VwGH 99/21/0312

VwGH99/21/03129.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des C in B, geboren am 1. Jänner 1965, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 5. Oktober 1999, Zl. Fr-4250a-117/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 und Z. 9 iVm den §§ 37, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf sechs Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich.

Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen folgendermaßen:

Der Beschwerdeführer habe am 30. März 1992 die Ehe mit einer namentlich genannten österreichischen Staatsangehörigen geschlossen, sei am 3. Juli 1992 mit einem deutschen Visum nach Österreich eingereist und habe einen Befreiungsschein mit Gültigkeit bis 12. Juli 1997 erhalten. Nach Versagung eines Sichtvermerks sei er vorerst mit Bescheid vom 28. Mai 1993 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden, habe jedoch in der Folge einen Sichtvermerk mit Gültigkeit vom 3. September 1993 bis 3. September 1995 erhalten. Über einen "Verlängerungsantrag" sei bislang noch nicht entschieden worden. Das Bezirksgericht Innsbruck habe mit Urteil vom 2. November 1998 die Ehe des Beschwerdeführers gemäß § 23 Abs. 1 Ehegesetz mit der Begründung für nichtig erklärt, dass die Ehe nur geschlossen worden sei, um ihm die Möglichkeit zu verschaffen, zunächst ein Visum für Österreich und in weiterer Folge eine Arbeitsbewilligung zu bekommen, wofür seine Ehefrau einen Betrag von S 70.000,-- erhalten habe. Eine dagegen erhobene Berufung sei vom LG Innsbruck abgewiesen worden. Auf Grund der Gerichtsurteile stehe für die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen lediglich deshalb eingegangen sei, um eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich zu erlangen, dass ein gemeinsames Familienleben nie geführt worden sei und der Ehefrau für die Zustimmung zur Eheschließung Geld gezahlt worden sei. Aus diesen Gründen bedürfe es nicht der vom Beschwerdeführer geforderten Vernehmung von drei namentlich genannten Zeugen über das geführte Eheleben.

Weiters sei der Beschwerdeführer in den Jahren 1996 bis 1998 u. a. ein Mal nach § 82 Abs. 1 Z. 4 iVm § 15 Abs. 1 Fremdengesetz 1992 und zwei Mal nach § 107 Abs. 1 Z. 1 FrG rechtskräftig bestraft worden. Vom Landesgericht Feldkirch sei er am 21. November 1996 zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt worden, weil er einen auf seinen Namen lautenden türkischen Reisepass mit dem Vorsatz verfälscht habe, dass er im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten gebraucht werde, indem er das Datum der Aufenthaltsbewilligung vom 3. September 1995 auf 3. September 1998 und die Daten eines (deutschen) Visums von "20. 9. 1993 bis 19. 12. 1993" auf "20. 9. 1994 bis 19. 12. 1994" abgeändert habe. Die Verurteilung sei auch nach § 36 Abs. 1 Z 1 Waffengesetz 1996 erfolgt (unbefugter Besitz einer Faustfeuerwaffe), weshalb die Behörde ein Waffenverbot gemäß § 12 leg. cit. ausgesprochen habe.

Die vom Beschwerdeführer verwirklichten Tatbestände nach § 36 Abs. 2 Z. 2 und 9 FrG stellten bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1 dar, welche die Annahme rechtfertigten, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Der Beschwerdeführer habe eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Er lebe seit Juli 1992 im österreichischen Bundesgebiet, könne auf kein Familienleben verweisen und der Eingriff in sein Privatleben sei dadurch relativiert zu sehen, dass sein - überdies teilweise unrechtmäßiger - Aufenthalt auf einer "Scheinehe" beruhe. In Bezug auf die öffentlichen Interessen sei zu berücksichtigen, dass es den Regeln eines geordneten Fremdenwesens widerspreche, wenn Fremde durch Eingehen einer Scheinehe ihren Aufenthalt in Österreich erzwingen könnten; weiters habe der Beschwerdeführer auch auf anderen Gebieten gegen die öffentlichen Interessen verstoßen. Das bisherige Gesamtverhalten des Fremden lasse keine positive Zukunftsprognose zu und es dränge das in hohem Maß bestehende öffentliche Interesse, den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu untersagen, sein gegenläufiges privates Interesse in den Hintergrund. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von sechs Jahren erscheine notwendig, um ihn von weiteren Rechtsbrüchen abzuhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde bringt eingangs vor, dass der Beschwerdeführer nicht deswegen geheiratet habe, um einen Sichtvermerk zu erhalten, sondern seine damalige Ehefrau aus Liebe geheiratet habe. Beide hätten auch längere Zeit zusammen gewohnt und es sei die Ehe auch vollzogen worden. Die dafür angebotenen Beweise seien weder vom Gericht noch von der belangten Behörde aufgenommen worden. Diesem als Mängelrüge zu wertenden Vorbringen fehlt die Relevanz. Der Beschwerdeführer ist nämlich auf die Rechtskraft des besagten Urteiles zu verweisen. Im Hinblick auf die - unbestrittener Weise -

festgestellte Urteilsbegründung durfte - und musste - die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen, es habe sich um eine ausschließlich zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossene Ehe gehandelt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. Juni 1996, Zl. 96/18/0220, und vom 6. September 1996, Zl. 96/18/0365). Es bestehen somit keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG verwirklicht habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt klargestellt, dass der besagte Missbrauch der Eheschließung die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung, in Fällen nicht mehr rechtfertige, in denen seit der Eheschließung fünf Jahre oder mehr verstrichen sind. Dies allein kann jedoch nur dann zu einer Unzulässigkeit eines darauf gestützten Aufenthaltsverbotes führen, wenn dem Fremden ansonsten kein fremdenrechtlich relevantes Fehlverhalten vorzuwerfen ist (vgl. aus jüngster Zeit das Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 98/21/0335). Vorliegend wurde der Beschwerdeführer verurteilt, weil er - von einem Verstoß gegen das Waffengesetz abgesehen - im Reisepass ersichtlich gemachte aufenthaltsrechtliche Bewilligungen verfälscht hat. Es besteht somit kein Zweifel, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung insbesondere auf dem Gebiet des Fremdenrechts gefährdet und die belangte Behörde somit zu Recht die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als erfüllt angesehen hat. Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob die belangte Behörde zu Recht aus den angeführten Bestrafungen auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG schließen durfte. Dagegen spricht, dass diesen Bestrafungen offensichtlich ein nach § 114 Abs. 4 FrG außer Kraft getretenes Aufenthaltsverbot zu Grunde gelegen ist (§ 114 Abs. 7 FrG).

Das Schwergewicht der Beschwerde liegt im Vorwurf, die belangte Behörde habe die Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG unrichtig vorgenommen. Sie bringt dazu vor, dass sich der Beschwerdeführer seit 1992 in Österreich aufhalte und hier erwerbstätig und sozial völlig integriert sei.

Auch dieser Hinweis führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer einerseits über keine familiären Bindungen in Österreich verfügt und andererseits durch die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe und durch die Verfälschung seines Reisepasses massiv gegen öffentliche Interessen verstoßen hat, kann die Ansicht der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib in Österreich gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes in den Hintergrund zu treten habe.

Soweit der Beschwerdeführer eine unrichtige Ermessensentscheidung der Behörde anspricht, ist ihm zu entgegnen, dass keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die die Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zur Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch zu machen.

Letztlich spricht die Beschwerde die Dauer des Aufenthaltsverbotes an. Da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen ist, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. auch dazu das Erkenntnis vom 11. September 2001), kann der angefochtene Bescheid angesichts des dargestellten Verhaltens des Beschwerdeführers auch in dieser Hinsicht nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal die in § 39 Abs. 1 FrG normierte höchstzulässige Dauer des Aufenthaltsverbotes bei weitem nicht ausgeschöpft wurde. Daran ändert nichts, dass - wie dargelegt - die belangte Behörde möglicher Weise die Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG unzutreffend angenommen hat; liegt nämlich dem Aufenthaltsverbot ein Fehlverhalten zu Grunde, das sich - wie hier selbst von den fraglichen Verwaltungsübertretungen abgesehen - nicht in der Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG erschöpfte, kommt die diesbezüglich vorgesehene Beschränkung eines Aufenthaltsverbotes auf fünf Jahre nicht zum Tragen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 9. Oktober 2001

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