VwGH 98/08/0152

VwGH98/08/015220.6.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Dr. M in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. April 1998, Zl. MA 15-II-Z 5/98, betreffend Angehörigeneigenschaft des Dr. K gem. § 123 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1103 Wien) zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §123 Abs9;
FSVG §2;
VwRallg;
ASVG §123 Abs9;
FSVG §2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Spruchpunkt 1 - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und bezogen auf den Zeitraum seit 1. Jänner 1998 - festgestellt, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin (ein Rechtsanwalt) nicht anspruchsberechtigter Angehöriger der Beschwerdeführerin iS des § 123 ASVG sei, weil iS des § 123 Abs. 9 lit. a ASVG Angehöriger einer der in § 2 Abs. 1 FSVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 624/1978 genannten Berufsgruppen sei. Dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Umstand, dass Rechtsanwälte in der Bestimmung des § 2 FSVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 139/1997 seit 1. Jänner 1998 nicht mehr genannt seien, hielt die belangte Behörde entgegen, dass § 123 Abs. 9 lit. a ASVG eine statische Verweisung auf § 2 FSVG enthalte, sodass im Rahmen dieser Verweisung die seinerzeitige und nicht die jeweils aktuelle Fassung dieser Bestimmung anzuwenden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmung des § 123 Abs. 9 ASVG geht auf die 36. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 282/1981, zurück. Im Zuge der angestrebten Gleichstellung der Geschlechter in Bezug auf sozialversicherungsrechtliche Ansprüche sollte einerseits - im Gegensatz zur Rechtslage vor der 36. Novelle - künftig nicht nur die Ehegattin als Angehörige in der Krankenversicherung gelten können, sondern eine geschlechtsneutrale Regelung erfolgen. Die Regierungsvorlage vom 29. April 1981 (671 BlgNR XV. GP, 1) sah in Art. I Z. 6 eine Änderung des § 123 Abs. 2 Z. 1 ASVG dahin vor, dass "der nicht erwerbstätige Ehegatte" als Angehöriger im Sinn dieser Gesetzesstelle gelten sollte. Die Erläuterungen (a.a.O., 13) führen dazu aus, dass nur dort, wo der Ehegatte selbst erwerbstätig sei - auch wenn diese Erwerbstätigkeit keine Krankenversicherung begründe - ein über den Ehegatten abgeleiteter Leistungsanspruch nicht gerechtfertigt erscheine. Diese Lösung könne dazu führen, dass die Ehegattin eines Versicherten, die derzeit als Angehörige in der Krankenversicherung gelte, künftig diese Eigenschaft verliere, wobei auf die Schutzbestimmung des Art. II Abs. 2 der Regierungsvorlage für Übergangsfälle hingewiesen wurde. In diesen Fällen - so setzen die Erläuterungen fort - werde der zwar erwerbstätige, aber nicht pflichtversicherte Eheteil die Möglichkeit der Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 ASVG haben.

Im Sozialausschuss (vgl. den Ausschussbericht 733 BlgNR XV. GP) wurde die Regierungsvorlage insoweit verändert, als im § 123 Abs. 2 Z. 1 nur "der Ehegatte" als Angehöriger bezeichnet wurde, an Stelle der Einschränkung "nicht erwerbstätig" jedoch dem § 123 ein Abs. 9 angefügt wurde, der wie folgt lautete:

"(9) Die in Abs. 2 Z. 1 wie Abs. 7 und 8 genannten Personen gelten nur als Angehörige, wenn sie kein Erwerbseinkommen bzw. keine Einkünfte aus Pensionen oder aus Ruhe (Versorgungs)genüssen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft beziehen; Erwerbseinkommen bzw. Einkünfte unter den in § 5 Abs. 2 genannten jeweils geltenden Beträgen sowie Erwerbseinkommen aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb haben hiebei außer Betracht zu bleiben."

Erkennbares Ziel der Neuregelung der Angehörigeneigenschaft durch die 36. Novelle zum ASVG (und daran hat auch die vom Sozialausschuss beschlossene Änderung gegenüber der Regierungsvorlage nichts geändert), war somit, jene Angehörigen, die über ein ausreichendes Erwerbseinkommen verfügen, nicht in den Genuss der unentgeltlichen Mitversicherung in der Krankenversicherung kommen zu lassen, sondern auf die beitragspflichtige Selbstversicherung in der Krankenversicherung im Sinne des § 16 ASVG zu verweisen.

Diese am 1. Juni 1981 in Kraft getretene Regelung wurde bereits durch die 38. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 647/1982, mit Wirkung vom 1. Jänner 1983 - soweit es den Beschwerdesachverhalt betrifft - verändert. Nach der Regierungsvorlage vom 23. November 1982 (1310 BlgNR XV. GP) sollte in § 123 Abs. 9 ASVG der Begriff des Erwerbseinkommens umschrieben und als Geringfügigkeitsgrenze der jeweilige Richtsatz des Ausgleichszulagenrechts herangezogen werden. Die Erläuterungen betonen zunächst das Anliegen der 36. Novelle zum ASVG, nur jenen Angehörigen die - unentgeltliche - Mitversicherung in der Krankenversicherung zukommen zu lassen, die "sich nicht auf Grund eigener Einkünfte den Krankenversicherungsschutz verschaffen können". Bei der praktischen Anwendung des § 123 Abs. 9 ASVG i. d.F. der 36. Novelle zum ASVG hätten sich allerdings Probleme ergeben, die eine Neuregelung des Begriffes Erwerbseinkommen erforderlich machen. Auch in diesem Fall hat der Sozialausschuss in der Folge eine neue Formulierung gefunden, die - nach dem Ausschussbericht - "alle bisherigen administrativen Schwierigkeiten mit einem Schlag" beseitigen sollte, indem sie die beitragsfreie Angehörigenschaft nur in jenen Fällen ausschließt, in denen der Angehörige zum Personenkreis, der unter das FSVG fällt, zählt, und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe des Erwerbseinkommens der Betroffenen. Die Überlegungen, die zu der bisherigen Regelung des § 123 Abs. 9 ASVG geführt haben, sollten dabei voll aufrecht bleiben. Der Gesetzestext des § 123 Abs. 9 i. d.F. des Art. II Z. 1 der 38. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 647/1982, lautete:

"(9) Die im Abs. 2 Z. 1 ... genannten Personen gelten nur als Angehörige, soweit es sich nicht um Personen handelt, die in § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung freiberuflich selbstständig Erwerbstätiger, BGBl. Nr. 624/1978, angeführt sind."

Mit der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986, wurden den im § 2 Abs. 1 FSVG genannten erwerbstätigen Personen jene gleichgestellt, die nach dem FSVG eine Pension beziehen.

Mit der 49. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 294/1990, wurde der Kreis der von der Mitversicherung ausgeschlossenen Personen um die im § 4 Abs. 2 Z. 6 GSVG genannten Personen erweitert.

Das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 411/1996, erweiterte diesen Kreis um die Personen, die der Versicherungspflicht gemäß § 3 des Notarversicherungsgesetzes 1972 unterliegen oder eine Pension nach dem Notarversicherungsgesetz 1972 beziehen.

Einschließlich der Änderung durch das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 139/1979, lautet § 123 Abs. 9 zum hier relevanten Zeitpunkt am 1. Jänner 1998 wie folgt:

"(9) Eine im Abs. 2 Z. 1 sowie Abs. 7 und 8 genannte Person gilt nur als Angehöriger, soweit es sich nicht um eine Person handelt, die

a) im § 2 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung freiberuflich selbstständig Erwerbstätiger, BGBl. Nr. 624/1978, angeführt ist, oder

b) eine Pension nach dem in lit. a genannten Bundesgesetz bezieht, oder

c) zu den in § 4 Abs. 2 Z. 6 des gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes genannten Personen gehört, oder

d) der Versicherungspflicht gemäß § 3 des Notarversicherungsgesetzes 1972 unterliegt oder eine Pension nach dem Notarversicherungsgsetz 1972 bezieht."

Der seit der 38. Novelle zum ASVG im § 123 Abs. 9 genannte § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung freiberuflich selbstständig Erwerbstätiger, BGBl. Nr. 624/1978, lautet in dieser seiner Stammfassung wie folgt:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbstständig Erwerbstätigen pflichtversichert:

1. die ordentlichen Kammerangehörigen einer Ärztekammer, sofern sie freiberuflich tätig sind;

  1. 2. die Mitglieder der Rechtsanwaltskammern;
  2. 3. die Mitglieder der österreichischen Apothekerkammer in der Abteilung für selbstständige Apotheker;
  3. 4. die Mitglieder der Ingenieurkammern;
  4. 5. die Mitglieder der österreichischen Patentanwaltskammer;
  5. 6. die Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder."

    Mit der ersten Novelle zum freiberuflichen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 533/1979 wurde die Z. 4 dieser Bestimmung geändert.

    Mit der 10. Novelle zum FSVG, nach Artikel 9 Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 139/1997, wird der Personenkreis im § 2 Abs. 1 und 2 umschrieben und lauten diese Bestimmungen wie folgt:

"(1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Pensionsversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbstständig Erwerbstätigen pflichtversichert:

1. die Mitglieder der österreichischen Apothekerkammer in der Abteilung für selbstständige Apotheker;

2. die Mitglieder der österreichischen Patentanwaltskammer.

(2) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Unfall- und Pensionsversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbstständig Erwerbstätigen die ordentlichen Kammerangehörigen einer Ärztekammer, sofern sie freiberuflich tätig sind, pflichtversichert."

Diese Umschreibung des Personenkreises nunmehr in § 2 Abs. 1 und 2 FSVG führte im § 123 Abs. 9 lit. a ASVG zum Entfall des Ausdrucks "Abs. 1" (Z. 96 der 54. Novelle zum ASVG idF des ASRÄG 1997.

Zwischen den Parteien allein strittig und für die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache von allein ausschlaggebender Bedeutung ist die Frage, ob die Verweisung auf § 2 FSVG in § 123 Abs. 9 ASVG statisch oder dynamisch zu deuten ist.

Der belangten Behörde ist in der Beurteilung dieser Verweisung als einer statischen im Ergebnis Recht zu geben:

Die oben dargestellte Entstehungsgeschichte des § 123 Abs. 9 ASVG zeigt, dass sich diese Verweisung im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Normierung durch die 38. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 647/1982, nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nur auf die Stammfassung des FSVG, BGBl. Nr. 624/1978, bezogen hat, obwohl die verwiesene Bestimmung des § 2 FSVG schon zum damaligen Zeitpunkt in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 533/1979 in Geltung gestanden ist. Wird aber in einer Verweisung nicht auf die gerade geltende, sondern auf eine frühere, durch eine später, zeitlich aber deutlich vor dem Zeitpunkt der Erlassung der Verweisungsnorm liegende Novelle geänderte Fassung einer Bestimmung eines anderen Gesetzes verwiesen, so ist eine solche Verweisung im Zweifel als eine statische Verweisung auf jene frühere Fassung des verwiesenen Gesetzes zu verstehen, die in der Verweisungsnorm ausdrücklich bezeichnet ist.

Eine solche Deutung der Norm ist vorliegendenfalls - vor dem Hintergrund der Absicht des Gesetzgebers, wie sie aus den wiedergegebenen Materialien hervorgeht - auch die naheliegende; es kam dem Gesetzgeber nämlich nicht darauf an, an eine bestimmte (jeweilige) Rechtslage nach dem FSVG anzuknüpfen: die Verweisung diente ausschließlich zur Bezeichnung von Berufsgruppen freiberuflich Erwerbstätiger, die nicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterlagen, im Hinblick auf ihre anzunehmende wirtschaftliche Lage aber - nach Einschätzung des Gesetzgebers - in der Lage sein würden, sich bei Bedarf in der Krankenversicherung selbst zu versichern und die daher von der beitragsfreien Mitversicherung des § 123 ASVG ausgeschlossen werden sollten. Es konnte dem Gesetzgeber aus der Sicht der Verweisung des § 123 Abs. 9 ASVG idF der 38. Novelle zum ASVG und der dieser Bestimmung zugrundeliegenden sozialpolitischen Beurteilung daher hinsichtlich der möglichen Auswirkungen eines solchen Vorganges auf den Inhalt des § 123 Abs. 9 ASVG nicht gleichgültig sein, ob und welche andere Berufsgruppen allenfalls künftig aus dem Personenkreis des § 2 FSVG ausgeschieden werden, bzw welche allenfalls in diesen einbezogen werden würden.

Der am 1. Jänner 1992 mit der 50. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 676/1991, in Kraft getretene § 544 ASVG hat am Inhalt der statischen Verweisung des § 123 Abs. 9 ASVG nichts geändert, insbesondere nicht etwa bewirkt, dass diese statische Verweisung nunmehr in eine dynamische Verweisung verwandelt worden wäre.

Die belangte Behörde ist daher schon aus diesen Erwägungen zurecht davon ausgegangen, dass die Änderungen des § 2 FSVG, welche dieser durch das ASRÄG 1997 per 1. Jänner 1998 erfahren hat, auf die Verweisungsnorm des § 123 Abs. 9 ASVG keine Auswirkungen entfaltet haben.

Die Beschwerde war daher gem. § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenbegehren einer nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Partei bezüglich des Schriftsatzaufwandes ist gem § 49 Abs. 1 VwGG idF 1997/I/088, der schon aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen auch auf den in § 49 Abs. 1 erster Satz VwGG genannten Fall des § 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG zu beziehen ist, abzuweisen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 96/08/0269).

Wien, am 20. Juni 2001

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