VwGH 96/14/0057

VwGH96/14/005725.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Dr. Urtz, über die Beschwerde des E K in H, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte (KEG) in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 31, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 26. Februar 1996, 767/2-10/F-1995, betreffend Haftung für Abgabenschulden, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §20;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KO §30 Abs1;
BAO §20;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KO §30 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war seit deren Gründung einziger Geschäftsführer einer GmbH und an ihr zu 95 % beteiligt.

Mit am 5. Oktober 1992 beim Finanzamt eingelangtem Schreiben beantragte die GmbH Eilnachrichtverzichtserklärungen zur Vorlage beim Bundesminister für Inneres, beim Bundesminister für Landesverteidigung und bei der Österreichischen Postzeugverwaltung auszustellen.

Nachdem das Finanzamt festgestellt hatte, die aushaftenden Abgabenschulden von rund 154.000 S seien am 6. Oktober 1992 beglichen worden, stellte es die beantragten Eilnachrichtverzichtserklärungen mit einer Gültigkeitsdauer bis 31. Jänner 1993 aus.

Der auf Antrag der GmbH über ihr Vermögen mit Beschluss vom 5. Jänner 1993 eröffnete Konkurs wurde mit Beschluss vom 15. September 1993 aufgehoben.

Mit Bescheid vom 28. Juni 1993 nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftenden gemäß § 9 Abs 1 iVm § 80 Abs 1 BAO für nicht entrichtete, fast zur Gänze am 10. Dezember 1992 fällig gewordene Abgaben von rund 187.000 S in Anspruch, wobei es zur Begründung im Wesentlichen ausführte, der Beschwerdeführer habe die ihm als Geschäftsführer obliegende Verpflichtung, aus den von ihm verwalteten Mitteln Abgaben zu entrichten, verletzt.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung führte der Beschwerdeführer zunächst aus, die GmbH habe sich seit Juli 1992 in Zahlungsschwierigkeiten befunden. Um den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, sei mit der finanzierenden Hausbank vereinbart worden, dass sämtliche Forderungen an sie abgetreten würden, jedoch 20 % von den Zahlungseingängen zu seiner freien Verfügung zwecks Berichtigung anderer Verbindlichkeiten (zB Finanzamt, Sozialversicherung) verwendet werden könnten. Auf Grund dieser Vereinbarung wäre es möglich gewesen, bis Dezember 1992 sämtliche Abgabenschulden zu begleichen. Ohne Ankündigung und ohne Begründung habe die Hausbank die mit ihr getroffene Vereinbarung widerrufen und ab Dezember 1992 keine Überweisungen mehr durchgeführt. Davon seien auch die im Haftungsbescheid angeführten Beträge betroffen gewesen. Trotz mehrmaliger Anfragen und Ersuchen habe die Hausbank die am 10. Dezember 1992 fällig gewordenen Abgaben nicht beglichen. Mangels vorhandener anderer Mittel sei es ihm nicht möglich gewesen, seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger nachzukommen. Umschuldungsverhandlungen hätten zu keinem Erfolg geführt, weswegen er die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH beantragt habe. Der Vorwurf, er habe die ihm als Geschäftsführer obliegende Verpflichtung, aus den von ihm verwalteten Mitteln Abgaben zu entrichten, verletzt, sei somit unrichtig. Vielmehr habe es die Abgabenbehörde unterlassen, die Forderungen der GmbH an den Bundesminister für Inneres, den Bundesminister für Landesverteidigung und die Österreichische Postzeugverwaltung, die rechtskräftig an die Hausbank abgetreten worden seien, mit den aushaftenden Abgabenschulden aufzurechnen. Bei Entrichtung der am 10. Dezember 1992 fällig gewordenen Abgaben wäre es überdies zu einer Gläubigerbegünstigung nach § 30 KO gekommen. Ab Anfang Dezember 1992 habe er offene Verbindlichkeiten nicht mehr berichtigt, sondern nur mehr Bargeschäfte getätigt.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer ua vor, am 10. und 11. Dezember 1992 seien auf dem bei der Hausbank geführten Konto der GmbH insgesamt rund 490.000 S eingegangen. Diese Mittel seien nicht einmal teilweise zur Begleichung der Abgabenschulden verwendet worden. Vielmehr sei der gesamte Betrag auf Grund der Mantelzession zur Gänze für die Bedienung des bei der Hausbank aushaftenden Kredites verwendet worden. Damit sei jedoch die Hausbank gegenüber allen anderen andrängenden Gläubigern, insbesondere dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden, weswegen der Beschwerdeführer die ihm als Geschäftsführer obliegende Verpflichtung, aus den von ihm verwalteten Mitteln Abgaben zu entrichten, verletzt habe.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz behauptete der Beschwerdeführer im Wesentlichen, er habe wegen der unerwarteten Vorgangsweise der Hausbank über keine Mittel mehr verfügen können, weswegen er den Bund als Abgabengläubiger gar nicht habe schlechter stellen können als andere andrängende Gläubiger. Der Vorwurf, er habe die ihm als Geschäftsführer obliegende Verpflichtung, aus den von ihm verwalteten Mitteln Abgaben zu entrichten, verletzt, erfolge daher zu Unrecht. Es wäre ihm nicht mehr möglich gewesen, die bei der Hausbank bereits erfolgten Zahlungseingänge an das Finanzamt umzuleiten. Allerdings hätte die Abgabenbehörde die Möglichkeit gehabt, die ausgestellten Eilnachrichtverzichtserklärungen aufzukündigen, um so die Abgabenschulden mit den Forderungen der GmbH an den Bund aufzurechnen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie unter Hinweis auf § 9 Abs 1 und § 80 Abs 1 BAO so weit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz ausführte, es wäre nicht mehr möglich gewesen, die nach dem 10. Dezember 1992 aushaftenden Abgabenschulden mit den Forderung der GmbH an den Bund aufzurechnen. Der Beschwerdeführer habe der Abgabenbehörde nicht nur die schlechte wirtschaftliche Lage der GmbH verschwiegen, sondern darüber hinaus noch die Ausstellung von Eilnachrichtverzichtserklärungen beantragt. Somit seien jene Umstände, die zur Unterlassung der Aufrechnung der aushaftenden Abgabenschulden mit den Forderungen der GmbH an den Bund geführt hätten, vom Beschwerdeführer und nicht von der Abgabenbehörde zu vertreten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt habe, hafte ein Geschäftsführer für nicht entrichtete Abgaben, falls künftige Forderungen im Rahmen einer Mantelzession als Besicherung eines Kredites an eine Bank abgetreten würden und die Bank idF keine Abgaben mehr überweise. Durch eine derartige Vorgangsweise werde die Bank gegenüber anderen andrängenden Gläubigern, insbesondere dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt, wodurch ein Geschäftsführer die ihm obliegende Verpflichtung, alle andrängenden Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen, verletze. Der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer alle künftigen Forderungen an die Hausbank abgetreten, somit die Hausbank gegenüber allen anderen andrängenden Gläubigern begünstigt. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass zunächst vereinbart gewesen sei, 20 % der Zahlungseingänge stünden dem Beschwerdeführer zwecks Berichtigung anderer Verbindlichkeiten zur freien Verfügung. Schon allein diese Vereinbarung weise darauf hin, dass die Hausbank gegenüber allen anderen andrängenden Gläubigern begünstigt worden sei. Bei dieser Sach- und Rechtslage komme es nicht mehr darauf an, dass die Hausbank ohne Ankündigung und ohne Begründung die eben erwähnte Vereinbarung widerrufen habe. Der Beschwerdeführer habe auch nicht behauptet, er habe auf die Einhaltung der mit der Hausbank getroffenen Vereinbarung gedrungen. Da somit weder ein Verschulden der Abgabenbehörde an der unterlassenen Einbringung der aushaftenden Abgabenschulden bei der GmbH als Primärschuldner vorliege, noch der Beschwerdeführer als Geschäftsführer alle andrängenden Gläubiger, darunter den Bund als Abgabengläubiger gleichmäßig befriedigt habe, sei der Beschwerdeführer zu Recht als Haftender für Abgabenschulden in Anspruch genommen worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer einziger Geschäftsführer der GmbH gewesen ist, weswegen er zum Kreis der in § 80 Abs 1 BAO genannten Vertreter gehört, die zur Haftung gemäß § 9 Abs 1 leg cit herangezogen werden können.

Wie bereits im Administrativverfahren behauptet der Beschwerdeführer, die Abgabenbehörde habe es unterlassen, Einbringungsmaßnahmen bei der GmbH als Primärschuldner zu setzen, weswegen seine Inanspruchnahme als Haftender für Abgabenschulden rechtswidrig sei. Hätte nämlich das Finanzamt die Eilnachrichtverzichtserklärungen widerrufen, wäre es möglich gewesen, die Abgabenschulden mit den Forderungen der GmbH an den Bund aufzurechnen.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Inanspruchnahme als Haftender ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Eine ermessenswidrige Inanspruchnahme eines Haftenden liegt vor, wenn aushaftende Abgabenschulden vom Primärschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden könnten, die Abgabenbehörde diese Einbringung jedoch zumindest grob fahrlässig unterlässt, ihr somit Säumigkeit bei der Einbringung vorzuwerfen ist (vgl die hg Erkenntnisse vom 25. Juni 1990, 89/15/0067, und vom 7. Dezember 2000, 97/16/0365, beide mwA). Der Beschwerdeführer hat sofort nach Begleichung von am 5. Oktober 1992 noch aushaftenden Abgabenschulden trotz Kenntnis der schlechten wirtschaftlichen Lage der GmbH beantragt, Eilnachrichtverzichtserklärungen auszustellen. Mit dieser Maßnahme hat der Beschwerdeführer die Aufrechnung von Abgabenschulden mit Forderungen an den Bund zunächst bis 31. Jänner 1993 verhindert, weswegen am 10. und 11. Dezember 1992 Beträge auf dem bei der Hausbank geführten Konto der GmbH eingegangen sind. Nach Ausweis der Akten des Administrativverfahren ist der Beschluss über die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH dem Finanzamt am 7. Jänner 1993 vom zuständigen Gericht zur Kenntnis gebracht worden. Das Finanzamt hatte vor diesem Tag keine Veranlassung, die Eilnachrichtverzichtserklärungen zu widerrufen. Erst nach Kenntnis über die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH, somit nach Eingang der Beträge auf dem bei der Hausbank geführten Konto der GmbH hätte das Finanzamt Anlass gehabt, Einbringungsmaßnahmen bei der GmbH als Primärschuldner zu setzen. Auf die bei der Hausbank eingegangenen Beträge hätte es jedoch nicht mehr greifen können. Bei dem eben dargestellten zeitlichen Ablauf wäre es Sache des Beschwerdeführers als Geschäftsführer gewesen, die Abgabenbehörde auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen, die Abgabenschulden mit den Forderungen der GmbH an den Bund aufzurechnen, um so die aushaftenden Abgabenschulden beim Primärschuldner einzubringen. Der Beschwerdeführer, der trotz Kenntnis der schlechten wirtschaftlichen Lage der GmbH die Ausstellung von Eilnachrichtverzichtserklärungen veranlasst und alle künftigen Forderungen an die Hausbank im Rahmen einer Mantelzession als Besicherung eines Kredites abgetreten hat, kann sich daher nicht darauf berufen, er sei zu Unrecht als Haftender für Abgabenschulden in Anspruch genommen worden. Denn gerade durch sein Verhalten hat der Beschwerdeführer Einbringungsmaßnahmen bei der GmbH verhindert.

Es mag dahingestellt bleiben, ob - wie der Beschwerdeführer behauptet - eine stille Zession zu Gunsten der Hausbank bestanden hat. Richtig ist, dass Mantelzessionen zur Besicherung von Krediten idR "still" abgeschlossen werden. Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer alle künftigen Forderungen im Rahmen einer Mantelzession an die Hausbank abgetreten hat. Hiebei hat der Beschwerdeführer keine Vorsorge getroffen, so über die eingehenden Mittel verfügen zu können, dass alle andrängenden Gläubiger der GmbH gleichmäßig befriedigt werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, führt ein Mantelzessionsvertrag, auf Grund dessen der Geschäftsführer die Disposition über eingehende Mittel verliert, somit nicht mehr in der Lage ist, alle andrängenden Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen, zur Inanspruchnahme des Geschäftsführers als Haftenden für Abgabenschulden (vgl das hg Erkenntnis vom 20. April 1999, 94/14/0147, mwA). Durch den Eingang von rund 490.000 S bei der Hausbank wurde diese nämlich gegenüber den anderen andrängenden Gläubigern und damit auch dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt. Die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftenden für Abgabenschulden ist daher zu Recht erfolgt. Daran vermag auch der Einwand des Beschwerdeführers, alle von ihm 60 Tage vor Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH geleistete Zahlungen wären nach § 30 Abs 1 KO anfechtbar gewesen, nichts zu ändern. Denn ob bzw inwieweit vom Beschwerdeführer geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der KO rechtunwirksam bzw anfechtbar gewesen wären, ist ausschließlich im Konkursverfahren zu prüfen. Die im Abgabenverfahren zu prüfende Frage, ob andere andrängenden Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, bleibt davon unberührt (vgl das hg Erkenntnis vom 22. September 1999, 94/15/0158, mwA).

Der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde habe es unterlassen festzustellen, wann Eingänge auf dem Konto der GmbH erfolgt seien, wann die Eilnachrichtverzichtserklärungen ausgestellt worden und bis wann diese gültig gewesen seien.

Diese Behauptungen widersprechen der Aktenlage. Unbestritten ist, dass am 10. und 11. Dezember 1992 auf dem bei der Hausbank geführten Konto der GmbH insgesamt rund 490.000 S eingegangen sind, die Eilnachrichtverzichtserklärungen am 6. Oktober 1992 ausgestellt worden sind und diese bis zum 31. Jänner (und nicht wie vom Beschwerdeführer behauptet bis zum 31. März) 1993 gültig gewesen sind. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht strittig war, liegt die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 25. September 2001

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