Normen
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §38 Abs2;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §38 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 20. Jänner 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 19, 20 und 21 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Grund dafür war, dass der Beschwerdeführer am 14. Oktober 1991 wegen Raubes (nach dem Akteninhalt: begangen am 27. Dezember 1990) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, am 6. November 1992 wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung, Einbruchsdiebstahles, Sachbeschädigung und Begünstigung zu einer - unbedingten - Freiheitsstrafe von sechs Monaten und am 29. April 1993 wegen Einbruchsdiebstahles zu einer Zusatzstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß den §§ 19 und 20 des Fremdengesetzes aus 1992 wurde dem Beschwerdeführer u.a. zu Gute gehalten, dass er seit Geburt in Österreich aufhältig sei.
1.2. Mit Bescheid vom 9. September 1998 hat die Bundespolizeidirektion Linz den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. September 1998 auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 114 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Das Aufenthaltsverbot hätte auch nach den Bestimmungen des FrG erlassen werden können. Der Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG wäre dem Beschwerdeführer deshalb nicht zu Gute gekommen, weil er sich die letzten drei Jahre vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dem Beschwerdeführer sei nach Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Sichtvermerkes mit 18. Mai 1991 erst am 28. Mai 1991 ein bis 12. Juli 1993 befristeter Sichtvermerk erteilt worden. Nach Ablauf dieses Sichtvermerkes habe er erst am 25. August 1993 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Diese Bewilligung sei ihm mit einer Gültigkeitsdauer von 14. Oktober 1993 bis 14. Dezember 1994 erteilt worden. Er habe sich somit von 19. Mai 1991 bis 28. Mai 1991 und von 13. Juli 1993 bis 14. Oktober 1993 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Überdies weise er auch für die Vergangenheit keine "durchgehende Kette von Sichtvermerken" auf.
1.3. Mit Bescheid vom 9. Dezember 1999 hat die belangte Behörde die dagegen gerichtete Berufung abgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, dass der Beschwerdeführer zwar im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG "von klein auf" im Bundesgebiet aufgewachsen sei, das weitere Tatbestandsmerkmal dieser Bestimmung "langjährig rechtmäßig niedergelassen" jedoch nicht erfülle. Dies habe bereits die Erstbehörde in ihrem Bescheid in treffender Weise ausgeführt.
Das Aufenthaltsverbot hätte daher auch nach dem FrG erlassen werden können.
2. Gegen den Bescheid vom 9. Dezember 1999 richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 3 FrG sind (auf Grundlage früherer Bestimmungen erlassene) Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (mit 1. Jänner 1998) noch nicht abgelaufen sind, auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können.
Nach dieser Bestimmung sind Aufenthaltsverbote somit dann aufzuheben, wenn sie bei fiktiver Geltung des FrG im Zeitpunkt ihrer Verhängung nicht hätten erlassen werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0097).
2.1. Nach der mit dem FrG neu eingeführten Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
2.2. Da der Beschwerdeführer sich unstrittig seit Geburt in Österreich befindet, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei "von klein auf im Inland aufgewachsen", keinen Bedenken.
3.1. Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes das zweite Tatbestandselement des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG "und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist" erfüllte.
Nach § 38 Abs. 2 FrG sind Fremde jedenfalls langjährig im Bundesgebiet niedergelassen, wenn sie die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben und zuletzt seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen sind.
3.2. Der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Geburt war im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid übernommenen Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz abgesehen von einigen Lücken (von 19. Mai 1991 bis 28. Mai 1991, von 13. Juli 1993 bis 14. Oktober 1993 sowie einige zeitlich davor liegende, nicht genau festgestellte Zeiträume zwischen dem Ablauf eines Sichtvermerkes und der Erteilung des folgenden) durchgehend, somit jedenfalls weitaus überwiegend, rechtmäßig. Da der Beschwerdeführer somit bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes mehr als die Hälfte seines Lebens - rechtmäßig - im Bundesgebiet verbracht hat, wäre er jedenfalls "langjährig rechtmäßig niedergelassen", wenn er "zuletzt" mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen wäre.
Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Fremde die letzten drei Jahre vor Verwirklichung des für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Sachverhaltes (d.h. vor Begehung der ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Straftaten; vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170) rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 99/18/0112). Der für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Z. 4 iVm Abs. 2 FrG maßgebliche dreijährige Zeitraum liegt somit jedenfalls vor der Begehung des Raubes durch den Beschwerdeführer am 27. Dezember 1990. Anders als die belangte Behörde meint, kommt es daher nicht darauf an, ob sich der Beschwerdeführer von 19. Mai 1991 bis 28. Mai 1991 und von 13. Juli 1993 bis 14. Oktober 1993 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Aufgrund dieser Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde - außer dem aus dem Bescheid der Behörde erster Instanz übernommenen, nicht konkretisierten Hinweis auf den Mangel einer "durchgehenden Kette von Sichtvermerken" - keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beschwerdeführer die letzten drei Jahre vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war.
Dieser - sekundäre - Verfahrensmangel hindert den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides.
4. Da die belangte Behörde somit in Verkennung der Rechtslage zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das Aufenthaltsverbot auch nach dem FrG hätte erlassen werden können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 FrG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. September 2000
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