Normen
AlVG 1977 §23 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §7;
AlVG 1977 §8;
AlVG 1977 §9;
AlVG 1977 §23 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §7;
AlVG 1977 §8;
AlVG 1977 §9;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 20. März 1996 bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gemäß § 271 ASVG. Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wies mit Bescheid vom 30. Oktober 1996 diesen Antrag nach Einholung ärztlicher Gutachten mangels Berufsunfähigkeit ab. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Klage beim Landes- als Arbeits- und Sozialgericht Wiener Neustadt. Die Klage wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 26. Jänner 1999 abgewiesen.
Am 12. April 1999 stellte der Beschwerdeführer bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Antrag auf "Notstandshilfe, Pensionsvorschuss". Der Beschwerdeführer verneinte die Frage nach seiner Arbeitsfähigkeit und führte an, am 18. März 1996 den Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension bei der "PVA - 1021 Wien, Fr.-Hillegeist-Straße 1" gestellt zu haben.
Am 16. April 1999 wurde bei der regionalen Geschäftsstelle mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen. Er gab zum Gegenstand der Verhandlung "Arbeitsfähigkeit" wörtlich (Schreibeweise wie Original) an:
"Ich, ... (Beschwerdeführer) erkläre: Ich wurde über die gesetzlichen Bestimmungen des § 7, § 8, § 9 und § 23 aufgeklärt. Mein Klagebegehren gegen die PVA der Angestellten wurde mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 26.1.1999 abgewiesen. Mein Anwalt wird dagegen Berufung beim Europäischen Gerichtshof nach Artikel 6 einlegen. Die Wartefrist ab OHG-Erkenntnis ist sechs Monate. Ich kann mich daher nicht als arbeitsfähig erklären. Eine Bestätigung der Gemeinde O... über meine Einkünfte als Gemeinderat, in der Höhe von S 1.570,--, welchen ich brutto für netto erhalten, werde ich innerhalb 1 Woche nachreichen."
Mit Bescheid vom 30. April 1999 gab die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Notstandshilfe gemäß § 33 Abs. 2 i.V.m. den §§ 38, 7 und 9 Abs. 1 AlVG keine Folge. In der Begründung wurde nach Gesetzeszitaten ausgeführt, der Beschwerdeführer sei nicht bereit, eine vom AMS vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, obwohl auf Grund der ärztlichen Gutachten der Sozialversicherungsträger und der darauf beruhenden Ablehnung der BU-Pension von bestehender Arbeitsfähigkeit auszugehen sei.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin machte er geltend, es werde nicht angegeben, warum die Behörde von einer mangelnden Arbeitswilligkeit ausgehe. Wann und wie oft, bzw. ob ihm überhaupt vom Arbeitsmarktservice zumutbare Beschäftigungen vermittelt worden seien, bzw. er sich geweigert habe, diese anzunehmen, werde nicht dargelegt. Bei ausreichender Information bzw. Belehrung durch die Behörde wäre und sei er natürlich bereit, alle gebotenen Anstrengungen zu unternehmen, um eine zumutbare Beschäftigung zu erhalten bzw. sich entsprechend nach- und umschulen zu lassen oder an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen.
Während des Berufungsverfahrens wurde mit dem Beschwerdeführer neuerlich eine Niederschrift aufgenommen (31. Mai 1999). Diese lautet:
"Ich wurde neuerlich über die Ges. Bestimmungen aufgeklärt. Ich ersuche um eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung."
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 1999 legte der Beschwerdeführer der belangten Behörde zum Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit Urkunden vor. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 1999 führte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die Niederschrift vom 31. Mai 1999 aus, er habe im Verfahren zur Gewährung der Berufsunfähigkeitspension die Wiederaufnahmsklage eingebracht und erkläre er sich jedoch weiterhin für arbeitsunfähig. Dem Schriftsatz wurde eine Gleichschrift der Wiederaufnahmsklage vom 1. Juni 1999 gerichtet an das Landesgericht Wiener Neustadt beigelegt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die belangte Behörde führte aus, der Antrag des Beschwerdeführers vom 20. März 1996 auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension sei rechtskräftig abgewiesen worden. Ein Pensionsvorschuss könne daher nicht gewährt werden. Daran ändere auch nichts, dass mit 1. Juni 1999 eine Wiederaufnahmsklage gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 8. Mai 1998 eingebracht worden sei. Auch die Ankündigung einer weiteren Anspruchsdurchsetzung im Wege der europäischen Instanzen ändere nichts an der Tatsache der rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension.
Es sei daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Notstandshilfe vorlägen. Eine der Voraussetzungen gemäß § 33 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 2 AlVG sei das Zur-Verfügung-Stehen der Arbeitsvermittlung. Unter anderem stehe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer arbeitswillig sei. Auf Grund der ärztlichen Gutachten der Sozialversicherungsträger und der darauf beruhenden Ablehnung der Berufsunfähigkeitspension sei von einer rechtskräftig festgestellten Arbeitsfähigkeit im Sinn des § 8 AlVG und § 273 ASVG auszugehen. Da der Beschwerdeführer jedoch trotz gerichtlicher Feststellung weiter behaupte, arbeitsunfähig zu sein, liege Arbeitswilligkeit gemäß § 9 AlVG nicht vor (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. April 1978, 2799/77).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Zuerkennung der Notstandshilfe bzw. Zuerkennung eines Pensionsvorschusses verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend davon aus, dass Notstandshilfe als Pensionsvorschuss gemäß § 23 Abs. 1 AlVG nur ab der Antragstellung auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension bis zur Entscheidung über diesen Antrag gewährt werden kann. Der Beschwerdeführer meint in diesem Zusammenhang, die Voraussetzung sei insofern erfüllt, weil er am 1. Juni 1999 eine Wiederaufnahmsklage gegen das diesen Antrag abweisende Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 8. Mai 1998 eingebracht habe.
Dem ist zu entgegnen, dass die Wiederaufnahmsklage an sich das Urteil, mit dem die Ablehnung des Antrages auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension ausgesprochen worden ist, unberührt lässt. Ein solches Urteil wird erst durch die Bewilligung der Wiederaufnahme aufgehoben. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist daher von einer rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension auszugehen, sodass zutreffend der Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe als Pensionsvorschuss abgelehnt wurde.
Da somit während des vorliegenden Antrages kein Verfahren des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension anhängig war, hat die belangte Behörde (und die Behörde erster Rechtsstufe) bei der (zu Gunsten des Beschwerdeführers vorgenommenen) Deutung des Antrages vom 12. April 1999 als solchen auf Gewährung einer Notstandshilfe zu Recht auch das Vorliegen der Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit geprüft. Die belangte Behörde (und auch die regionale Geschäftsstelle) ist von der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde habe die von ihm vorgelegten Urkunden, die seine Arbeitsunfähigkeit bestätigten, nicht berücksichtigt, zeigt er keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Bei Zutreffen der behaupteten Arbeitsunfähigkeit, wäre nämlich sein Antrag auf Notstandshilfe jedenfalls abzuweisen gewesen, weil die Zuerkennung der Notstandshilfe Arbeitsfähigkeit voraussetzt.
Soweit sich der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen die Annahme der belangten Behörde wendet, er sei arbeitsunwillig, ist die Beschwerde begründet. Die belangte Behörde hat ausgeführt, weil der Beschwerdeführer trotz gerichtlicher Feststellung (ergänze: seiner Arbeitsfähigkeit) weiter behaupte, arbeitsunfähig zu sein, liege Arbeitswilligkeit gemäß § 9 AlVG nicht vor. Sie kann sich mit dieser Auffassung entgegen ihrer Annahme nicht auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit diesem Problemkreis wiederholt auseinander gesetzt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 20. April 1978, 2799/77, vom 27. März 1981, 3041/79, und vom 27. Februar 1996, 94/08/0053) und ausgesprochen, dass die Behörde zufolge der sie treffenden Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes dem Antragsteller unter Vorhalt der ihr zur Verfügung stehenden Gutachten zur Äußerung auffordern müsse, ob er - insbesondere auch im Hinblick auf die ihm zu erteilende ausführliche Rechtsbelehrung - bereit sei, eine dem Gutachten entsprechende und ihm nach § 9 AlVG zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Erst im Fall einer ablehnenden Stellungnahme trotz der genannten Vorhalte hätte die belangte Behörde Arbeitsunwilligkeit zweifelsfrei annehmen können. Nach dieser Judikatur hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht nur die seine Arbeitsfähigkeit bestätigenden Gutachten, sondern auch die diesem Gutachten entsprechenden und ihm nach § 9 AlVG zumutbaren Beschäftigungen vorhalten müssen. Eine ablehnende Stellungnahme des Beschwerdeführers nach solchen Vorhalten hätte die Behörde von der Verpflichtung enthoben, ihm eine ihm zumutbare Beschäftigung anzubieten. Nach dem Inhalt der oben wiedergegebenen Niederschriften wurde der Beschwerdeführer über die gesetzlichen Bestimmungen, nämlich §§ 7, 8, 9 und 23 AlVG, aufgeklärt. Dem Inhalt der Niederschriften kann jedoch weder entnommen werden, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ausmaß seiner Arbeitsfähigkeit vorgehalten hat, noch welche der bestehenden Arbeitsfähigkeit entsprechende Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorgefunden werden können, die ihm gemäß § 9 AlVG zumutbar sind. Die bloße Angabe des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 12. April 1999 und in seinem Schriftsatz vom 1. Juni 1999, nach wie vor arbeitsunfähig zu sein, reicht nach der dargestellten Judikatur nicht aus, um Arbeitsunwilligkeit des Beschwerdeführers zweifelsfrei annehmen zu können. Da die belangte Behörde offenbar in Verkennung der von ihr herangezogenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diesbezügliche Verfahrensschritte unterlassen hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. November 2001
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)