Normen
FrG 1993 §28 Abs3;
FrG 1993 §30 Abs2;
FürsorgeAbk BRD 1969 Jugendwohlfahrtspflege Art8 Abs1;
FürsorgeAbk BRD 1969 Jugendwohlfahrtspflege Art9;
FrG 1993 §28 Abs3;
FrG 1993 §30 Abs2;
FürsorgeAbk BRD 1969 Jugendwohlfahrtspflege Art8 Abs1;
FürsorgeAbk BRD 1969 Jugendwohlfahrtspflege Art9;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg (belangte Behörde) vom 19. Juni 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines deutschen Staatsbürgers, auf Ausstellung eines Lichtbildausweises für Fremde (EWR-Bürger) gemäß § 28 Abs. 3 i. V.m. § 30 Abs. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich der Beschwerdeführer seit dem 2. Oktober 1995 in Salzburg aufhalte. Auf Grund einer Verpflichtungserklärung einer österreichischen Staatsbürgerin sei ihm von der belangten Behörde am 18. Oktober 1995 ein Lichtbildausweis für Fremde gemäß § 64 i.V.m. § 30 FrG, befristet bis zum 18. April 1996, und neuerlich am 18. April 1996 ein solcher bis zum 16. Oktober 1996 ausgestellt worden. Seit seiner Einreise im Jahr 1995 könne der Beschwerdeführer keine geregelte Arbeitstätigkeit nachweisen, es lägen der belangten Behörde lediglich zwei Verpflichtungserklärungen vor, und zudem habe er beim Sozialamt des Magistrates der Landeshauptstadt Salzburg einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe gestellt. Somit sei eindeutig erwiesen, dass der Beschwerdeführer nicht den Besitz ausreichender eigener Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nachweisen könne, keiner selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehe und sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des FrG lauten:
"§ 28. ...
(2) EWR-Bürger brauchen zur Einreise und zum Aufenthalt keinen Sichtvermerk.
(3) EWR-Bürger sind zum Aufenthalt im Bundesgebiet
berechtigt. EWR-Bürger, die nicht über ausreichende eigene Mittel
zu ihrem Unterhalt oder über keine Krankenversicherung verfügen,
die alle Risken abdeckt, sind nur zum Aufenthalt berechtigt, wenn
sie der Behörde
1. eine Einstellungserklärung ihres Arbeitgebers oder
eine Arbeitsbescheinigung vorlegen können oder
2. nachweisen können, dass sie eine selbstständige
Erwerbstätigkeit ausüben oder
3. nachweisen können, dass sie innerhalb eines
Zeitraumes von sechs Monaten nach der Einreise begründete Aussicht
auf Aufnahme einer Erwerbstätigkeit haben oder
4. nachweisen können, dass ihnen als
Familienangehöriger eines zum Aufenthalt berechtigten EWR-Bürgers Unterhalt gewährt wird.
...
§ 30. (1) EWR-Bürger, die sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten oder von einem Wohnsitz in Österreich aus einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollen, haben innerhalb von drei Monaten nach der Einreise die Ausstellung eines Lichtbildausweises für Fremde (§ 64) zu beantragen.
(2) Der Lichtbildausweis ist zum Aufenthalt berechtigten EWR-Bürgern auszustellen. Die Gültigkeitsdauer des Ausweises ist jeweils mit fünf Jahren, in den Fällen der beabsichtigten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den EWR-Bürger (§ 28 Abs. 3 Z 3) jedoch mit sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Einreise zu befristen.
... "
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er sich vom 2. Oktober 1995 bis zum 16. Oktober 1996, also mehr als ein Jahr erlaubt in Österreich aufgehalten habe. In dieser Zeit habe er weder ganz noch teilweise aus Mitteln der Fürsorge seinen Unterhalt bestritten. Er wohne bei einer österreichischen Staatsbürgerin, der er bei Hausarbeiten, Einkäufen, Reinigungsarbeiten, beim Kochen und bei Arztbesuchen helfe. Dadurch habe seine Obdachlosigkeit verhindert werden können. Würde er Österreich verlassen müssen, so müsse er damit rechnen, obdachlos zu werden und zu verelenden. Durch die Zuwendung der angeführten österreichischen Staatsbürgerin werde er weiterhin psychisch so sehr unterstützt, dass er immer wieder Arbeiten auf dem Arbeitsmarkt finde, obwohl er auf Grund der schwierigen Arbeitsmarktsituation diese Arbeitsstellen immer wieder verliere. Er sei weder alkoholkrank noch habe er stationäre Aufenthalte in der Landesnervenklinik oder im Krankenhaus aufzuweisen.
Der Beschwerdeführer meint weiter, der angefochtene Bescheid sei im Lichte des Art. 8 Abs. 1 zweiter Satz des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege, BGBl. Nr. 258/1969, rechtswidrig; nach dieser Bestimmung sei eine Aufenthaltsversagung unzulässig, wenn sie der Menschlichkeit widerspreche. Ihm sei mit Bescheid vom 21. April 1997 die Gewährung von Sozialhilfe zuerkannt worden.
Art. 8 und 9 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege vom 17. Jänner 1966, BGBl. Nr. 258/1969, lauten:
"Artikel 8
(1) Der Aufenthaltsstaat darf einem Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei nicht allein aus dem Grunde der Hilfsbedürftigkeit den weiteren Aufenthalt versagen oder ihn rückschaffen, es sei denn, dass er sich noch nicht ein Jahr ununterbrochen erlaubt in seinem Hoheitsgebiet aufhält. Sprechen Gründe der Menschlichkeit gegen eine solche Maßnahme, so hat sie ohne Rücksicht auf die Dauer der Anwesenheit im Aufenthaltsstaat zu unterbleiben.
(2) Die Vorschriften dieses Abkommens stehen in keiner Weise dem Recht zur Ausweisung aus einem anderen als dem im vorstehenden Absatz erwähnten Grunde entgegen.
Artikel 9
(1) Als Aufenthalt gilt auch der Dienst auf Schiffen, die im Schiffsregister des Aufenthaltsstaates eingetragen sind.
(2) Der Aufenthalt im Sinne des Artikels 8 Absatz 1 gilt bei Abwesenheit bis zur Dauer eines Monates nicht als unterbrochen.
(3) Bei Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Artikel 8 Absatz 1 werden Zeiträume, in denen der Lebensunterhalt ganz oder teilweise aus Mitteln der Fürsorge des Aufenthaltsstaates gewährt worden ist, nicht berücksichtigt."
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet mit der Begründung verneint, dass er nicht den Besitz ausreichender eigener Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nachweisen könne und keiner selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehe. Damit hat sie die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Grunde des § 28 Abs. 3 zweiter Satz FrG verneint. Dabei verkannte sie jedoch insofern die Rechtslage, als bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 des angeführten Abkommens der - weitere - Aufenthalt eines deutschen Staatsangehörigen in Österreich nicht versagt werden darf und somit im Sinne des § 30 Abs. 2 erster Satz FrG iVm § 28 Abs. 3 erster Satz FrG als rechtmäßig anzusehen ist. Ob die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 des angeführten Abkommens im Falle des Beschwerdeführers erfüllt sind, wurde von der belangten Behörde nicht geprüft.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Oktober 2001
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