Beschwerdeführerin durchaus darin gesehen werden, die Quotenpflicht zu umgehen, weshalb dieses Argument nicht gegen die behördliche Beweiswürdigung spricht.
Zusammenfassend begegnet somit die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, keinem Einwand. Angesichts des hohen Stellenwerts, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt, ist es auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2000, Zl. 98/21/0303). Daran ändert nichts, dass die belangte Behörde insofern die Rechtslage verkannt hat, als sie eine bloß einmal erfolgte Bestrafung wegen einer Übertretung des Fremdengesetzes als ausreichend für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG gewertet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 2000/21/0230).
Die Beschwerde verweist darauf, dass der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Aufenthaltes in den Jahren 1974 bis 1980 ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 zustehe. Diesbezüglich ist aber nicht nachvollziehbar, in welcher Weise daraus auf eine bloße Besuchsabsicht in Österreich im Jahr 1999 geschlossen werden könnte. Im Übrigen sprach der Verwaltungsgerichtshof wiederholt aus (vgl. etwa das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 98/21/0303), dass Art. 7 des in Österreich unmittelbar anwendbaren Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 nicht den Familiennachzug regle, sondern nur die beschäftigungsrechtliche Stellung der Familienangehörigen, die nach anderen Rechtsgrundlagen der Mitgliedstaaten die Genehmigung erhalten hätten, zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. Ein zu Besuchszwecken ausgestelltes Reisevisum vermag diese Voraussetzung ebenso wenig zu erfüllen wie ein bereits 19 Jahre zurückliegender legaler Aufenthalt in Österreich.
Entgegen der Beschwerdeansicht kann auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommenen Interessenabwägung nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wegen der Kürze des inländischen Aufenthalts liegt weder eine private Integration der Beschwerdeführerin vor noch kann von einem ausgeprägten - in Österreich geführten - Familienleben ausgegangen werden. Die bereits erwähnten öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind daher stärker zu gewichten als das entgegenstehende persönliche Interesse der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich. Es wurde nicht behauptet, dass eine Behandlung der Krankheit der Beschwerdeführerin nur in Österreich möglich wäre. (Diese Frage wurde lediglich im Rahmen eines einzuholenden Erkundungsbeweises aufgeworfen.) Zutreffend wies die belangte Behörde darauf hin, dass eine plötzliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes allenfalls zu einem Abschiebungsaufschub nach § 56 Abs. 2 FrG führen könnte, nicht jedoch bei der Interessenabwägung zu beachten sei.
Der Beschwerde kommt aber insoweit Berechtigung zu, als sie sich gegen die Dauer des Aufenthaltsverbotes richtet.
Gemäß § 39 Abs. 1 FrG kann das Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 unbefristet, im Fall des § 36 Abs. 2 Z. 9 für die Dauer von höchstens fünf Jahren, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Die vorliegend festgesetzte Gültigkeitsdauer von sechs Jahren erscheint unangemessen, zieht man in Betracht, dass in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG ("Scheinehefälle") ein Aufenthaltsverbot nur für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden darf (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 98/21/0303). Auf die Z. 2 des § 36 Abs. 2 FrG kann das Aufenthaltsverbot - wie bereits dargelegt - nicht gestützt werden. Die bloß einmal erfolgte Bestrafung nach § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG vermag das maßgebliche Gesamtfehlverhalten der Beschwerdeführerin nicht derart zu verstärken, dass eine Dauer des Aufenthaltsverbotes von sechs Jahren gerechtfertigt wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 8. November 2001
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