Normen
AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §6 Z1;
AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §7;
AVG §66 Abs4;
AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §6 Z1;
AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §7;
AVG §66 Abs4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abgewiesen.
Begründung
Die Mitbeteiligte, nach ihren Angaben eine Staatsangehörige von Sierra Leone, reiste am 10. März 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte am 11. März 1999 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Das Bundesasylamt wies den Antrag der Mitbeteiligten mit Bescheid vom 19. April 1999 gemäß § 6 Z 3 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG), als offensichtlich unbegründet ab (Spruchpunkt I) und stellte die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat gemäß § 8 leg. cit. fest (Spruchpunkt II). Aus der Begründung dieses Bescheides geht im Wesentlichen hervor, dem Vorbringen der Mitbeteiligten habe kein Glauben geschenkt werden können. Die Beschwerdeführerin sei nicht über Dinge des alltäglichen Lebens in Sierra Leone informiert gewesen und habe sich "über die allgemeine aktuelle politische Situation absolut unkenntlich" gezeigt, weshalb die Behörde erster Instanz zur Feststellung gelangt sei, die Mitbeteiligte sei nicht Staatsangehörige von Sierra Leone.
Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte durch ihren gesetzlichen Vertreter Berufung, in der im Wesentlichen ausgeführt wurde, es sei (seitens des gesetzlichen Vertreters) versucht worden, mit der Minderjährigen das Einvernahmeprotokoll der Behörde erster Instanz nochmals durchzugehen, um Klarheit zu bekommen. Dabei sei festgestellt worden, dass eine zielführende Kommunikation mit der Mitbeteiligten in englischer Sprache kaum möglich sei, weil sie gestellte Fragen nur teilweise verstehe und ihre Aussagen auf Grund der schlechten Aussprache und der Mischung mit unbekannten Ausdrücken kaum verständlich seien. Laut eigenen Angaben habe die Mitbeteiligte nie die Schule besucht, sei Analphabetin und ihre Muttersprache sei Krio. Englisch habe sie lediglich durch die Teilnahme an den Gottesdiensten ihrer Kirche erlernt; mit ihrem Vater habe sie in einer anderen Sprache kommuniziert. Es sei daher davon auszugehen, dass sie die englische Übersetzung der anlässlich der Einvernahme vor dem Bundesasylamt gestellten Fragen nur teilweise verstanden habe und sich daher anscheinend einander widersprechende Antworten ergeben hätten. Dies habe sie laut Einvernahmeprotokoll auch angegeben und es sei anzunehmen, dass der Dolmetsch ihre Antworten nur unvollständig habe verstehen können, woraus verschiedene Widersprüche in ihren Angaben erklärbar seien.
Die belangte Behörde führte am 8. Juni 1999 eine öffentliche mündliche Verhandlung mit der Mitbeteiligten durch, in deren Rahmen die Mitbeteiligte im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll gab:
"Ich spreche Krio und Englisch, Englisch kann ich besser sprechen. Mein Vater sprach Susu, meine Mutter sprach Krio, untereinander sprachen meine Eltern Englisch. Ich selbst spreche kein Susu.
Ich habe überhaupt keine Schule besucht, nicht einmal die Grundschule. Auch in der Kirche, wo ich mich oft aufgehalten habe, gab es niemanden, der mich etwa lesen und schreiben gelehrt hätte. Die führenden Personen in der Kirche haben uns nur aus der Bibel vorgelesen und mit uns gesungen.
Ich komme aus dem Dorf Dede Village (phonetisch). Nach Vorhalt, dass in der erstinstanzlichen Niederschrift protokolliert wurde, dass ich aus Kukuma komme, antworte ich, ja das stimmt, es handelt sich um ein kleines Dorf, Dede Village und Kukuma liegen nebeneinander.
Auf die Frage, welchem Stamm ich angehöre, antworte ich, dass ich die Frage nicht verstehe, ich bin nicht mehr dort. Nach Wiederholung der Frage antworte ich, dass ich das Wort "Stamm" nicht verstehe.
Auf die Frage, ob ich den Bezirk meines Heimatortes benennen kann, anworte ich (phonetisch) Kolahun und Kenema. Es gibt in der Umgebung meines Heimatortes keine größeren Dörfer oder Städte, es gibt nur kleine Dörfer. Die Bezirke sind Kolahun, Kenema und Kono. Nach Vorhalt der erstinstanzlichen Niederschrift, wonach Kono der Bezirk des Heimatortes sei, gebe ich an, dass dies so ist. Auch wenn ich eine Landkarte hätte, könnte ich meinen Heimatort darauf nicht anzeigen, da ich noch nie eine Landkarte gesehen habe.
Die Kirche, in der ich mich oft aufgehalten habe, heißt "Zeugen Jehovas". Ich war noch klein, als ich das erste Mal in die Kirche ging, ich kann jedoch das Alter nicht angeben, da ich eben noch klein war.
Auf die Frage, ob viele Personen so wie ich regelmäßig zur Kirche gegangen sind, antworte ich, Cici. Auf sofortige Nachfrage, wer Cici sei, antworte ich, das dies ein Mitglied der Kirche war. Weitere Mitglieder waren John und Peter. Es gab viele, aber ich kann mich nicht an alle erinnern.
Sonntags hat uns der Anführer der Kirche mitgenommen und wir haben dann zu den Leuten gepredigt. Auf die Frage, ob es einen speziellen Tag gab, an dem aus der Bibel vorgelesen wurde, antworte ich, dass dies Mittwoch war. Am Mittwoch war Bibelstunde.
Auf die Frage, ob ich wisse, wer oder was "Al Haja" ist, antworte ich, dass ich das nicht weiß. Nach Vorhalt, dass "Al Haja" der Name einer Person ist, gebe ich an, dass ich von dieser Person noch nie etwas gehört habe. Nach Vorhalt, dass in der erstinstanzlichen Niederschrift protokolliert wurde, dass "Al Haja" (phonetisch) ebenfalls ein Zeuge Jehovas war, antworte ich, dass ich damals nicht (phonetisch) "Al Haja", sondern (phonetisch) "Al Hadscha" gesagt habe.
Für Langhaarfrisuren haben in meiner Heimat manche Personen 500 Leone bezahlt. Um 500 Leone kann man verschiedene Nahrungsmittel kaufen. Der Preis von Brot ist unterschiedlich. Man kann Brot bereits um 10 Cent kaufen, man bekommt auch Brot um bis zu 50 Cent, dies ist jedoch auch von Geschäft zu Geschäft verschieden. Das Brot um 10 Cent ist nicht besonders groß.
Den Wechselkurs zwischen Leone und US $ kenne ich nicht.
Nach Vorhalt, dass es unmöglich ist, dass man in Sierra Leone um 10 bis 50 Cent Brot kaufen kann, da die Cents in Sierra Leone keine Kaufkraft haben (vgl. 1 US $ = 1520 Leone, 1 Leone 100 Cents), gebe ich an, dass das billige Brot ohne Süßstoff ist, es gibt auch viel teurere Brote. Die Cents haben in Sierra Leone sehr wohl Kaufkraft, wir verwenden sie ja um etwa einzukaufen.
Auf die Frage, ob ich weiß, was "plassas" ist, antworte ich, dass ich das nicht weiß. Nach Vorhalt, dass es sich hiebei um eine Sauce handelt, die in Sierra Leone jedermann kennt, antworte ich, dass ich diese Sauce nicht kenne. Ich esse sie nicht.
Auf die Frage des Vertreters des Bundesasylamtes, ob ich die Gegend rund um mein Wohnhaus beschreiben kann, antworte ich, wenn ich aus dem Haus gehe, sehe ich Menschen. Meine Arbeitsstätte ist von meinem Haus nicht weit entfernt. Wir haben auch Geflügel, Ziegen und Schweine. Es gibt ein paar schönere Plätze, im Dorf selbst ist es nicht so schön, es gibt keine Asphaltstraßen. Da ist ein Berg, der ist aber nicht so hoch. Dies ist nur ein Hügel, der jedoch keinen Namen hat.
Auf die Frage des Vertreters des Bundesasylamtes, wie weit Kukuma von Dede Village entfernt sei bzw. wie lang man zu Fuß von Kukuma nach Dede Village gehen würde, antworte ich, dass man etwa 20 Minuten gehen würde. Zwischen Dede Village und Kukuma liegt ein kleiner Wald, aber im Prinzip gehört das zusammen. Ich war außer Kukuma und Dede Village noch nie in einem anderen Ort. Ich bin nicht regelmäßig zwischen beiden Orten hin und her gegangen, ich habe auch nur in Dede Village genächtigt.
Ich bin von meinem Wohnhaus ca. 20 bis 30 Minuten zu meiner Arbeitsstätte gegangen. Meine Arbeitsstätte lag in Kukuma. Ich habe für die Strecke immer in etwa gleich lang gebraucht. Während der Regenzeit kam manchmal das Wasser aus dem Boden, dann musste man warten bis das Wasser zurückging. Ich weiß nicht wann die Regenzeit in Sierra Leone beginnt bzw. endet. Wir haben keine Jahreszeiten.
Als ich bei meinem Haus war, hörte ich Schreie von meinem Bruder. Ich bin daraufhin zu einem Freund meines Vaters und erzählte ihm dies. Daraufhin hat mich der Freund meines Vaters in seinem Haus versteckt. Der Freund des Vaters ging daraufhin zum Haus meines Vaters und berichtete mir danach, dass Rebellen Geld von meinem Vater forderten und sich mein Bruden den Rebellen anschließen sollte. Da mein Vater jedoch kein Geld und auch keine Gewehre an die Rebellen übergab, wurde er von diesen erschossen. Der Freund des Vaters erklärte mir daraufhin, dass ich nicht nach Hause zurückkönne, da die Rebellen, wenn sie dies einem Familienmitglied antun würden, alle Familienmitglieder töten würden. Nach Rückfrage erkläre ich, dass die Rebellen nicht nur meinen Vater, sondern auch meinen Bruder getötet haben. Der Freund meines Vaters erfuhr von Nachbarn, dass die Rebellen Geld und Gewehr gefordert hätten.
Der Name des Freundes meines Vaters war Paul.
Auf die Frage des Vertreters des Bundesasylamtes nach der allgemeinen Lage in Sierra Leone im letzten Jahr, antworte ich, dass wir gekocht haben, Neujahr gefeiert haben und Ostern. In unserem Dorf fanden zunächst keine Kriegshandlungen statt, weil es ein sehr kleines Dorf ist. Erst jetzt, nachdem der Krieg auch unser Dorf, sogar unser Haus getroffen hat, habe ich Sierra Leone verlassen."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde gemäß § 32 Abs. 2 AsylG der Berufung der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. April 1999 statt, behob den bekämpften Bescheid und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Dies wurde nach Wiedergabe des Wortlautes des § 6 AsylG und einem Hinweis auf die Entschließung der für Einwanderung zuständigen Minister der Europäischen Gemeinschaften über offensichtlich unbegründete Asylanträge vom 30. November und 1. Dezember 1992 damit begründet, dass gemäß § 32 Abs. 2 AsylG der Berufung - gegen einen gemäß § 6 AsylG erlassenen Bescheid der Behörde erster Instanz - stattzugeben sei, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei offensichtlich unbegründet, nicht zutreffe. In diesen Fällen habe die Berufungsbehörde die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.
Die Behörde erster Instanz habe den Antrag der Mitbeteiligten gemäß § 6 Z 3 AsylG abgewiesen, weil es ihr absolut nicht gelungen sei, die von ihr behauptete Staatsangehörigkeit (Sierra Leone) glaubhaft zu machen. Ihre Angaben über das Land, den Distrikt, in dem ihr Dorf liege, sowie Entfernungen zu den Nachbarstaaten seien vage bzw. falsch gewesen.
Nun könne dem Bundesasylamt bei der Qualifikation, das Vorbringen der Mitbeteiligten sei äußerst vage gewesen, nicht entgegen getreten werden, sondern habe dieser Eindruck letztlich seine Bestätigung in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 8. Juni 1999 gefunden; es müsse aber auch darauf Bedacht genommen werden, dass die Mitbeteiligte im Wesentlichen bei dem von ihr erstatteten Vorbringen zu ihren Ausreisegründen geblieben sei und diesbezüglich keine widersprüchlichen Angaben erstattet habe. Es werde hiebei nicht übersehen, dass die Mitbeteiligte etwa bei der ersten Instanz "Kukuma" als ihren Heimatort benannt habe, hingegen in der Verhandlung vom 8. Juni 1999 "Dede Village" als ihren Heimatort zu Protokoll gegeben habe. Die Mitbeteiligte habe diesbezüglich nach entsprechendem Vorhalt erklärt, diese Orte lägen nebeneinander, gehörten aber im Prinzip zusammen. Wenngleich bei objektiver Betrachtung Zweifel an der Richtigkeit dieses Vorbringens obwalteten, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung anzunehmen sei, dass eine nach ihrem Wohnort gefragte Person jedes Mal die gleiche Antwort gebe, so könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Angaben der Mitbeteiligten mit der Wirklichkeit übereinstimmten, zumal die beiden Orte auf keiner Landkarte von Sierra Leone lokalisiert hätten werden können, sodass es denkmöglich erscheine, dass beide Dörfer eine Einheit bildeten und auf Grund ihrer Kleinheit und geringen Bedeutung auf handelsüblichen Landkarten nicht verzeichnet seien. Im Übrigen müsse bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben der Mitbeteiligten stets mitbedacht werden, dass sie keinerlei Schulbildung genossen habe, noch minderjährig sei und nach eigenen Angaben die von ihr genannten Orte niemals zuvor verlassen habe. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Mitbeteiligte als sehr einfach strukturierte Persönlichkeit dar, sodass die Unbestimmtheit bzw. Unrichtigkeit ihrer Angaben nicht notwendigerweise aus dem Umstand resultieren müsse, dass sie nicht - wie behauptet - Staatsangehörige von Sierra Leone sei. Es erscheine zumindest denkmöglich, dass die Mitbeteiligte tatsächlich nicht in der Lage sei, konkretere Angaben über ihren Herkunftsstaat zu machen.
Wenngleich auch beim entscheidenden Mitglied der belangten Behörde Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens der Mitbeteiligten bestehen blieben, stehe aber umgekehrt im Hinblick auf diese Erwägungen nicht völlig zweifelsfrei die Unrichtigkeit der Fluchtgründe der Mitbeteiligten fest. Im Hinblick darauf, dass hinsichtlich der Offensichtlichkeit im Sinne des § 6 erster Satz AsylG ein strenger Maßstab anzulegen sei, sei in Anbetracht der Minderjährigkeit und der mangelnden Schulbildung der Mitbeteiligten in concreto nicht zu erkennen, dass das gesamte Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Inneres, der Rechtswidrigkeit geltend macht. Die Beschwerde wird damit begründet, die belangte Behörde habe § 6 AsylG einen Inhalt unterstellt, der die genannte Norm in einem Großteil ihrer Anwendungsfälle a priori hinfällig machte, weil es nämlich von vornherein unmöglich wäre, eine Person mit geringem Bildungsniveau, wenn sie bloß zweimal bei derselben - selbst von der belangten Behörde als "vage" bezeichneten - Fluchtgeschichte bleibe, mit ihrem Asylantrag als offensichtlich unbegründet zu qualifizieren. Angesichts näher genannter Wissenslücken der Mitbeteiligten führt der beschwerdeführende Bundesminister weiter aus, erschienen keinesfalls Zweifel angebracht, ob sie die Wahrheit sage, sondern es sei manifest, dass sie die Unwahrheit sage. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach erdrückende Ermittlungsergebnisse, die alle völlig zweifellos darauf hindeuteten, dass eine Person nicht aus dem von ihr angegebenen Land stammen könne, bereits dadurch konterkariert werden könnte, dass der Asylwerber ein geringes Bildungsniveau aufweise und zweimal gleich lautende, wenn auch vage Angaben zu Fluchtgründen mache, wäre der Norm des § 6 Z 3 AsylG 1997 weitgehend jeder Anwendungsbereich entzogen. Dies entspreche aber keinesfalls den Intentionen des Gesetzgebers.
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Ab- bzw. Zurückweisung der Beschwerde beantragte.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Amtsbeschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 6 Z 3 AsylG lautet:
"§ 6. Asylanträge gemäß § 3 sind als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat
....
3. das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht oder
...."
Wie die Asylbehörden bereits darlegten, und wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (686 BlgNR 20. GP 19) hervorgeht, orientiert sich die Bestimmung des § 6 AsylG im Wesentlichen an der Entschließung der für Einwanderung zuständigen Minister der Europäischen Gemeinschaften über offensichtlich unbegründete Asylanträge vom 30. November und vom 1. Dezember 1992. Ein Asylantrag soll demnach "nur dann als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden, wenn eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (eindeutig) ausgeschlossen werden kann".
Dass die in § 32 Abs. 2 AsylG genannte Feststellung nicht zutrifft, ist dann anzunehmen, wenn der Asylantrag nicht "offensichtlich unbegründet" ist. In Bezug auf Entscheidungen nach § 6 AsylG kommt dabei zum Ausdruck, dass nur die offensichtliche Unbegründetheit Gegenstand der Überprüfung durch die Berufungsbehörde ist (vgl. in diesem Sinn zu § 6 AsylG schon 686 BlgNr. 20. GP 20; weiters das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175). Die Berufungsbehörde kann die Berufung demnach nicht mit der Begründung abweisen, dass der Asylantrag zwar nicht "offensichtlich", aber doch "unbegründet" sei; in einem solchen Fall muss sie vielmehr gemäß § 32 Abs. 2 AsylG mit Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides und Zurückverweisung an das Bundesasylamt vorgehen.
Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall richtig erkannt, dass unter Zugrundelegung ihrer Annahme, die Feststellung der offensichtlichen Unbegründetheit treffe nicht (mehr) zu, eine neuerliche Überprüfung des Asylantrages, diesfalls nach § 7 AsylG, durch das Bundesasylamt Platz greifen müsse. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist demnach, dass die belangte Behörde zu Recht die Meinung vertrat, der vorliegende Asylantrag sei nicht (mehr) offensichtlich unbegründet. Die belangte Behörde hat bei der von ihr vorzunehmenden Prüfung im obgenannten Sinn keineswegs nur die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Behörde erster Instanz im Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen. Vielmehr hat die belangte Behörde in diesem Rahmen neben dem Vorbringen des Asylwerbers im Verfahren erster Instanz auch das - keinem Neuerungsverbot unterliegende - Vorbringen in der Berufung und gegebenenfalls in einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage hat die Berufungsbehörde schließlich das (weitere) Zutreffen der Feststellung der Behörde erster Instanz über die offensichtlich Unbegründetheit des Asylantrages zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, Zl. 98/20/0196, sowie das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0392).
Unzutreffend ist der Vorwurf des beschwerdeführenden Bundesministers, nach Ansicht der belangten Behörde genüge die Wiederholung vager Fluchtgründe im Berufungsverfahren und § 6 AsylG könne in solchen Fällen überhaupt nicht mehr angewandt werden. Selbstverständlich kann die im obgenannten Sinn eingeschränkte Prüfung der Berufungsbehörde - auch im Fall der Wiederholung einer vagen Fluchtgeschichte einer Person mit geringem Bildungsniveau - das unveränderte Vorliegen der "Offensichtlichkeit" der Unbegründetheit des Asylantrages ergeben. Es bedürfte allerdings in diesem Fall einer Begründung, in der diese Umstände auch einer entsprechenden Würdigung unterzogen werden.
Selbst wenn das Bundesasylamt das Ermittlungsverfahren in einer vom beschwerdeführenden Bundesminister als besonders bemüht bezeichneten Art geführt hat, so können die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens im Berufungsverfahren wie etwa auch der persönliche Eindruck von einem Asylwerber im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde eine andere Beurteilung hinsichtlich des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 AsylG nach sich ziehen. Der Einwand des Beschwerdeführers, es sei in erster Instanz ausreichend ermittelt und zutreffend argumentiert worden, zielt in Wahrheit darauf ab, neues Vorbringen im Berufungsverfahren oder eine andere Wertung eines bereits erstatteten und nun erklärend wiederholten Vorbringens nicht zuzulassen und die belangte Behörde auf die bloße Überprüfung der Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Bescheides (im Zeitpunkt dessen Erlassung) zu beschränken. Wie dargestellt, unterliegt aber neues Vorbringen nicht dem Neuerungsverbot und hat die Berufungsbehörde ihre Entscheidung an die Stelle der Entscheidung der Behörde erster Instanz zu setzen.
Hinsichtlich der im Einleitungssatz des § 6 AsylG geforderten Eindeutigkeit, des in § 6 Z 1 bis 3 AsylG jeweils enthaltenen Tatbestandsmerkmales "offensichtlich" und des in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage erwähnten Wahrscheinlichkeitsmaßstabes hat der Verwaltungsgerichtshof bereits hervorgehoben, dass sich aus dem persönlichen Eindruck allein die erforderliche "Offensichtlichkeit" nicht ableiten lasse (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0392). Der persönliche Eindruck, den ein Asylwerber bei der Berufungsbehörde hinterlässt, vermag hingegen - wie im vorliegenden Fall - Zweifel an der von der Behörde erster Instanz angenommenen "Offensichtlichkeit" der Unbegründetheit des Asylantrages zu erwecken.
Auch bei groben Wissenslücken über die behauptete Heimatregion ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes darauf zu achten, dass es auf die "offensichtliche" Unwahrheit der Behauptungen ankommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0398, sowie vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0496). Die "schlichte" Unglaubwürdigkeit ist im Zusammenhang mit § 6 Z 3 AsylG kein entscheidungswesentliches Begründungselement (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 2001, Zl. 99/20/0429, m.w.N.).
Im gegenständlichen Fall gelangte die belangte Behörde zur Auffassung, es blieben zwar Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens der Mitbeteiligten und damit an der Begründetheit des Asylantrages bestehen; davon, dass das gesamte Vorbringen der Mitbeteiligten aber offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche, sei hingegen nicht auszugehen. Die belangte Behörde erachtete daher den Asylantrag der Mitbeteiligten nicht als offensichtlich unbegründet.
Mit den Hinweisen in der vorliegenden Beschwerde auf isoliert betrachtete, einzelne Punkte der Aussage der Mitbeteiligten, gelingt es dem beschwerdeführenden Bundesminister aber nicht, aufzuzeigen, dass diese von der belangten Behörde getroffene Wertung der Aussagen der Mitbeteiligten unzutreffend wäre. Auf die notwendige qualifizierte Unglaubwürdigkeit im Sinne der genannten "Offensichtlichkeit" lassen auch die in der Amtsbeschwerde aufgezeigte Unkenntnis und mangelnde Bildung der Mitbeteiligten nicht schließen, dazu kommt, dass der beschwerdeführende Bundesminister auf die von der belangten Behörde als entscheidend für die Zweifel an der "Offensichtlichkeit" genannten Faktoren entweder nicht oder nicht begründet eingeht und sich darüber hinaus - hinsichtlich der Angaben der Mitbeteiligten über die von ihr gesprochenen Sprachen - über ihre Aussage vor der belangten Behörde hinweg setzt.
Ergänzend wird bemerkt, dass die belangte Behörde auch nicht übersehen hat, dass in den Aussagen der Asylwerberin Widersprüchlichkeiten bestehen blieben und der Asylantrag möglicherweise im Ergebnis unbegründet sein könnte. Wie dargelegt, war die belangte Behörde aber nicht berechtigt, eine Prüfung der (bloßen) Unbegründetheit im Sinne des § 7 AsylG vorzunehmen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich hinsichtlich des Begehrens der Mitbeteiligten auf §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, hinsichtlich des Begehrens der belangten Behörde auf § 47 Abs. 4 VwGG, wonach (u.a.) in den Fällen des Art. 131 Abs. 2 B-VG für den Beschwerdeführer und die belangte Behörde kein Aufwandersatz stattfindet.
Wien, am 19. Juli 2001
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