VwGH 98/14/0142

VwGH98/14/014230.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Dr. Urtz, über die Beschwerde des L L in F, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 24. Juli 1998, Zl. RV-107.97/1-T5/97 , betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §248;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §248;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Abspruches über die Heranziehung zur Haftung hinsichtlich Umsatzsteuer für 1996 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der L GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. Oktober 1996 das Konkursverfahren eröffnet worden ist.

Mit Haftungsbescheid vom 18. Juni 1997 nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer für aushaftende Abgabenschuldigkeiten dieser GmbH in Höhe von S 1,812.960,-- in Anspruch. Bei den Abgabenschulden handle es sich mit Ausnahme der Umsatzsteuer 1995 und der Körperschaftsteuer 1996 um laufend gemeldete, jedoch nicht entrichtete bisher nicht festgesetzte Selbstbemessungsabgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag, Kammerumlage und Kraftfahrzeugsteuer für 1995 und 1996, sowie Umsatzsteuer 1996).

In der dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer (mit entsprechenden Beweisanboten) im Wesentlichen auf die von ihm nicht verschuldeten wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH hin. Zur Höhe des Haftungsbetrages wandte der Beschwerdeführer ein, zu dem seiner Ansicht nach maßgeblichen Stichtag, dem 9. August 1996 (60 Tage vor der Stellung des Konkursantrages), habe der offene Rückstand lediglich S 1,013.841,-- betragen. Dieser Betrag sei überdies hinsichtlich der darin enthaltenen Umsatzsteuer für Mai 1996 insoweit zu korrigieren, als darin uneinbringliche Forderungen in Höhe von S 439.153,16 aus einem näher bezeichneten Auftragsverhältnis erfasst worden seien. Auch dürfe dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden, dass das Finanzamt auf Grund einer Anfechtung durch den Masseverwalter einen Betrag von S 350.000,-- an die Masse zurück zu zahlen hatte. Weiters sei die Haftung um die erzielbare Konkursquote zu reduzieren.

In seiner persönlichen Einvernahme vom 25. September 1997 räumte der Beschwerdeführer ein, dass er als der für die Abgabenentrichtung zuständige Geschäftsführer im Jahr 1996 auf Grund der angespannten Finanzlage der GmbH die haftungsgegenständlichen Abgaben nicht mehr zu Gänze habe entrichten können. Mit den vorhandenen Geldern seien die andrängenden Gläubiger vorrangig befriedigt worden, während die Zahlungen an jene Gläubiger, die nicht vorstellig geworden seien, hinausgeschoben hätten werden müssen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 10. Oktober 1997 wies das Finanzamt die Berufung im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer habe durch die Barzahlung von Materiallieferungen und die vollständige Auszahlung der Löhne gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Im vorliegenden Fall der unzureichenden Verfügbarkeit von Geldmitteln sei es Sache der "Geschäftführung" darzulegen, dass eine aliquote Abgabenentrichtung erfolgt sei. Entsprechende Entlastungsbeweise habe der Beschwerdeführer jedoch nicht erbracht, weshalb er für die aushaftenden Abgaben zur Gänze hafte.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte ergänzend aus: Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Finanzamt den Beschwerdeführer hinsichtlich einzelner Abgaben mit einem höheren Betrag zur Haftung herangezogen habe als eine diesbezügliche Verbuchung am Abgabenkonto erfolgt sei. Den Beschwerdeführer treffe aber auch kein Verschulden an der Nichtentrichtung der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten, da es zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwendig gewesen sei, Materialien einzukaufen und dies nur mehr gegen Barzahlung möglich gewesen sei. Zur Fertigstellung der Bauarbeiten sei es erforderlich gewesen, die Dienstnehmer weiter zu beschäftigen und zu bezahlen, da sie andernfalls ihre Arbeitskraft der Gesellschaft nicht mehr zur Verfügung gestellt hätten. Unabhängig davon habe der Beschwerdeführer auch darauf Bedacht genommen, die fälligen Abgaben aliquot zu begleichen. Auf Grund einer mit dem Finanzamt getroffenen Ratenvereinbarung habe die GmbH im Zeitraum vom 1. Jänner 1996 bis 9. Oktober 1996 einen Betrag von S 559.845,-- entrichtet. Gegen eine Benachteiligung der Abgabenbehörde spreche auch die an den Masseverwalter zu leistende Rückzahlung, weiters sei die erzielbare Konkursquote neuerlich nicht berücksichtigt worden.

Mit Vorhalt vom 4. Mai 1998 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer unter Hinweis auf diesbezügliche Rechtsprechung auf, nachzuweisen, dass er bei Verwendung der verfügbaren Mittel die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten. Zu diesem Zwecke bedürfe es einer Aufstellung, aus der die jeweils zur Verfügung gestandenen Mittel sowie die Höhe der jeweiligen Verbindlichkeiten und Zahlungen hervorgingen. Unter Bezugnahme auf den Einwand der mangelnden Nachvollziehbarkeit des Haftungsbetrages übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Ablichtung einer Rückstandsaufgliederung vom 2. Juni 1997 und des Rückstandsausweises vom 9. Mai 1996.

In seiner Stellungnahme vom 12. Juni 1998 erklärte der Beschwerdeführer, im haftungsgegenständlichen Zeitraum wären laut beiliegender Aufstellung (Lieferanten-)Rechnungen in Höhe von insgesamt S 7,702.529,48 zu bezahlen gewesen, tatsächlich habe er nur Zahlungen in Höhe von S 4,556.240,51 geleistet. Dies entspreche einen Anteil von 59 % . Der offene Finanzamtssaldo habe zum 9. August 1996 S 1,013.841,00 betragen; zusätzlich sei hinsichtlich der Umsatzsteuer für Mai 1996 die teilweise Uneinbringlichkeit von Forderungen zu berücksichtigen. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass die Finanzamtsschulden zu 55 % beglichen worden seien. Auch dürfe die Rückzahlung auf Grund der Anfechtung durch den Masseverwalter nicht zu Lasten des Geschäftsführers gehen. Weiters müsse die nunmehr feststehende Konkursquote von 7,57 % berücksichtigt werden. Zum Beweis der Richtigkeit der vorgelegten Aufstellung und des Umstandes, dass darin auch Zahlungen mit "Zug-um-Zug-Charakter" enthalten seien, wurde die Vernehmung des Steuerberaters beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid schränkte die belangte Behörde zwar den Haftungsbetrag auf S 612.734,-- ein, gab der Berufung im Übrigen jedoch keine Folge. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - so die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung - seien aus der Sicht der Gläubigergleichbehandlung "Zug-um-Zug-Leistungen" nicht gesondert zu betrachten; die in diesem Zusammenhang beantragte Einvernahme des Steuerberaters habe daher unterbleiben können. Nach der vorgelegten Aufstellung sei davon auszugehen, dass in der Zeit von Jänner bis Oktober 1996 rund 59 % der Lieferantenverbindlichkeiten getilgt worden seien. Demgegenüber hätten sich die Zahlungen an das Finanzamt in der Zeit vom 11. Jänner 1996 bis 20. September 1996 auf S 682.313,-- belaufen, was einem Anteil von rund 38 % an den haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten ausmache. Von "überproportionalen" Zahlungen an das Finanzamt könne daher keine Rede sein. Der vorgelegten Aufstellung (der Lieferantenverbindlichkeiten) sei nicht zu entnehmen, in welchem Ausmaß die Forderungen der übrigen Gläubiger (z.B. Tiroler Gebietskrankenkasse, Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse) befriedigt worden seien. Der Umstand, dass die genannten Gläubiger Konkursforderungen in Höhe von jeweils S 650.000,-- angemeldet hätten, könne jedoch als Indiz dafür genommen werden, dass sie gegenüber dem Abgabengläubiger nicht gravierend bevorzugt worden seien. Da einige Hauptlieferanten Konkursforderungen in Millionenhöhe gestellt hätten, halte es die belangte Behörde weiters für vertretbar, die Haftung im Hinblick auf die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf jenen Betrag einzuschränken, der sich aus den unterschiedlichen Zahlungsquoten von 59 % und 38 % ergebe. Hinsichtlich der aushaftenden Lohnsteuerbeträge komme es im Grunde der Bestimmung des § 78 Abs. 3 iVm § 82 EStG auf die Liquidität der Gesellschaft jedoch nicht an, weshalb diesbezüglich auch keine Einschränkung der geltend gemachten Haftung erfolgen könne. Der aus anfechtungsrechtlichen Gründen an den Masseverwalter rückgezahlte Betrag von S 350.000,-- sei in der Berechnung der 38 %igen Abgabenzahlungsquote nicht mindernd enthalten, weshalb auf die diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers nicht mehr einzugehen sei. Was die behaupteten Forderungsausfälle der GmbH von rund S 560.000,-- anlange, übersehe der Beschwerdeführer den Gegenstand des Haftungsverfahrens, in dem es nicht darum gehe, Grund und Höhe der Abgabenforderung zu überprüfen. Von der beantragten Befragung des Masseverwalters zu den Erfolgschancen der Einbringlichmachung habe deshalb abgesehen werden können. Ebenso wenig habe es der beantragten Beweisaufnahmen zu den Ursachen der Insolvenz bedurft, da es aus haftungsrechtlicher Sicht nur auf die Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen ankomme. Auch ändere die Bewilligung von Zahlungserleichterungen an der Verpflichtung des Geschäftsführers, für die Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten zu sorgen, nichts. Die Einwendungen im Berufungsverfahren zur mangelnden "Nachvollziehbarkeit" des Abgabenrückstandes würden u. a. übersehen, dass durch die Rückzahlung des Betrages von S 350.000,-- ursprünglich getilgte Abgabenschulden wieder aufgelebt seien. Weiters gehe der Beschwerdeführer zu Unrecht davon aus, dass der haftungsrechtlich relevante Zeitraum 60 Tage vor Konkurseröffnung ende, tatsächlich bestehe die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung grundsätzlich für alle bis zum Tag der Konkurseröffnung fällig gewordenen Abgabenschulden. Zur vorgelegten Aufstellung der Lieferantenverbindlichkeiten merkte die belangte Behörde überdies an, dass demnach diverse Lieferantenzahlungen noch nach dem 9. August 1996 erfolgt seien und darüber hinaus vielfach Angaben zum Datum der Zahlung (mit dem Hinweis "lieferungsbedingt") überhaupt fehlten.

Die Zusammensetzung des Haftungsbetrages wird im

angefochtenen Bescheid wie folgt dargestellt:

Haftungsbetrag bisher 1,812.960,--

abzügl. Lohnsteuer 1995 25.927,--

abzügl. Lohnsteuer 1996 331.010,--

1,456.023,--

hievon 21 % (Differenz zwischen Lieferantenquote

von 59 % und Abgabenquote von 38 %) 305.765,--

zuzügl. Lohnsteuer 1995 25.927,--

zuzügl. Lohnsteuer 1996 331.010,--

Haftungsbetrag vor Konkursquote 662.702,--

abzügl. Konkursquote von 7,54 % - 49.968,--

Haftungsbetrag lt. BE 612.734, --

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die GmbH die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Reichen die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, andernfalls haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft. Eine Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers oder einiger Gläubiger stellt somit eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter dar, soferne dieses Verhalten eine Verkürzung der Abgaben bewirkt hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. September 1999, 96/15/0049).

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 22. September 1999).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer eine Liste der Lieferanten unter Angabe ihrer Forderungen, der bis Oktober 1996 darauf geleisteten Zahlungen (zum Teil mit, zum Teil ohne Angabe des Datums der Zahlung) und des jeweils offenen Saldos vorgelegt. Welche liquiden Geldmittel dem Beschwerdeführer zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der strittigen Abgaben zur Verfügung gestanden sind, geht daraus nicht hervor. Solcherart kann aber keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer nachgewiesen habe, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre. Wenn die belangte Behörde die Aufstellung der Lieferantenverbindlichkeiten dennoch zum Anlass genommen hat, die geltend gemachte Haftung unter Zuhilfenahme einer Globalbetrachtung aller Lieferanten- und aller Abgabenverbindlichkeiten im haftungsrelevanten Zeitraum einzuschränken, kann darin eine den Beschwerdeführer belastende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erkannt werden. Aus diesem Grund müssen die Beschwerdeausführungen zu der von der belangten Behörde (zwecks Haftungsbegrenzung) angestellten Berechnung von vornherein ins Leere gehen. Davon abgesehen teilt der Gerichtshof aber auch nicht die in der Beschwerde vertretene Auffassung, der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung beziehe sich nicht auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich seien. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem Erkenntnis vom 7. September 1990, 89/14/0132, ausgeführt, dass eine Privilegierung von Gläubigern auch in der Barzahlung neuer Materialien bestehen könne. Die belangte Behörde war daher nicht gehalten, Erhebungen darüber anzustellen, warum "bestimmte Gläubiger sofort bezahlt wurden".

Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, er habe im Zeitraum vom 9. Jänner 1995 bis 23. August 1996 Zahlungen von insgesamt S 582.425,-- geleistet. Da es dem Beschwerdeführer unmöglich gewesen sei, "immer am Fälligkeitstag genau die Summe zu begleichen, die der vorgeschriebenen Lohnsteuer bzw. Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag entsprochen hätte", habe er sich mit monatlichen Akontozahlungen beholfen. Wie jedoch die Summierung der geforderten Lohnsteuerbeträge inklusive Dienstgeberbeiträge samt Zuschläge für die Jahre 1995 und 1996 zeige, finde der aufaddierte Betrag von S 529.158,-- in den Akontozahlungen Deckung, so dass die belangte Behörde zu Unrecht die Haftung für Lohnsteuer bestätigt habe. Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht aufgezeigt, weil der Beschwerdeführer das Vorliegen entsprechender Verrechnungsweisungen iSd § 214 Abs. 4 BAO weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet hat und deshalb die Zahlungen nach der Bestimmung des § 214 Abs. 1 BAO auf dem Fälligkeitstag nach ältere Abgabenschulden zu verrechnen waren. Der beantragten Vernehmung des Steuerberaters zur Frage, zu welchem Zweck die ohne Verrechnungsanweisung geleisteten Akontozahlungen hätten verwendet werden sollen, bedurfte es daher nicht.

Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die Berechnung der Umsatzsteuer für Mai 1996 mit der Begründung, darin sei ein "gescheiterter" Auftrag im Volumen vom S 439.153,16 enthalten. Die belangte Behörde hat die Auseinandersetzung mit diesem schon im Verwaltungsverfahren gemachten Vorbringen mit der Begründung abgelehnt, die Höhe des Abgabenanspruches sei nicht im Haftungsverfahren sondern im Abgabenverfahren der GmbH zu klären.

Wie der Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, sind Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit einer dem Primärschuldner bescheidmäßig vorgeschriebenen Abgabe nicht im Haftungsverfahren, sondern durch eine - dem Haftenden gemäß § 248 BAO ermöglichte Berufung gegen den Abgabenbescheid - geltend zu machen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, 96/15/0104). Aus § 248 leg.cit. ergibt sich weiters, dass der zur Haftung Herangezogene jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können muss. In seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, 94/14/0148, hat der Verwaltungsgerichtshof dazu Folgendes ausgeführt:

"Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Diese Beurteilung kann mit Berufung und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden, womit dem zur Haftung Herangezogenen der Rechtsschutz gewahrt bleibt."

Im Fall dieses Erkenntnisses vom 17. Dezember 1996 scheiterte die Erlassung eines an den Primärschuldner gerichteten Leistungsgebotes daran, dass dieser (ein aufgelöster Verein) rechtlich nicht mehr existent war. Die Besonderheit des Beschwerdefalles besteht nun darin, dass es sich nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides bei der Umsatzsteuer des Jahres 1996 um selbst berechnete "bisher nicht festgesetzte" Vorauszahlungen gehandelt hat, ein anfechtbarer Bescheid daher gar nicht vorlag. Dass das Finanzamt das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Unrichtigkeit der Selbstberechnung zum Anlass einer Bescheiderlassung (etwa gemäß § 21 Abs. 3 UStG 1994) genommen hat, kann dem angefochtenen Bescheid gleichfalls nicht entnommen werden. Solcherart durfte die belangte Behörde den Beschwerdeführer aber nicht auf das Abgabenverfahren der GmbH verweisen.

Ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsansicht, Einwendungen gegen den Abgabenanspruch seien keinesfalls im Haftungsverfahren zu behandeln, hat sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinander gesetzt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im Umfang seines Abspruches über die Haftung für Umsatzsteuer 1996 - eine Aufgliederung nach einzelnen Voranmeldungszeiträumen enthält der Bescheid nicht - aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Oktober 2001

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