VwGH 98/18/0160

VwGH98/18/016016.1.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der L A J, (geboren 20.3.1972), vertreten durch Dr. Michael Sych, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. März 1998, Zl. SD 1179/97, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 1991;
AsylG 1997;
AVG §46;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
AsylG 1997 1991;
AsylG 1997;
AVG §46;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. März 1998 wurde gemäß § 75 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass die Beschwerdeführerin, eine "angeblich palästinensische Staatsangehörige", in Syrien, im Irak, in Libyen und in Ägypten gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Ihren Antrag habe die Beschwerdeführerin damit begründet, dass sie in Damaskus geboren wäre und in Syrien bis zu ihrem 7. Lebensjahr gelebt hätte. Danach wäre sie mit ihrer Familie nach Zypern gezogen und hätte dort vier Jahre gelebt. Nach einem einjährigen Aufenthalt in Tunesien wäre sie mit ihrer Familie für ein oder zwei Jahre wieder nach Syrien gefahren, danach hätte sie bis zu ihrer Einreise nach Österreich in Libyen gelebt. Sie wäre im Besitz eines Reisedokuments, das sie in Libyen von der ägyptischen Botschaft ausgestellt bekommen hätte. Nach Österreich wäre sie mit ihrem Mann und ihren beiden minderjährigen Kindern gekommen, weil sie kein anderes Land hätte, wo sie leben könnte. Das bloße Vorbringen der Beschwerdeführerin, auf Grund ihrer "palästinensischen Zugehörigkeit" wäre sie nach Österreich geflüchtet, weil sie kein anderes Land aufnehmen würde, bilde aber keinen Grund, darin eine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu erblicken. Der Beschwerdeführerin sei es mit ihrem Vorbringen nicht gelungen, eine persönliche Bedrohung im Sinn des § 57 FrG zu untermauern, zumal sie konkrete Verfolgungshandlungen gegen ihre Person nicht einmal behaupte. Auch im Asylverfahren habe die Beschwerdeführerin lediglich angegeben, dass sie Libyen verlassen hätte, weil es ihr dort nicht mehr möglich gewesen wäre, problemlos die Universität zu besuchen. Nur durch Intervention eines palästinensischen Angestellten an der Universität in Tripolis wäre es ihr möglich geworden, Geografie zu studieren, wobei sie jedoch eigentlich Malerei hätte studieren wollen. Der von der Beschwerdeführerin als asylbegründend betrachtete und von ihr behauptete Sachverhalt, dass sie nicht problemlos die Universität hätte besuchen können, sei jedoch nicht asylrelevant gewesen. Bei der Nichtzulassung zum Besuch höherer Schulen bzw. zum Studium aus weltanschaulichen oder politischen Gründen handle es sich um ein Unbill, das in totalitären Staaten von der Mehrzahl der Staatsangehörigen in gleicher Weise hingenommen werden müsse. Allgemein verlange der Begriff der Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des Asylgesetzes 1991 in der geltenden Fassung einen Eingriff von erheblicher Intensität und Qualität in die zu schützende Rechtssphäre des Einzelnen durch den Staat bzw. seine Organe. Entsprechende Indizien für das Vorliegen eines solchen Eingriffs hätten jedoch dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entnommen werden können, weshalb ihr Asylantrag zweitinstanzlich negativ beschieden worden sei. Auch in ihrer Berufung vom 16. September 1997 gegen den Erstbescheid habe die Beschwerdeführerin keinerlei Angaben darüber gemacht, inwieweit sie in den von ihr genannten Staaten, nämlich Syrien, Irak, Libyen und Ägypten, konkret bedroht und verfolgt worden wäre. Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG habe der Fremde das Bestehen einer aktuellen Bedrohung auf Grund konkreter, seine Person betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Fakten darzulegen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, auf Grund ihrer "palästinensischen Zugehörigkeit" in diesen Staaten nicht aufgenommen zu werden, stelle keine konkrete, gegen ihre Person im Speziellen gerichtete Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG dar, die den Schluss auf eine Bedrohungssituation in diesem Sinne zulassen würde. In ihrer Allgemeinheit entsprächen die vorgebrachten Gründe der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht dem Konkretisierungsgebot, wie es im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1996, Zl. 94/18/1074, gefordert werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der im § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0080, mwH.)

2. Der Auffassung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin in den in Rede stehenden Staaten keiner Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 bzw. Abs. 2 FrG ausgesetzt sei, vermag die Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Entgegen der Beschwerde stellt die Verweigerung oder Erschwerung des Zugangs zur Universität und zu höheren Bildungseinrichtungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 dar (vgl. in diesem Sinn das zu § 54 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, aber auch vorliegend einschlägige hg. Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0387). Weiters ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe in ihrer Berufung gegen den Erstbescheid geltend gemacht, dass die Fremdenpolizeibehörde trotz rechtskräftig negativen Asylbescheids die Voraussetzungen der Unzulässigkeit der Abschiebung bzw. Zurückschiebung gemäß § 57 FrG in einem eigenen Ermittlungsverfahren hätte prüfen müssen, und dass es sowohl die erstinstanzliche als auch die belangte Behörde unterlassen habe, ein solches durchzuführen, nicht zielführend. Wenn auch die Anforderungen an die Partei zur Erstattung eines konkreten Vorbringens im Rahmen der Mitwirkungspflicht in Verfahren betreffend Feststellung gemäß § 75 FrG nicht überspannt werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 2000/18/0121), hat die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung nicht - der Erstbehörde entgegentretend - eine Bedrohung und/oder Gefährdung im Sinn des § 57Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen versucht, vielmehr erschöpft sich das Berufungsvorbringen in einem bloßen Hinweis auf das Erfordernis der Durchführung eines (gesonderten) Ermittlungsverfahrens (vgl. Blatt 98 f der vorgelegten Verwaltungsakten), und ist daher mangels jeglicher Konkretisierung einer Bedrohungssituation nicht geeignet, eine Gefährdung und/oder Bedrohung der Beschwerdeführerin darzutun. Weiters war es der belangten Behörde bei ihrer für die Beschwerdeführerin negativen Feststellung im Umfang der Gründe nach § 57 Abs. 2 FrG aufgrund des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des die Beschwerdeführerin betreffenden Asylverfahrens zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinn das zu § 54 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, aber auch vorliegend einschlägige hg. Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 96/18/0612, mwH). Schließlich erfolgt das - im Übrigen ganz allgemein gehaltene - Vorbringen, es sei den Jahresberichten von Amnesty International zu entnehmen, dass es zu Verfolgungen und Ausweisungen von Palästinensern sowie willkürlichen Verhaftungen auf Grund politischer Gesinnung komme, erstmals in der Beschwerde, weshalb es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beachtliche Neuerung handelt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

3. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte im Grund des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Jänner 2001

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