Normen
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 8. Mai 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, (nach der Aktenlage: einen jugoslawischen Staatsangehörigen), gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 35, 37 und 38 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens führte die belangte Behörde begründend aus, es stehe unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1996 und 1997 mit Urteilen des Landesgerichtes Salzburg "wegen § 107 StGB bzw. § 83 Abs. 1 StGB zu insgesamt S 7.000,-- bzw. drei Monaten Freiheitsstrafe" rechtskräftig verurteilt worden sei. Es seien somit eindeutig die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG gegeben, ohne dass es hiezu weiterer Ausführungen bedürfe. Diesen Verurteilungen seien insgesamt vier massive gefährliche Drohungen zu Grunde gelegen, wobei diese vom Beschwerdeführer im Familienkreis begangen worden seien. Auf Grund des gesamten Sachverhaltes sowie der vom Beschwerdeführer in mehreren Anzeigen bzw. Niederschriften gemachten Angaben zeige sich seine eindeutige Neigung, sich über die österreichischen Gesetze und richterlichen Anordnungen leichtfertig hinwegzusetzen und könne deshalb für ihn keinesfalls eine positive Zukunftsprognose erstellt werden. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet würde sehr wohl den im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufen und sei diese Maßnahme auch als Präventionsmaßnahme vor weiteren Übergriffen in der Familie des Beschwerdeführers bzw. gegen andere Rechtsgüter dringend erforderlich.
Die Behörde habe nunmehr zu prüfen, inwieweit die Erlassung des gegenständlichen Bescheides in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers eingreife. Hiezu sei von der erstinstanzlichen Behörde richtigerweise festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer geschieden sei und zu seiner minderjährigen Tochter kaum mehr Kontakt habe. Es werde deshalb auf familiärer Basis nicht mehr so stark, wie vom Beschwerdeführer in der Berufung ausgeführt worden sei, eingegriffen. Der Eingriff erfolge mehr auf beruflicher Basis, weil der Beschwerdeführer einen Befreiungsschein besitze und als Metallarbeiter bei einem näher bezeichneten Unternehmen beschäftigt sei. Eine solche Tätigkeit könne jedoch auch außerhalb Österreichs ausgeführt werden, und es könne der Beschwerdeführer auch vom Ausland aus seinen Unterhaltspflichten bezüglich seiner Familie nachkommen. Im Fall des Beschwerdeführers wögen daher die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme schwerer als die Auswirkungen auf seine Lebenssituation und die seiner Familie.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer durch die besagten rechtskräftigen Verurteilungen den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) FrG verwirklicht habe, unbekämpft. Auf Grund der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen besteht gegen diese Ansicht kein Einwand.
1.2. Bei der Beurteilung der Frage, ob die im § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Dabei ist - anders als bei der Frage, ob der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt ist - nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Fremden abzustellen.
Nach den unbestrittenen Feststellungen (im erstinstanzlichen Bescheid) verübte der Beschwerdeführer das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, indem er am 31. Juli 1996, am 23. August 1996 und am 9. März 1997 seine (damalige) Ehegattin, am 9. März 1997 überdies auch zwei weitere namentlich angeführte Personen durch im Einzelnen näher angeführte Äußerungen zumindest mit einer Verletzung am Körper bedroht und am 1. November 1996 seine (damalige) Ehegattin durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten, die diverse (näher dargestellte) Prellungen, eine Teilverrenkung des rechten Kiefergelenks und eine traumatische Trommelfellperforation zur Folge gehabt hatten, vorsätzlich am Körper verletzt habe.
Der Annahme der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG), kann nicht entgegengetreten werden, liegen dem Beschwerdeführer doch insgesamt vier massive Drohungen und eine vorsätzliche Körperverletzung, die nicht bloß unbedeutende Verletzungen zur Folge hatte, zur Last, also ein Verhalten, aus dem sich deutlich Aggressivität und die Bereitschaft, auf Konfliktsituationen mit Gewalt zu reagieren, ergibt.
2.1. Die Beschwerde macht geltend, dass der angefochtene Bescheid in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreife. Die belangte Behörde habe von ihrem Ermessen (zum Nachteil des Beschwerdeführers) Gebrauch gemacht; dem angefochtenen Bescheid lasse sich aber "nicht wirklich" entnehmen, von welchen Erwägungen sie beim Gebrauch dieses Ermessens ausgegangen sei. Die belangte Behörde habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Verurteilungen und die dokumentierten Schwierigkeiten des Beschwerdeführers aus den familienrechtlichen Problemen mit seiner geschiedenen Ehegattin resultierten. Es sei eine allgemein bekannte Tatsache, dass im Zuge einer Ehescheidung die Emotionen hochgingen und es in diesem Zusammenhang auch zu Reaktionen kommen könne, die den beteiligten Personen ansonsten völlig wesensfremd seien. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend gewürdigt, dass der Beschwerdeführer "weder vorher nach nachher" mit dem Strafgericht in Konflikt gekommen sei. Der Beschwerdeführer sei für seine geschiedene Gattin und seine neunjährige Tochter alimentationspflichtig. Es sei zwar richtig, dass er seine berufliche Tätigkeit auch im Ausland ausüben könne, doch könne er dort nur einen Bruchteil dessen erwirtschaften, was er in Österreich ins Verdienen bringen könne. Als unbestreitbar dürfe vorausgesetzt werden, dass er ein Recht auf Familienleben habe, welches im Kontakt zu seiner leiblichen Tochter ihren Ausfluss finde. Diese lebe mit der Kindesmutter in Österreich und werde auch in Österreich bleiben. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Möglichkeiten, im Fall der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sein Besuchsrecht in Österreich auszuüben. Die Tochter des Beschwerdeführers sei wiederum auf Grund ihres Alters weder in der Lage, dem Beschwerdeführer das Besuchsrecht zu ermöglichen, noch das Recht am Besuch des Vaters selbst auszuüben. Bis sie das mündige Alter erreiche, würden noch ca. fünf Jahre vergehen. Bis zu diesem Zeitpunkt werde eine gänzliche Entfremdung des Beschwerdeführers von seiner Tochter eingetreten sein.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die Bestimmung des § 36 Abs. 1 FrG räumt der Behörde insofern Ermessen ein, als sie diese ermächtigt, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes trotz Vorliegens der in den §§ 36 bis 38 FrG normierten Tatbestandsvoraussetzungen abzusehen. Nach Art. 130 Abs. 2 B-VG hat die Behörde von dem besagten Ermessen "im Sinne des Gesetzes" Gebrauch zu machen. Sie hat hiebei in Erwägung zu ziehen, ob und gegebenenfalls welche Umstände im Einzelfall vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen, und sich hiebei insbesondere von den Vorschriften des FrG leiten zu lassen. Es könnten etwa - anders als bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG - öffentliche Interessen zu Gunsten eines Fremden berücksichtigt werden und bei entsprechendem Gewicht eine Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Ermessensentscheidung rechtfertigen. Aber auch persönliche, schon im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG zu berücksichtigende Interessen sind bei der Handhabung des Ermessens nach § 36 Abs. 1 FrG dann zu beachten, wenn dies erforderlich ist, um den besonderen im Einzelfall gegebenen Umständen gerecht zu werden. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 99/18/0282, mwN.)
Zur Frage des Ermessens enthält der angefochtene Bescheid keine Ausführungen. Es liegt auch kein Fall vor, in dem das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung entbehrlich wäre (vgl. die in § 38 Abs. 1 Z. 3 sowie § 35 Abs. 3 Z. 1 und 2 FrG genannten Fälle und den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).
3. Die belangte Behörde belastete ihren Bescheid somit insofern mit einem wesentlichen Begründungsmangel, weshalb er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. April 2001
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)