VwGH 99/11/0228

VwGH99/11/022830.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Pichler & Weber, Rechtsanwälte & Strafverteidiger Kommanditpartnerschaft, in 8750 Judenburg, Burggasse 61, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 2. März 1999, Zl. 11-39-614/99-1, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §58 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z5;
FSG 1997 §7 Abs5;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §58 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z5;
FSG 1997 §7 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Judenburg entzog dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 26. Jänner 1999 gemäß §§ 24 Abs. 1, 3 Abs. 1 Z. 2, 7 Abs. 1 und Abs. 3 und 25 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG) die Lenkberechtigung für die Dauer von drei Monaten. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 18. Oktober 1998 einen nach dem Kennzeichen näher bestimmten Pkw auf der A 2 auf dem Parkplatz Gleisdorf abgestellt gehabt. Bei der anschließenden Kontrolle durch Organe der Verkehrsabteilung, Außenstelle Graz-West, habe festgestellt werden müssen, dass beide Hinterreifen auf der Lauffläche eine Profiltiefe von 0,0 mm aufgewiesen hätten. Auf Grund dieser mangelnden Verkehrs- und Betriebssicherheit seien gemäß § 57 Abs. 1 (gemeint: § 58 Abs. 1) KFG 1967 beide Kennzeichentafeln und der Zulassungsschein abgenommen worden. Die weitere Verwendung des im beschriebenen Zustand befindlichen Pkw hätte eine Gefährdung der Verkehrssicherheit gemäß § 58 Abs. 1 KFG 1967 dargestellt. Dem Beschwerdeführer hätte der technische Mangel vor Fahrtantritt auffallen müssen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung räumte der Beschwerdeführer ein, dass beide Hinterreifen des Pkw "ein stark abgefahrenes Profil aufgewiesen" hätten, er vertrat jedoch die Auffassung, dass die Verwendung von abgefahrenen Reifen allein noch nicht den Tatbestand des § 7 Abs. 3 Z. 5 FSG erfülle. Das Verwenden von abgefahrenen Reifen an einem Fahrzeug könne überdies bei einem Lenker, der ansonsten keinerlei Vorstrafen im Sinne von Übertretungen der StVO 1960 aufweise und der wie der Beschwerdeführer seit dem Jahr 1990 mit seinem Privat-Pkw insgesamt knapp 500.000 km unfallfrei zurückgelegt habe, nicht den Schluss rechtfertigen, dass er allein hiedurch als eine nicht verkehrszuverlässige Person anzusehen sei.

Der Landeshauptmann von Steiermark wies die Berufung mit Bescheid vom 2. März 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Steiermark aus, die Berufungsbehörde sei der Ansicht, dass die Verwendung von abgefahrenen Reifen sehr wohl den Tatbestand des § 7 Abs. 3 Z. 5 FSG erfülle. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung dargelegt, dass der Umstand, dass zwei abgefahrene Reifen vorliegen, diese Maßnahme rechtfertige. Bei der Frage, ob Verkehrszuverlässigkeit vorliege oder nicht, sei schon auf Grund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bisherige Fahrleistung nicht zu berücksichtigen. Das Vorliegen von weiteren Vorstrafen hätte, sofern es sich nicht um bestimmte Tatsachen handelt, lediglich bei der Abrundung des Persönlichkeitsbildes berücksichtigt werden können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 8. Juni 1999, B 692/99-4, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften des FSG lauten (auszugsweise):

"§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

5. ein Kraftfahrzeug lenkt, dessen technischer Zustand und weitere Verwendung eine Gefährdung der Verkehrssicherheit (§ 58 Abs. 1 KFG 1967) darstellt, sofern die technischen Mängel dem Lenker vor Fahrtantritt auffallen hätten müssen;

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

§ 25.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ... ."

Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer am 18. Oktober 1998 anlässlich einer Kontrolle seines Pkws mit zwei Hinterreifen angetroffen wurde, die eine Profiltiefe von 0,0 mm aufwiesen. Der Beschwerdeführer tritt auch der von der belangten Behörde erkennbar übernommenen Feststellung der Erstbehörde, dem Beschwerdeführer hätte der Mangel der Reifen vor Fahrtantritt auffallen müssen, nicht entgegen.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ging die belangte Behörde zu Recht davon aus, dass im vorliegenden Fall der Tatbestand des § 7 Abs. 3 Z. 5 FSG verwirklicht war. Die Verwendung eines Pkws mit zwei profillosen Reifen stellt eine Gefährdung der Verkehrssicherheit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 5 FSG dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 98/11/0071, in dem das Vorliegen einer Tatsache nach der genannten Gesetzesstelle bereits bei Verwendung eines profillosen und eines weiteren Reifens mit Profiltiefe von 0,9 mm bejaht wurde). Ob die Abnahme des Zulassungsscheins und der Kennzeichentafeln des Pkws mit § 58 Abs. 1 FSG vereinbar war, ob insbesondere Gefahr im Verzug im Sinne des § 57 Abs. 8 FSG vorlag, braucht in Ansehung des angefochtenen Bescheides nicht untersucht zu werden. Der Umstand, dass eine Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheins nach § 58 Abs. 1 FSG stattgefunden hat, steht allerdings einer Entziehung der Lenkberechtigung nach § 24 Abs. 1 FSG in Verbindung mit § 7 Abs. 3 Z. 5 FSG nicht entgegen. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid verfügten Entziehung der Lenkberechtigung ist allein, ob die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers für den Entziehungszeitraum zutreffend ist.

Der Beschwerdeführer ist allerdings mit seiner Beschwerde insofern im Recht, als er vermisst, dass die von der belangten Behörde als erwiesen angenommene bestimmte Tatsache einer Wertung im Sinne des § 7 Abs. 5 FSG unterzogen worden wäre. § 7 Abs. 1 FSG erfährt in Ansehung von bestimmten Tatsachen nach § 7 Abs. 3 Z. 5 FSG keine Ausnahme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1999, Zl. 99/11/0306).

Der angefochtene Bescheid enthält nicht nur keine Wertung im Sinne des § 7 Abs. 5 FSG, seine Begründung lässt auch nicht einmal erkennen, ob die belangte Behörde der Rechtsauffassung anhing, im vorliegenden Fall wäre eine derartige Wertung nicht erforderlich gewesen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind für die vorzunehmende Wertung im Sinne des § 7 Abs. 5 FSG ua. die Gefährlichkeit der Verhältnisse bei Begehung der Tat maßgeblich (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 1999, Zlen. 99/11/0249 und 99/11/0306), ebenso, ob der Betreffende bereits einschlägig in Erscheinung getreten ist (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1999, Zl. 99/11/0306). Diesbezügliche Feststellungen hat die belangte Behörde (wie auch die Behörde erster Instanz) nicht getroffen. Der angefochtene Bescheid enthält auch keine Bedachtnahme auf die seit der Tat verstrichene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers seitdem. Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Berufung vorgebracht, keinerlei Vorstrafen aufzuweisen, und in der Beschwerde ergänzend vorgebracht, er sei am Tag der Beanstandung bei trockener Fahrbahn unterwegs gewesen (dieses Vorbringen unterliegt angesichts des aufgezeigten Verfahrensmangels nicht dem Neuerungsverbot). Bei Zutreffen des Vorbringens des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde ungeachtet des Umstandes, dass die völlige Profillosigkeit beider Hinterreifen bei der Wertung nach § 7 Abs. 5 FSG zu seinem Nachteil ins Gewicht fiele, bei Durchführung einer gesetzeskonformen Wertung zu einem anderen Bescheid gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Mai 2001

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