VwGH 98/03/0324

VwGH98/03/032422.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des W in Wien, vertreten durch Dr. Stefan Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. Jänner 1998, Zl. MA 63- H 583/97, betreffend Ausstellung eines Duplikates des Taxilenkerausweises, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs2;
BetriebsO 1994 §14;
AVG §68 Abs2;
BetriebsO 1994 §14;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. April 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 25. Feber 1997 auf Ausstellung eines Duplikates des Taxilenkerausweises gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr, BGBl. Nr. 951/1993, in der Fassung BGBl. Nr. 1028/1994, abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. Jänner 1998 wurde der erstinstanzliche Bescheid "auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung" insofern abgeändert, als der Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Die belangte Behörde führte zur Begründung ihrer Entscheidung im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 25. Feber 1997 die Ausstellung eines Duplikates eines Taxilenkerausweises beantragt habe, welcher ihm gestohlen worden sei. Die Ausstellung eines Duplikates des Taxilenkerausweises setze das Bestehen des Rechts zum Lenken von Taxifahrzeugen voraus. Im Rahmen des Berufungsverfahrens sei festgestellt worden, dass mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. Juni 1991 die Entziehung der dem Beschwerdeführer am 12. März 1965 erteilten Lenkerberechtigung für die Gruppe B gemäß § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 verfügt worden sei, welcher Bescheid durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt worden sei. Dem Beschwerdeführer sei somit rechtskräftig die Lenkerberechtigung entzogen worden, was gemäß den Bestimmungen der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr zur Folge habe, dass der Taxilenkerausweis ungültig geworden, das heißt die Berechtigung des Beschwerdeführers zum Lenken von Taxis ex lege erloschen sei. An dieser Beurteilung vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass mit Bescheid vom 9. Juli 1997 der Bescheid vom 12. Juni 1991 gemäß § 68 Abs. 2 AVG behoben worden sei, weil diese Behebung nach § 68 Abs. 2 AVG ex nunc und nicht ex tunc wirke. Es fehle daher an den Voraussetzungen für die Ausstellung eines Duplikates des Taxilenkerausweises, weshalb der Erstbescheid dahin abzuändern gewesen sei, dass der Antrag zurückzuweisen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr - BO 1994 wird der Taxilenkerausweis ungültig und muss bei der Behörde abgeliefert werden, wenn dem Besitzer die Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entzogen wird. Der belangten Behörde ist daher zunächst zuzugestehen, dass durch eine rechtskräftige Entziehung der Lenkerberechtigung (Lenkberechtigung) der Taxilenkerausweis ungültig wird und damit die Berechtigung des Taxilenkers zum Lenken von Taxifahrzeugen erloschen ist.

Unbestritten ist - die belangte Behörde nimmt im angefochtenen Bescheid sogar selbst darauf Bezug -, dass der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. Juni 1991, mit welchem die dem Beschwerdeführer am 12. März 1965 erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 entzogen worden war, mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Juli 1997 gemäß § 68 Abs. 2 AVG (wegen eines Zustellmangels) behoben wurde. Der nunmehr angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 28. Jänner 1998 wurde dem Beschwerdeführer (nach einem diesbezüglichen Aktenvermerk im Verwaltungsakt) am 25. März 1998 zugestellt und damit erlassen. Dies bedeutet, dass der von der belangten Behörde als Grundlage der vorliegenden Entscheidung herangezogene Bescheid betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung zum Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides nicht mehr existent war.

Derart hat die belangte Behörde jedoch die Rechtslage verkannt: Es trifft zwar zu, dass die Abänderung oder Aufhebung eines Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG nicht zurück wirkt, sondern ex nunc (vgl. etwa Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, Rz 659, Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 617, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0199, u.a.).

Die Wirkung der Aufhebung des Bescheides, mit dem ein Recht entzogen wurde, besteht jedoch darin, dass ab der Wirksamkeit des Aufhebungsbescheides die Rechtslage wiederhergestellt wird, wie sie vor Erlassung des - aufgehobenen - Bescheides bestanden hat. Dies betrifft im Beschwerdefall auch die an die Entziehung der Lenkerberechtigung geknüpften Rechtswirkungen nach § 14 BO 1994; diese sind mit Wirksamwerden des Aufhebungsbescheides jedenfalls außer Kraft getreten. Ein anderes Ergebnis würde dem mit § 68 Abs. 2 AVG verfolgten Zweck widerstreiten.

Die belangte Behörde hat auf dem Boden dieser Rechtslage die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG nicht berücksichtigt, wonach sie, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden hat, was ihre Verpflichtung miteinschließt, auch Änderungen der Sach- und Rechtslage, welche erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetreten oder hervorgekommen sind, in der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen (vgl. auch das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1997, Slg. Nr. 9315/A). Dies bedeutet, dass die Berufungsbehörde aus Anlass der Berufung die Sache ebenso wie die Unterbehörde nach allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten neu zu überprüfen und sodann ihre Entscheidung zu fällen hat, ohne auf jene Gesichtspunkte beschränkt zu sein, die in der Berufung vorgebracht wurden (vgl. die in Hauer/Leukauf a.a.O. auf Seiten 579 ff angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Da die belangte Behörde somit verpflichtet war, auf die seit der Einbringung der Berufung eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage inhaltlich Bedacht zu nehmen, hätte sie - auch ausgehend von ihrer Rechtsauffassung, dass eine Aufhebung gemäß § 68 Abs. 2 AVG ex nunc wirke - berücksichtigen müssen, dass die als rechtliche Grundlage ihres Bescheides herangezogene seinerzeitige Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers samt den Rechtsfolgen nach § 14 BO 1994 durch den Aufhebungsbescheid vom 9. Juli 1997 bereits beseitigt war.

Damit erweist sich die Rechtsauffassung der belangten Behörde als verfehlt und der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer im Rahmen der ihm gewährten Verfahrenshilfe von der Entrichtung der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG befreit war.

Wien, am 22. März 2001

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