VwGH 2000/18/0229

VwGH2000/18/022918.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über den Antrag des E T, geboren am 3. Jänner 1981, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Oktober 2000, Zl. SD 699/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, und über die gleichzeitig erhobene Beschwerde gegen diesen Bescheid, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Oktober 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers nach dessen Vorbringen am 10. Oktober 2000 zugestellt.

2. Mit dem am 23. November 2000 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen diesen Bescheid und holt diese Beschwerde nach.

II.

1.1. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages bringt der Beschwerdeführer vor, dass in der Kanzlei seines Vertreters das Ende der Frist für die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mit 21. November 2000 sowohl auf dem angefochtenen Bescheid vermerkt als auch im Vormerkkalender eingetragen worden sei. Diese Eintragung sei vom Beschwerdevertreter überprüft worden. Am 12. Oktober 2000 sei dem Vertreter ein weiterer den Beschwerdeführer betreffender letztinstanzlicher Bescheid zugestellt worden. Diesbezüglich sei das Ende der Frist für die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mit 23. November 2000 in den Vormerkkalender eingetragen worden. Am 16. November 2000 habe eine Angestellte des Beschwerdevertreters von diesem die Auskunft erhalten, dass gegen den zuletzt erwähnten Bescheid keine Beschwerde eingebracht werde. Diese Angestellte, der ein derartiger Irrtum während ihrer 15-jährigen Beschäftigung bisher noch nie passiert sei, habe daraufhin irrtümlich die für die Einbringung der vorliegenden Beschwerde eingetragene Frist im Vormerkkalender gestrichen. Dieser Irrtum sei dem Beschwerdevertreter, der die Fristvormerkungen regelmäßig überprüfe, anlässlich einer routinemäßigen Kontrolle am 22. November 2000 aufgefallen.

Der Beschwerdeführer sei daher durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis, nämlich den beschriebenen Irrtum der Angestellten seines Vertreters, an der rechtzeitigen Beschwerdeeinbringung gehindert gewesen, wobei seinen Vertreter kein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden treffe.

1.2. Auf Grund der vorgelegten eidesstättigen Erklärungen des Beschwerdevertreters und dessen Kanzleiangestellter wird der dem obigen Vorbringen entsprechende Sachverhalt festgestellt.

2.1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Verstehens handelt.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn er die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muss der Rechtsanwalt die Organisation des Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Die Überwachungspflicht in Bezug auf die richtige Vormerkung von Fristen ist auch dann gegeben, wenn die mit der Führung des Fristvormerkes betraute Kanzleibedienstete überdurchschnittlich qualifiziert und verlässlich ist und es auch nach langjähriger einschlägiger Tätigkeit bisher nicht zu Fehlleistungen bzw. Beanstandungen gekommen sein soll. (Vgl. etwa den hg. Beschluss vom 5. März 1998, Zl. 98/18/0060, mwN.) Die bloß stichprobenartige Überprüfung der Eintragungen ist nicht ausreichend (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 3. September 1997, Zlen. 97/01/0249, 0798).

2.2. Im vorliegenden Fall wurde von einer sonst zuverlässigen Kanzleikraft irrtümlich nicht die vom Beschwerdevertreter angeordnete, den selben Klienten des Rechtsanwaltes betreffende Frist (23. November 2000), sondern die zwei Tage früher ablaufende Frist zur Einbringung der vorliegenden Beschwerde gestrichen. Auf Grund der nahe liegenden Verwechslungsmöglichkeit dieser beiden Fristen wäre der Beschwerdevertreter nach den oben 2.1. dargestellten Grundsätzen - die jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden auch auf den Vorgang der Streichung einer Frist übertragbar sind - verpflichtet gewesen, zu kontrollieren, ob auch tatsächlich die richtige Frist gestrichen wurde. Der Umstand, dass sich der Beschwerdevertreter mit einer "routinemäßigen Kontrolle" sechs Tage nach der Streichung der Frist begnügte, stellt ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden des Beschwerdevertreters dar.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit nicht stattzugeben. Diese Entscheidung war - ebenso wie die unter II 3. genannte - in einem gemäß § 12 Abs. 4 VwGG gebildeten Senat zu treffen.

3. Die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag erhobene Beschwerde war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 18. Dezember 2000

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