VwGH 98/15/0063

VwGH98/15/006322.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Steiermark gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 4. März 1998, Zl. RV- 129.97/1-8/97, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften 1985 sowie Gewerbesteuermessbetrag 1985 (mitbeteiligte Parteien: H Gedächtnisverein, P & Co GmbH RNF K GmbH, vertreten durch Allgemeine Revisions- und Treuhandgesellschaft m.b.H. in Graz, Dietrichsteinplatz 15/VI), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §4 Abs1;
StruktVG 1969 §8 Abs4;
UmgrStG 1991 §13 Abs2;
EStG 1972 §4 Abs1;
StruktVG 1969 §8 Abs4;
UmgrStG 1991 §13 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, strittig sei die Frage, ob die Einbringung des Betriebes der K. KG in die K. GmbH nach den Vorschriften des Art. III StruktVG auf den 31. Dezember 1984 rückbezogen werden könne, obwohl innerhalb der Neunmonatsfrist, und zwar am 31. Juli 1985, ein Gesellschafterwechsel in der bisherigen Mitunternehmerschaft wegen Schenkung des Mitunternehmeranteiles von Dr. K. an die K. Verw. GmbH stattgefunden habe. Seitens der Mitbeteiligten werde in diesem Zusammenhang im Wesentlichen die Auffassung vertreten, die K. KG sei im Jahr 1985 nicht mehr existent gewesen, weil sie auf Grund des Notariatsaktes vom 25. September 1985 unter Verzicht auf die Liquidation aufgelöst und der gesamte Betrieb nach den Vorschriften des Art. III StruktVG auf der Grundlage der Einbringungsbilanz zum 31. Dezember 1984, somit rückwirkend mit 1. Jänner 1985, in die neu gegründete K. GmbH eingebracht worden sei. Dieser Vorgang sei "nach der zu diesem Zeitpunkt gültigen Gesetzeslage und den zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Kommentaren zum Umgründungssteuerrecht" zweifelsfrei ein den Begünstigungen des StruktVG (Rückwirkung zum Ablauf des Regelbilanzstichtages, Buchwertfortführung) unterliegender Vorgang gewesen. Auf Grund eines im Jahr 1989 veröffentlichen Artikels eines Fachautors sei das Finanzamt nunmehr der Ansicht, dass die Schenkung des Kommanditanteiles durch Dr. K. in der Rückwirkungszeit der Anwendung des § 8 Abs. 4 StruktVG, nämlich der Rückwirkung dieses Vorganges auf den 1. Jänner 1985, entgegenstehe und sich dieser Vorgang mit steuerlicher Wirkung erst am 25. September 1985 vollzogen habe. Diese Rechtsmeinung werde jedoch bestritten. Die gegenständliche Strukturmaßnahme sei in einem Zeitpunkt erfolgt, in dem jedenfalls in keinem der "maßgeblichen Kommentare" ein Hinweis auf eine mögliche Nichtanerkennung der Rückwirkung auf Grund eines zwischenzeitigen Gesellschafterwechsels zu finden gewesen sei. Die Vorgangsweise des Finanzamtes widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben. Im Übrigen werde auch darauf hingewiesen, dass laut Notariatsakt vom 17. September 1985 ausschließlich der Gewinnanteil des Jahres 1984, nicht jedoch auch ein anteiliger Gewinn des Jahres 1985, von der Schenkung des Gesellschaftsanteiles ausgenommen worden sei. Es sei daher unverständlich, warum das Finanzamt Dr. K. noch immer einen "anteiligen" Gewinn, und nicht der Geschenknehmerin den gesamten Jahresgewinn nach Abzug der Gewinnanteile der übrigen Gesellschafter, zurechne.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in Stattgebung der Berufung die Bescheide betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung sowie Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 1985 hinsichtlich der einbringenden K. KG auf. Dazu vertrat die belangte Behörde die Auffassung, sie schließe sich der Meinung des Finanzamtes, wonach die Rückwirkensfiktion des Art. III StruktVG (u.a.) nur dann Platz greifen könne, wenn alle an der Einbringung beteiligten Mitunternehmer auch schon im rückwirkend beschlossenen Einbringungszeitpunkt Mitunternehmer gewesen seien, nicht an. Eine derartige Bedingung sei im Gesetz nicht enthalten. Unsicherheiten in der Rechtsauslegung dürften nicht zu Lasten der Abgabepflichtigen gehen. Die vom Finanzamt zur Stützung seiner Rechtsansicht zitierten Rechtsmeinungen datierten tatsächlich erst aus den Jahren ab 1989. Darüber hinaus sei noch zu bemerken, dass die Regelung des § 13 Abs. 2 UmgrStG, wonach der Einbringungsstichtag (nur) dann auch ein Tag sein könne, an dem das Vermögen dem Einbringenden noch nicht zuzurechnen gewesen sei, wenn das Vermögen im Erbweg erworben werde und eine Buchwertfortführung erfolge, nach Ansicht der belangten Behörde sehr wohl "neues" Recht geschaffen habe. Hätte der Gesetzgeber bereits im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine derartige Einschränkung vorsehen wollen, hätte er dies im Gesetz (StruktVG) "entsprechend zum Ausdruck bringen müssen bzw. wohl auch gebracht".

In der gemäß § 292 BAO vom Präsident der Finanzlandesdirektion erhobenen Beschwerde wird der angefochtene Bescheid insoweit bekämpft, als die belangte Behörde die Rückwirkung der "Einbringung anerkannt und die berufungsgegenständlichen Bescheide demzufolge ersatzlos aufgehoben hat".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde sah deshalb im während des angesprochenen Rückwirkungszeitraumes stattgefundenen Gesellschafterwechsel kein Hindernis zur Anwendung der Rückwirkungsfiktion des im Beschwerdefall noch anzuwendenden § 8 Abs. 4 StruktVG, BGBl 1969/69 idgF, weil dieses Gesetz keine Bestimmung enthalten habe, wonach das Einbringungsvermögen dem Einbringenden bereits am gewählten Einbringungsstichtag zugerechnet werden müsse.

Eine der Begünstigungen des StruktVG bestand darin, entgegen des im Steuerrecht sonst generell bestehenden Rückwirkungsverbotes für Einbringungen eine Rückwirkungsfiktion zu normieren. Die - höchstens neunmonatige - Rückbeziehung der steuerlichen Wirkungen der Einbringung erfolgte durch den zweiten Satz des § 8 Abs. 4 StruktVG. Nach dieser Bestimmung war das Einkommen und das Vermögen des einzubringenden Betriebes oder Teilbetriebes und der aufnehmenden Kapitalgesellschaft so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang und die Auflösung des eingebrachten Betriebes oder Teilbetriebes bereits mit Ablauf des Tages erfolgt wäre, zu dem diese Bilanz aufgestellt worden ist. Das Gleiche galt nach dem dritten Satz leg.cit. für die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen bei der Gewerbesteuer. Es ist nicht erkennbar, dass mit dieser die Einkommens- und Vermögensermittlung betreffenden Rückwirkungsfiktion auch eine Ausnahme von dem Grundsatz geschaffen werden sollte, dass das Einbringungsvermögen dem Einbringenden am Einbringungsstichtag zuzurechnen sein muss. Die Geltung dieses Grundsatzes des Umgründungsrechtes erhellt gerade aus der Bestimmung der im angefochtenen Bescheid angesprochenen Regelung des § 13 Abs. 2 des dem StruktVG nachfolgenden UmgrStG, BGBl 1991/699. Nach dieser Norm kann Einbringungsstichtag auch ein Tag sein, an dem das Vermögen dem Einbringenden noch nicht zuzurechnen war, wenn das Vermögen im Erbwege erworben wurde und eine Buchwerteinbringung erfolgt. Diese Bestimmung ist eindeutig als Ausnahmebestimmung formuliert. Sie bedeutet entgegen der Annahme der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht, dass das grundsätzliche Erfordernis der Vermögenszurechnung an den Einbringenden am Einbringungsstichtag nicht auch bereits im StruktVG gegolten hätte (vgl. dazu Wundsam/Zöchling/Huber/Khun, UmgrStG2, 162 f, Huber, Das Umgründungssteuergesetz, FJ 1992, 22, Schneider, Das neue Umgründungssteuergesetz, SWK 1992, AI 246, sowie Helbich/Wiesner, Umgründungen5, 131). Wenn in der von den Mitbeteiligten erstatteten Gegenschrift u.a. die Meinung vertreten wird, die rückwirkende Wahl des Einbringungsstichtages sei mit Zustimmung des Geschenkgebers der Kommanditanteile und ausgeschiedenen Gesellschafters Dr. K. erfolgt (sodass entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ein Vertrag zu Lasten Dritter nicht vorliege), ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, wie der Gewinn für einen bestimmten Zeitraum steuerrechtlich zu ermitteln oder zuzurechnen ist, einer zivilrechtlichen Vereinbarung nicht zugänglich ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 2000, 97/14/0047).

Wenn die belangte Behörde unter Hinweis auf eine "Unsicherheit in der Rechtsauslegung" und erstmals ab 1989 erschienene Fachartikel (vor allem Wiesner, Die Strukturverbesserungsmaßnahmen in Gegenwart und Zukunft, SWK 1989, AI 509, sowie Umgründungen in der Rechtsentwicklung, FJ 1990, 231) die stattgebende Berufungserledigung offenbar auch unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes von Treu und Glaubens als geboten ansieht, ist auf das Legalitätsprinzip iSd Art. 18 Abs. 1 B-VG zu verweisen, das im Beschwerdefall keinen Vollzugsspielraum ließ (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 2001, 98/15/0065).

Der angefochtene Bescheid ist somit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 22. November 2001

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