VwGH 97/08/0078

VwGH97/08/00784.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde 1. des F in S und

2. der C, ebendort, beide vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwälte in 1130 Wien, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 31. Jänner 1996, Zl. SV(SanR)-723/9-1996-Ru/Ma, betreffend Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen und Vorschreibung von Beitragszuschlägen nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Normen

ArbVG §2 Abs2 Z2;
ASVG §434 Abs1 idF 1994/020;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §539;
AVG §1;
AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §66 Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
KollV Arbeiter Fleischergewerbe;
KollV Arbeiter Hotelgewerbe Gastgewerbe;
VwRallg;
ArbVG §2 Abs2 Z2;
ASVG §434 Abs1 idF 1994/020;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §539;
AVG §1;
AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §66 Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
KollV Arbeiter Fleischergewerbe;
KollV Arbeiter Hotelgewerbe Gastgewerbe;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer betreiben in S. gemeinsam ein Gasthaus, eine Fleischhauerei und einen Campingplatz. Nach Vorliegen der Ergebnisse einer im Jahre 1994 vorgenommenen Beitragsprüfung über einen Prüfzeitraum von Jänner 1990 bis August 1994 verpflichtete der mitbeteiligte Sozialversicherungsträger mit (Ersatz)bescheid vom 22. Mai 1995 (ein erster Bescheid vom 10. Jänner 1995 war über Einspruch der Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Bescheid vom 23. März 1995 aufgehoben worden) die beschwerdeführenden Parteien als Dienstgeber, "für die in der mitfolgenden Beitragsrechnung (13 Blätter) namentlich angeführten Versicherten und bezeichneten Zeiträume" allgemeine Beiträge in Höhe von S 206.377,20 und Sonderbeiträge in Höhe von S 22.807,60 zu entrichten und einen Beitragszuschlag von S 57.600,-- zu bezahlen.

Nach der - auf weiteren drei Beilagen aufbauenden - Bescheidbegründung resultierten die Beitragsnachforderungen im Wesentlichen aus dem Umstand, dass Abrechnungen nicht dem anzuwendenden Kollektivvertrag für das österreichische Hotel- und Gastgewerbe sowie für das Fleischergewerbe entsprächen, und zwar wegen der Zugrundelegung zu niedriger Trinkgelder sowie zu niedrig angesetzter Feiertagszuschläge, Urlaubsentgelte bzw. Sonderzahlungen. Die Vorschreibung des Beitragszuschlages wurde auf die Verletzung von Meldevorschriften gestützt.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen, nicht im Akt erliegenden Einspruch vom 25. Juli 1995 wandten sich die Beschwerdeführer (nach der Darstellung des Verwaltungsgeschehens im hier angefochtenen Bescheid) im Wesentlichen gegen die Einstufung der (nach dem Kollektivvertrag mit einem Entgelt in der Höhe der Lehrlingsentschädigung für das dritte Lehrjahr zu entlohnenden) Ferialpraktikanten als kollektivvertraglich gemäß ihrer tatsächlichen Verwendung zu entlohnende Dienstnehmer, gegen eine auf der Nichtberücksichtigung von "Bedienungsprozenten" bei der Dienstnehmerin Klaudia L. beruhende Berichtigung der ebenfalls auf den "Bedienungsprozenten" beruhenden Abrechnung bei anderen Servierkräften, gegen die (angeblich vereinbarte) Nachverrechnung aufgrund einer Trinkgeldpauschale, gegen eine Neuberechnung des Urlaubsentgelts bei den Dienstnehmern Josef P. und Ljubica S., gegen die Nachverrechnung von Sonderbeiträgen sowie gegen die Festsetzung des Beitragszuschlages. Überdies sei die Beitragsvorschreibung verjährt, weil der Sachverhalt zwei Jahre zurückliege.

In ihren Stellungnahmen vom 12. September 1995 und vom 30. Oktober 1995 zu diesem Einspruch vertritt die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Auffassung, dass die im Betrieb der Beschwerdeführer tätigen "Ferialpraktikanten" nicht als solche zu klassifizieren seien. Im Gastgewerbe sei es generell kaum vorstellbar, dass echte Ferialpraktikantenverhältnisse bestünden. Die "Ferialpraktikanten" seien jeweils als Servierhilfen, Kellner, Ladner, Zahlkellner und Küchengehilfen im Einsatz gewesen. Deren Entlohnung sei über der kollektivvertraglich vorgesehenen gelegen, was gegen eine bloße Gestattung einer Tätigkeit im Betrieb zu Ausbildungszwecken spreche. Es habe sich daher in Wahrheit um "Ferialarbeiter" gehandelt, die entsprechend ihrer Verwendung kollektivvertragsgemäß zu entlohnen gewesen wären.

Zur Dienstnehmerin Klaudia L. führte die mitbeteiligte Partei aus, diese sei nicht wie ein Lehrling, sondern wie eine Dienstnehmerin mit abgeschlossener Lehrzeit entlohnt worden. Daher hätte (i.S. der zu Ziffer 7 des Kollektivvertrages ergangenen Lohntabelle) nicht der Gesamtverdienst, sondern bloß die Lehrlingsentschädigung des dritten Lehrjahres den Umsatzprozenten (bzw. "Bedienungsprozenten"; lt. Kollektivvertrag "Bedienungszuschläge") entnommen werden dürfen. Die bewusst unrichtige Abrechnungsweise habe dazu geführt, dass "für alle tatsächlich am Umsatz zu beteilenden Arbeitnehmer ein kollektivvertraglicher Anspruch in zu geringer Höhe entstand", sodass eine "Umverteilung der Umsatzprozente" und eine entsprechende Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen habe vorgenommen werden müssen.

Über die Trinkgeld-Nachverrechnung habe zum Zeitpunkt der Schlussbesprechung zur Beitragsprüfung am 13. Dezember 1994 folgendes Einvernehmen bestanden:

"Die der Beitragsbemessung zugrunde zu legende Höhe der Trinkgelder entspricht 6% des Bruttolohnes bei Dienstnehmern mit Inkasso und 4% des Bruttolohnes bei Dienstnehmern ohne Inkasso."

Mit dieser Vereinbarung sei dem Umstand Rechnung getragen worden, dass der Gasthof der Beschwerdeführer ab 1990 zu einem Seminarhotel umgestaltet worden sei. Ab Juli 1994 bestehe eine Trinkgeld-Pauschalregelung gemäß § 44 Abs. 3 ASVG.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch der Beschwerdeführer keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich - nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 1996, B 913/96-7, und Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof - die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Nach Ergänzung der Beschwerde erstatteten die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Gegenschriften, in denen sie die (kostenpflichtige) Abweisung der Beschwerde beantragen. Die Beschwerdeführer brachten daraufhin noch eine Replik und eine ergänzende Stellungnahme ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem "Recht auf den gesetzlichen Richter" dadurch verletzt, dass der erstinstanzliche Bescheid nicht von einem befugten Organwalter, dessen "Beauftragung" nachgewiesen worden wäre, unterfertigt worden sei. Die bloße Berechtigung des den Bescheid Genehmigenden reiche nicht aus, weil es einer Beauftragung bedürfte. Die belangte Behörde habe daher "über einen Nichtbescheid" entschieden.

Der erkennende Senat erblickt in dem solcherart umschriebenen Beschwerdepunkt (auch) eine (zulässige) Geltendmachung der Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über den Einspruch gegen einen "Nichtbescheid".

Mit dieser Auffassung sind die Beschwerdeführer nicht im Recht.

Nach § 434 Abs. 1 ASVG in der ab 1. Jänner 1994 anzuwendenden, die Bestimmung des § 436 ASVG (im Wesentlichen ohne Veränderungen) ersetzenden Fassung der 52. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 20/1994, führt der Vorstand die Geschäfte des mitbeteiligten Sozialversicherungsträgers. Ihm obliegt im Rahmen einer Generalbefugnis auch die Vertretung des Sozialversicherungsträgers und damit die Genehmigung einer Erledigung i.S. des § 357 Abs. 1 ASVG i.V.m. § 18 Abs. 2 AVG sowie insbesondere die schriftliche Ausfertigung eines Bescheides gemäß § 18 Abs. 4 AVG. Der Vorstand ist aber nach § 434 Abs. 1 zweiter Satz ASVG unbeschadet seiner Verantwortlichkeit befugt, einzelne seiner Obliegenheiten dem Obmann bzw. dem Vorsitzenden eines Landesstellenausschusses und die Besorgung bestimmter laufender Angelegenheiten dem Büro des Versicherungsträgers zu übertragen. Eine solche Übertragung an die Geschäftsstelle der Kasse liegt nach den im Verwaltungsverfahren unbestrittenen Angaben des mitbeteiligten Sozialversicherungsträgers nach § 2 seiner Satzung nach dem Stande vom 1. März 1995 hinsichtlich der Überwachung der Versicherungs- und Meldepflicht und hinsichtlich der Feststellung der Beitragspflicht und der Beitragshöhe vor. Zur Form rechtsverbindlicher Akte bestimmt § 9 Abs. 4 der genannten, von den Beschwerdeführern auszugsweise vorgelegten Satzung, dass schriftliche Ausfertigungen der Kasse in allen Angelegenheiten, in denen der Vorstand die Besorgung bestimmter laufender Angelegenheiten dem Büro der Kasse übertragen hat, zu ihrer Rechtsverbindlichkeit vom leitenden Angestellten oder einem von diesem beauftragten anderen Angestellten unterzeichnet sein müssen. Der Leiter des Büros ist wie jeder Vorstand einer monokratischen Behörde berechtigt, Befugnisse an ihm untergebene Bedienstete zu delegieren, die sie nach seinen allgemeinen oder besonderen Weisungen auszuüben haben. Die Regelung der Approbation ist eine Angelegenheit der inneren Organisation; die Zuständigkeit und damit das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird dadurch nicht berührt (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 1988, 88/18/0015 m.w.N.). Die Erteilung der Approbationsbefugnis innerhalb eines Organs ist grundsätzlich an keine Form gebunden, sie kann daher - wie nach dem Vorbringen der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt im vorliegenden Fall - auch mündlich erfolgen und es muss dem Außenstehenden - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführer, die einen ausdrücklichen Nachweis der Delegierung vermissen - auch nicht bekannt gemacht werden, aufgrund welcher Umstände der die Erledigung gemäß § 18 Abs. 4 AVG Genehmigende zu dieser Genehmigung befugt war (vgl. hiezu Moritz, Approbationsbefugnis, äußerer Tatbestand und Bescheidcharakter, ÖJZ 1991, 329). Aus einem Auszug einer Beschreibung der inneren Organisation und der jeweils zuständigen Mitarbeiter des Büros der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt, der der Satzung angeschlossen war, ergibt sich die Zugehörigkeit des den erstinstanzlichen Bescheid genehmigenden Sachbearbeiters Mag. D. zur Geschäftsstelle des mitbeteiligten Sozialversicherungsträgers.

Umstände, die daran zweifeln ließen, dass Mag. D. nicht die für eine Bescheiderlassung erforderliche Ermächtigung durch den Leiter der Geschäftsstelle besessen hätte, sind von den Beschwerdeführern nicht behauptet worden und auch sonst nicht hervorgekommen. Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Berechtigung des Mag. D. sei "im strengen Wortsinn keine Beauftragung" und daraus unter Heranziehung eines Vergleichs mit den Befugnissen eines bevollmächtigten, aber nicht beauftragten Rechtsanwalts folgern, die mitbeteiligte Partei hätte eine solche Beauftragung nachweisen müssen, ist sie auf die obigen Ausführungen sowie darauf zu verweisen, dass der Organwalter zwar mit disziplinären oder strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätte (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 27. Mai 1988), wenn er - wofür nicht der geringste Anhaltspunkt besteht - gegen Weisungen bzw. Aufträge verstoßen hätte, der rechtliche Bestand des erstinstanzlichen Bescheides davon aber grundsätzlich nicht berührt wäre.

Besitzt aber ein Organwalter zumindest eine Approbationsbefugnis für einen bestimmten Bereich, so wäre auch bei einer Überschreitung ein entsprechend gefertigtes Schriftstück der Behörde zuzurechnen, der der approbationsbefugte Organwalter zugehört, gleichgültig für welchen Kompetenzbereich die Approbationsbefugnis ursprünglich erteilt wurde (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 1988, 87/17/0245, 0246, m.w.N.; zur ausschließlichen Maßgeblichkeit der Möglichkeit der Zurechnung der Bescheiderlassung zum zuständigen Organ vgl. auch die Erkenntnisse vom 11. Juni 2000, 98/08/0351, und vom 18. Oktober 2000, 98/08/0340).

2. Die Beschwerdeführer werfen der belangten Behörde sodann vor, kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben. Im "vorgängigen Berufungsbescheid" sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt eine mündliche Verhandlung durchführen müsse. Dies sei unterblieben, obwohl die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG an diesen Ausspruch gebunden gewesen wären und Artikel 6 EMRK eine Verhandlung zwingend vorschreibe.

Auch hier irren die beschwerdeführenden Parteien.

Die belangte Behörde hat im ersten Verwaltungsrechtsgang den angefochtenen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 23. März 1995 gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben. Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unwidersprochen ausführte, strebte sie eine Behebung des früheren Bescheides nicht deshalb an, weil das erstinstanzliche Verfahren aufgrund unzureichender Erhebungen mangelhaft gewesen wäre, sondern weil

"die nunmehr einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bildenden Beitragsrechnungen in diesen seinerzeitigen Bescheid nicht integriert waren. Eine andere gesetzliche Möglichkeit zur Behebung eines Bescheides als gemäß § 66 Abs. 2 AVG steht der Spruchbehörde nicht zur Verfügung."

Zwar sind die Verwaltungsbehörden an einen verfahrensrechtlichen Bescheid der Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 2 AVG im weiteren Verfahren - neben der Bindung an die geäußerte Rechtsansicht - auch in dem Sinne gebunden, dass die am bisherigen Verfahren Beteiligten und Parteien - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - einen subjektiven Rechtsanspruch auf die Einhaltung der erteilten Verfahrensaufträge haben (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 394ff). Dies gilt jedoch jedenfalls dann nicht, wenn der von der Berufungsbehörde angenommene Verfahrensmangel im fortgesetzten Verfahren saniert worden ist und geeignete Angaben darüber, welche Verfahrensmängel durch die Durchführung einer Verhandlung hätten vermieden werden können, nicht vorliegen. Ein Verstoß gegen eine Bindungs- bzw. Selbstbindungswirkung des aufhebenden Bescheides, der den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belasten würde, ist in dieser Vorgangsweise nicht zu erblicken (vgl. das ebenfalls auf das Fehlen von geeigneten Ausführungen über Verfahrensmängel im Aufhebungsbescheid abstellende Erkenntnis vom 31. Jänner 1984, Slg. 11.313/A).

3. Zu den Ferialpraktikanten - deren unrichtige Einstufung der Einspruch vor allem bekämpfte - stellte die belangte Behörde fest, diese seien als Servierhilfen, Kellner, Ladner, Zahlkellner und Küchenhilfen eingesetzt worden. Sie seien "während der Saison Mai bis Oktober, Spitze Juli und August als Arbeitskräfte für den Geschäftsbetrieb erforderlich und demgemäß in den Betriebsorganismus eingeordnet" gewesen, es lägen daher nach § 4 Abs. 2 ASVG zu beurteilende Dienstverhältnisse vor. Wäre den sogenannten Ferialpraktikanten lediglich gestattet gewesen, sich zum Zwecke ihrer Ausbildung im Betrieb zu betätigen, hätten ihnen die Beschwerdeführer kaum mehr als die Lehrlingsentschädigung des dritten Lehrjahres gewährt. Die höhere Entlohnung als die, welche im Kollektivvertrag für Ferialpraktikanten vorgesehen ist, sei von den Beschwerdeführern mit deren Tüchtigkeit gerechtfertigt worden. Als "echte Ferialpraktikanten" hätten sie aber entsprechend ihrer jeweiligen Verwendung (nach dem Kollektivvertrag) entlohnt werden müssen. Die "Nachverrechnung in diesem Punkt" bestehe daher zu Recht.

Die Beschwerdeführer halten dem im Wesentlichen entgegen, Ferialpraktikanten dürften auch höher entlohnt werden, als im Kollektivvertrag vorgesehen.

Die Behörde scheint (erstens) die sich aus dem Kollektivvertrag ergebende Rechtslage so zu deuten, dass der in Punkt 7 lit. d geregelte Entgeltanspruch für Ferialpraktikanten nur für solche Praktikanten gilt, die nicht Dienstnehmer sind; sie scheint sodann (zweitens) auf dem Boden der vorgenannten Annahme aus der Gewährung einer Überzahlung auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses zu schließen, auf Grund dessen nach Auffassung der Behörde (drittens) ein Mindestlohn nach den allgemeinen Lohntarifen des KV gebührt.

Unstrittig ist im Ergebnis (insbesondere nach den Ausführungen der Beschwerdeergänzung), dass die hier in Rede stehenden Ferialpraktikanten in einem Dienstverhältnis i.S. des § 4 Abs. 2 ASVG und nicht bloß in einem der persönlichen Abhängigkeit vom Dienstgeber ermangelnden Volontariatsverhältnis gestanden sind (vgl. zur Abgrenzung die Erkenntnisse vom 11. Dezember 1990, 88/08/0269, vom 19. März 1991, 85/08/0042, vom 12. Dezember 1995, 93/08/0256, und vom 31. Jänner 1995, 93/08/0150; Naderhirn, Die Neuformulierung des Dienstnehmerbegriffes des ASVG durch das Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz 1997, 94; zu den Kriterien des Zwecks der Tätigkeit bzw. der Eingliederung in den Betrieb bereits N.N., Ferialpraktikant und Ferialarbeitnehmer, RdW 1986, 247; zur Zweifelsregel und zur Beweispflicht des Unternehmers aus arbeitsrechtlicher Sicht vgl. OGH 16. November 1988, 9 ObA 255/88; vgl. zum Nichtvorliegen eines Volontariats im Zweifelsfall auch A. Spitzl, Zum Begriff des Ferialpraktikanten, RdA 1996, 411f, und Rader, Die (arbeits)rechtliche Stellung von Praktikanten und Volontären, RdA 2001, 10).

Der Kollektivvertrag hat hinsichtlich der Entgeltansprüche von Ferialpraktikanten, die in keinem Arbeitsverhältnis stehen, keine Regelungsbefugnis (§ 2 Abs. 2 Z 2 ArbVG). Es kann daher von vornherein (und ohne dass dies im Kollektivvertrag ausdrücklich normiert würde) nicht davon ausgegangen werden, dass der Kollektivvertrag Entgeltansprüche von Ferialpraktikanten regelt, welche nicht Dienstnehmer sind. Schon die oben erwähnte erste Grundannahme der belangten Behörde erweist sich daher als ebenso verfehlt, wie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen. Soweit der Kollektivvertrag aber für Ferialpraktikanten, die Dienstnehmer sind, ein eigenes Mindestentgelt vorsieht, steht es dem Dienstgeber frei, ein darüber hinaus gehendes Entgelt zu zahlen, ohne schon deshalb das für andere Dienstnehmer geltende (noch höhere) Mindestentgelt zu schulden. Eine andere Beurteilung könnte nur dann Platz greifen, wenn die Verwendung der in Punkt 7 lit. d des Kollektivvertrages genannten Schüler und Schülerinnen den dort genannten schulrechtlichen Vorschriften nicht entsprechen würden, wie dies etwa bei einer Verwendung als Reinigungspersonal denkbar wäre. Dann wären sie freilich keine Ferialpraktikanten im Sinne dieser Vorschrift. Von einem solchen Sachverhalt geht die belangte Behörde aber offenbar nicht aus, wenn sie feststellt, dass die in Rede stehenden Schüler und Schülerinnen als Servierhilfen, Kellner, Ladner, Zahlkellner und Küchenhilfen eingesetzt worden seien.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Betreffend den Lehrling Klaudia L. begründete der angefochtene Bescheid die Nachverrechnung von Beiträgen damit, dass nach dem Kollektivvertrag "die Lehrlingsentschädigung für Kellnerlehrlinge ... im dritten Lehrjahr bis zur Höhe der Lehrlingsentschädigung (kollektivvertraglicher Mindestsatz) aus den Umsatzprozenten entnommen werden kann." Frau L. sei aber nicht wie ein Lehrling, sondern wie eine Dienstnehmerin mit abgeschlossener Lehrzeit entlohnt worden. Daher hätte nur ein Betrag in Höhe der Lehrlingsentschädigung, nicht aber der Gesamtverdienst aus den kollektivvertraglichen "Umsatzprozenten" entnommen werden dürfen. Die "Umverteilung der Umsatzprozente" (mit Wirkung einer Erhöhung der Bemessungsgrundlagen bei den anderen Dienstnehmern) sei daher zu Recht vorgenommen worden.

Die belangte Behörde hat nun von Feststellungen über den maßgebenden Inhalt des Kollektivvertrages völlig abgesehen, sodass weder das darin verankerte System der Garantielöhne und der Aufteilung der Umsatzprozente beurteilt werden kann, noch - in Ermangelung der nach dem Kollektivvertrag relevanten tatsächlichen Feststellungen - die Frage, ob und welche Lohnbestandteile der Dienstnehmerin Klaudia L. aus den Umsatzprozenten bezahlt werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Grundsatz der richterlichen Rechtskenntnis ("iura novit curia") auf einen Kollektivvertrag nicht anzuwenden, sodass Tatsachenfeststellungen über dessen genauen Inhalt unerlässlich sind, um die Rechtmäßigkeit eines auf solche Kollektivvertragsbestimmungen gestützten Bescheides prüfen zu können (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 25. April 1995, 94/08/0058, vom 31. Jänner 1995, 93/08/0021, vom 30. November 1993, 90/08/0048, und vom 19. Februar 1991, 90/08/0050, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen). Ausführungen in der Gegenschrift der mitbeteiligten Sozialversicherungsgesellschaft können die fehlenden Tatsachenfeststellungen nicht ersetzen.

Da die belangte Behörde somit gerade im entscheidungswesentlichen Zusammenhang eindeutige und nachvollziehbare Feststellungen über den anzuwendenden Kollektivvertrag und dessen Inhalt in den maßgebenden Beitragszeiträumen nicht getroffen hat, bedarf der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

5. Zur Trinkgeld-Nachverrechnung führte die belangte Behörde aus, mit den Beschwerdeführern sei anlässlich der Schlussbesprechung zur Beitragsprüfung eine Vereinbarung dahingehend getroffen worden,

"daß die der Beitragsbemessung zugrundezulegende Höhe der Trinkgelder bei Dienstnehmern mit Inkasso 6% des Bruttolohnes und bei Dienstnehmern ohne Inkasso 4% des Bruttolohnes entspreche."

Aus dem im Umbau zu einem Seminarhotel im Jahre 1990 liegenden Grund für diese Vereinbarung sei abzuleiten, dass die Trinkgeldvereinbarung für den Beitragszeitraum und nicht erst ab 1994 zu gelten habe.

Abgesehen davon, dass die belangte Behörde den Einwendungen der Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren gegen das Zustandekommen dieser Vereinbarung nicht Rechnung trug (etwa durch entsprechende Zeugeneinvernahmen), ist der Vorgangsweise der belangten Behörde grundsätzlich entgegenzuhalten, dass Vereinbarungen der hier in Betracht zu ziehenden Art im öffentlichen Recht nur wirksam sein können, wenn ihr Abschluss auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruht. Eine Ermächtigung zum Abschluss von Pauschalierungsvereinbarungen, wie sie in bestimmten Bereichen des Abgabenrechtes vorgesehen ist, besteht für die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aber nicht (vgl. das Erkenntnis vom 31. Mai 2000, 2000/08/0071 m.w.N.). Nichts anderes kann für die hier behauptete Pauschalierungsvereinbarung betreffend das Trinkgeld gelten, die im Ergebnis eine rechtlich bindende Dispositionsmöglichkeit der Parteien über die Gegenstände des Ermittlungsverfahrens eröffnen würde. Die belangte Behörde wird daher für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten einer - verfassungsrechtlich zulässigen (zum Verbot der Rückwirkung vgl. VfGH 27. Juni 1980, V 53/79) - Trinkgeldpauschalierungverordnung i. S. des § 44 Abs. 3 ASVG - naheliegender Weise im Wege einer Schätzung - Feststellungen über die Höhe der von den Dienstnehmern der Beschwerdeführer tatsächlich bezogenen Trinkgelder nachzuholen und zu begründen haben. Eine solche Schätzung scheint der belangten Behörde nach ihren Ausführungen in der Gegenschrift zwar vorgeschwebt zu haben, im angefochtenen Bescheid fand dieser Gesichtspunkt aber keinen Niederschlag.

6. Beim Urlaubsgeld von Josef P. und Ljubica S. verwies die belangte Behörde auf die Aufteilung der Normalarbeitszeit auf fünf Tage. Am Lohnkonto scheine für P. S 4.872,--, für S. S 3.340,-- auf. Die Beschwerdeführer wendeten nunmehr für P. S 5.812,-- und für S. S 4.732,-- ein. Der Kassenprüfer sei "jedoch zu Recht von den Beträgen im Lohnkonto ausgegangen" und habe sich "an den geltenden Kollektivvertrag gehalten, da die nunmehr eingewendeten Beträge nicht begründet sind".

Diese weitgehend inhaltsleeren Ausführungen der belangten Behörde gehen am Umstand vorbei, dass sich die Beitragsnachverrechnung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in diesem Punkt darauf stützte, dass für P. S 6.975,-- und für S. S 5.473,-- an Urlaubsentgelt angenommen wurde. Eine Überprüfung der diesen Dienstnehmern tatsächlich zustehenden Uraubsentgeltansprüche ist dem Verwaltungsgerichtshof in Ermangelung jeglicher Feststellungen über die Bemessungsgrundlage i. S. des § 6 UrlG sowie über die tatsächliche Dauer der jeweils in Anspruch genommenen Urlaube bzw. über allenfalls für die Berechnung des Urlaubsentgelts relevante Bestimmungen des Kollektivvertrages nicht möglich.

In den zuletzt behandelten Punkten liegen sohin Feststellungsmängel vor.

Aus verfahrensökonomischen Gründen weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass es sich in Einstufungsfragen in der Regel als zweckmäßig erweist, den gesamten in Betracht kommenden Text des Kollektivvertrages zumindest aktenkundig zu machen, um eine Auslegung der einzelnen Einstufungskriterien gegebenenfalls auch aus deren Gesamtzusammenhang vornehmen bzw. die vorgenommene Auslegung auf ihre rechtliche Stichhaltigkeit überprüfen zu können. Zum verhängten Beitragszuschlag, den die Beschwerdeführer mit dem Argument bekämpften, es handle sich um eine Strafe, verweist der Gerichtshof für den Fall, dass ein solcher wiederum auferlegt werden sollte, insbesondere auf die hg. Erkenntnisse vom 19. Februar 1991, 90/08/0142, vom 30 September 1994, 91/08/0069, und vom 20. Juni 2001, 96/08/0331, 0332, jeweils m.w.N., wonach der Beitragszuschlag nach § 113 Abs. 1 ASVG keine Verwaltungsstrafe darstellt, die Untergrenze der Höhe der Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG nicht unterschritten werden darf und ein Ermessen erst bei Auferlegung eines höheren Beitragszuschlages zu üben ist. Eine Stellungnahme zur Verjährungsfrage erübrigt sich, weil überhaupt nicht feststeht, ob und welche Beiträge nachzuentrichten sind.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Streitgenossenzuschlag ist nicht

vorgesehen. Zur Entrichtung von Stempelgebühren waren die Beschwerdeführer nicht verpflichtet (§ 110 Abs. 1 Z 2 lit. a ASVG). Wien, am 4. Oktober 2001

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