VwGH 95/08/0114

VwGH95/08/011414.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der A-Immobilien- und Vermögenstreuhandgesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Semotan, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 14. März 1995, Zl. 122.916/3-7/94, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien:

1. Mira Savic in Wien; 2. Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien; 3. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1090 Wien; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §5 Abs2;
HBG;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §5 Abs2;
HBG;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass die Erstmitbeteiligte aufgrund ihrer Beschäftigung als Hausbesorgerin bei der beschwerdeführenden Partei vom 1. Februar 1989 bis 10. Jänner 1993 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

Nach der Begründung - soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung - habe die Erstmitbeteiligte mit dem Eigentümer des Hauses Wien 16, S. Gasse 62, mit Wirksamkeitsbeginn vom 1. Juni 1974 einen Hausbesorgerdienstvertrag abgeschlossen. Für die Dauer dieses Dienstverhältnisses sei der Erstmitbeteiligten eine mietzinsfreie Dienstwohnung eingeräumt worden. Mit Kaufvertrag vom 8. Juli 1988 sei die beschwerdeführende Gesellschaft Eigentümerin des genannten Hauses geworden. Die Verwaltung habe die Industrie & Immobilienverwaltung (in der Folge: IIV), Alois O., übernommen. Als die Erstmitbeteiligte im Jänner 1989 einen Krankenschein benötigt habe, sei sie in das Büro dieser Hausverwaltung in 1200 Wien, L. Straße 16, bestellt worden. Dort sei ihr von der Ehegattin des Alois O. ein neuer Vertrag vorgelegt worden, den sie unter Androhung einer "Entlassung" und aufgrund ihrer damaligen Zwangslage (finanzieller Engpass, keine Wohnmöglichkeit) unterschrieben habe. Dieser Vertrag vom 31. Jänner 1989 sei mit "Dienstvertrag" übertitelt gewesen. Als Dienstgeber sei die Immobilien Reinigungsservice GmbH (in der Folge: die IRS) in 1200 Wien, S. Straße 22, aufgeschienen. Auch diese Gesellschaft gehöre Alois O. und befinde sich im selben Haus wie das Büro der IIV, da die Adressen S. Straße 22 und L. Straße 16 ein identes Eckhaus bezeichneten. Nach diesem Vertrag habe die Erstmitbeteiligte die Beaufsichtigung, Wartung und Reinhaltung des Hauses, in dem sie bereits seit 1974 Hausbesorgerin sei, übernommen. Dieses Dienstverhältnis habe mit 1. Jänner 1989 begonnen und sei auf ein Jahr abgeschlossen worden. Für die Dauer dieses Dienstverhältnisses sei der Erstmitbeteiligten eine Wohnung bestehend aus Zimmer und Küche mietzinsfrei zur Verfügung gestellt worden. Dabei habe es sich um die bereits bewohnte (Dienst)Wohnung gehandelt. Die Erstmitbeteiligte habe diesen Vertrag (aufgrund ihrer eingeschränkten Deutschkenntnisse) nicht gelesen, sei aber darüber aufgeklärt worden, dass sich an ihrer Tätigkeit nichts ändern werde und sie weiter Hausbesorgerin sein würde. Die Erstmitbeteiligte sei von der IIV mit 31. Jänner 1989 von der Sozialversicherung abgemeldet worden. Als Grund dafür sei die einvernehmliche Auflösung des Hausbesorgerdienstverhältnisses angegeben worden. Die Erstmitbeteiligte habe sich allerdings nicht erinnern können, dass das Hausbesorgerdienstverhältnis zur beschwerdeführenden Gesellschaft jemals einvernehmlich aufgelöst worden sei.

Nach Auffassung der belangten Behörde hätte der Dienstvertrag vom 31. Jänner 1989 offensichtlich nur dazu dienen sollen, die zwingenden Bestimmungen des Hausbesorgergesetzes zu umgehen. Derartige Umgehungsgeschäfte seien allerdings unwirksam. So sehe der Vertrag vom 31. Jänner 1989 als Wirksamkeitsbeginn des Dienstverhältnisses den 1. Jänner 1989 vor, andererseits sei die Erstmitbeteiligte (erst) mit 31. Jänner 1989 von der Sozialversicherung abgemeldet worden. Aus welchen Gründen das Dienstverhältnis zur beschwerdeführenden Gesellschaft vom 1. Jänner 1989 noch bis 31. Jänner 1989 aufrecht hätte sein sollen, wenn ein gültiger Dienstvertrag zwischen der Erstmitbeteiligten und der IRS mit Beginn des 1. Jänner 1989 zustande gekommen sein sollte, sei für die belangte Behörde nicht erkennbar. Der belangten Behörde liege auch ein rechtskräftiges Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. September 1993 vor, in dem festgestellt worden sei, dass das Hausbesorgerdienstverhältnis der Erstmitbeteiligten zur beschwerdeführenden Gesellschaft über den 31. Jänner 1989 hinaus aufrecht sei. Dieses Urteil sei von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht bekämpft worden. Der Einwand, dass dies nur aus "prozessökonomischen Gründen" nicht geschehen sei, spiele dabei keine Rolle. Wenn auch eine Bindung der belangten Behörde an dieses Urteil nicht bestehe, so dürfe dieses doch gemäß § 46 AVG als Beweismittel herangezogen werden. Die Erstmitbeteiligte habe auch mehrmals vorgebracht, der deutschen Sprache nicht mächtig zu sein. Aus welchen Gründen die beschwerdeführende Gesellschaft hätte annehmen können, dass die Erstmitbeteiligte den Inhalt des Dienstvertrages vom 31. Jänner 1989 ausreichend hätte verstehen können und daraus ableiten sollen, dass sie nur mehr eine Hausarbeiterin sei, sei für die belangte Behörde nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass aufgrund der Lage des Büros der IIV und der IRS für die Erstmitbeteiligte nicht erkennbar gewesen sei, ob sie einen Vertrag mit der Hausverwaltung oder der Reinigungsfirma abgeschlossen habe. Außerdem sei ihr bei Vertragsabschluss erklärt worden, dass sich an ihrer Stellung als Hausbesorgerin nichts ändere. Die Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten sei daher erst aufgrund der Abmeldung mit 10. Jänner 1993 als beendet anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Von den mitbeteiligten Parteien hat die Wiener Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob es (bereits) mit Wirkung vom 1. Februar 1989 zu einer Beendigung der Versicherungspflicht der erstmitbeteiligten Partei gekommen ist.

Die belangte Behörde hat diese Frage im Wesentlichen aufgrund der Ermittlungsergebnisse des Verwaltungsverfahrens verneint. Aufgrund der Lage der Büros der IIV und der IRS sei für die Erstmitbeteiligte nicht erkennbar gewesen, ob sie einen Vertrag mit der Hausverwaltung oder mit der Reinigungsfirma abgeschlossen habe. Außerdem sei ihr bei Vertragsabschluss erklärt worden, dass sich an ihrer Stellung als Hausbesorgerin nichts ändern werde. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Erstmitbeteiligte hätte annehmen können, dass sie nur mehr Hausarbeiterin sei. Aufgrund dieser Umstände des "Vertragsabschlusses" teilte die belangte Behörde die dem Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. September 1993 zugrundeliegende Auffassung, dass der Dienstvertrag vom 31. Jänner 1989 offensichtlich nur dazu habe dienen sollen, die zwingenden Bestimmungen des Hausbesorgergesetzes zu umgehen. Derartige Umgehungsgeschäfte seien jedoch unwirksam.

Die Beschwerde führt demgegenüber ins Treffen, die Erstmitbeteiligte habe durch Annahme eines Abfertigungsbetrages zum Ausdruck gebracht, dass sie mit der Beendigung ihres Hausbesorgerdienstverhältnisses einverstanden gewesen sei. Dafür spreche auch, dass die Erstmitbeteiligte das ihr zustehende Gehalt von der IRS erhalten und entgegengenommen habe.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. September 1993 wurde in einem kontradiktorischen Verfahren festgestellt, dass das Hausbesorgerdienstverhältnis der Erstmitbeteiligten zur beschwerdeführenden Gesellschaft über den 31. Jänner 1989 hinaus aufrecht ist. Damit wurde auch für die belangte Behörde bindend festgestellt, dass im Beschwerdefall ein aufrechtes Hausbesorgerdienstverhältnis gegeben war. Hausbesorger unterliegen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig der Vollversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm §§ 4 Abs. 2 und 5 Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/08/0232). Die Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten wurde daher zu Recht bejaht.

Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der nicht durch einen Anwalt vertretenen mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war kein Schriftsatzaufwand zuzusprechen.

Wien, am 14. März 2001

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