VwGH 2000/17/0165

VwGH2000/17/016527.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 7. Juni 2000, Zl. MD-VfR - B 15/2000, betreffend Zurückweisung eines Vorlageantrags i.A. Haftung für Wassergebühren, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §33 Abs3;
AVG §45 Abs2;
AVG §63 Abs5;
BAO §108 Abs2;
BAO §108 Abs4;
BAO §167 Abs2;
BAO §276 Abs1;
LAO Wr 1962 §128 Abs2;
LAO Wr 1962 §211 Abs1;
LAO Wr 1962 §83 Abs2;
LAO Wr 1962 §83 Abs4;
PO §30;
VwRallg;
AVG §33 Abs3;
AVG §45 Abs2;
AVG §63 Abs5;
BAO §108 Abs2;
BAO §108 Abs4;
BAO §167 Abs2;
BAO §276 Abs1;
LAO Wr 1962 §128 Abs2;
LAO Wr 1962 §211 Abs1;
LAO Wr 1962 §83 Abs2;
LAO Wr 1962 §83 Abs4;
PO §30;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 17. September 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 WAO zur Haftung hinsichtlich Wassergebühren im Betrag von S 78.831,-- zuzüglich Nebengebühren im Betrag von S 8.362,--, somit insgesamt von S 87.193,-- herangezogen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit Berufungsvorentscheidung des Magistrates der Stadt Wien vom 19. November 1999 wurde diese Berufung gemäß § 211 Abs. 1 WAO als unbegründet abgewiesen.

Die Zustellung dieser Entscheidung an den Beschwerdeführer erfolgte am 22. November 1999.

Gegen diese Berufungsvorentscheidung richtete sich ein am 28. Dezember 1999 beim Magistrat der Stadt Wien eingelangter Vorlageantrag des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers. Das Kuvert, mit dem dieser Vorlageantrag an die erstinstanzliche Behörde übermittelt worden war, weist den Aufdruck der Freistempelmaschine des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers mit Datum vom 22. Dezember 1999, sowie einen Poststempel mit Datum vom 27. Dezember 1999 auf.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 4. Jänner 2000 wurde der Vorlageantrag des Beschwerdeführers gemäß § 211 Abs. 1 WAO zurückgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Zustellung der Berufungsvorentscheidung sei am 22. November 1999 erfolgt. Die Frist für die Einbringung des Vorlageantrages habe somit am 22. Dezember 1999 geendet. Der am 27. Dezember 1999 zur Post gegebene Vorlageantrag sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Der in Rede stehende Vorlageantrag sei rechtzeitig, nämlich am 22. Dezember 1999 eingebracht worden.

Zum Beweise dafür berief sich der Beschwerdeführer auf die Einvernahme der Zeugin B sowie darauf, dass auf der in der Kanzlei seines Rechtsanwaltes verbliebenen Gleichschrift des Vorlageantrages ein Abfertigungsstempel vom 22. Dezember 1999 angebracht sei.

Am 1. März 2000 wurde die Zeugin B (eine Kanzleiangestellte des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers) einvernommen. Dabei machte sie (auszugsweise) nachstehende Angaben:

"Nach der Unterschrift auf der Eingabe werden die Schriftstücke kuvertiert; ein Postausgangsbuch wird nicht geführt. Die Tagespost wird in einem Korb gesammelt und am Ende des Tages die Post abgefertigt. Am 22.12.1999, zwei Tage vor Weihnachten, war extrem viel Post abzufertigen. In der Regel wird die freigestempelte Post noch am selben Tag auf die Post gebracht. Wer von unserem Personal die Post am 22.11.(gemeint wohl: 22.12.)1999 aufgegeben hat, ist mir nicht mehr in Erinnerung, jedoch nehme ich mit Sicherheit an, dass ich es war. Auf welchem Postamt die Post aufgegeben wurde, ist mir ebenfalls nicht mehr in Erinnerung. Nach dem Poststempel (1150) selbst ist das das Postamt Westbahnhof gewesen, auf welchem die Post nach 19:00 Uhr aufgegeben wird. Sämtliche Briefsendungen werden am Briefschalter gleich rechts nach dem Eingang aufgegeben. Die angekündigte Aushebezeit am Schalter selbst ist mir nicht bekannt.

Ich selbst habe am 23.12.1999 noch bis gegen 19:00 Uhr in der Kanzlei gearbeitet; eine Kollegin hat sogar am 24.12.1999 bis 12:00 Uhr gearbeitet. Auch am 23. und 24.12.1999 wurden noch Postsendungen abgefertigt.

Üblicherweise werden wichtige Angelegenheiten (Friststücke) rekommandiert aufgegeben; aus einem Irrtum ist diese Maßnahme jedoch unterblieben."

Mit Berufungsvorentscheidung des Magistrates der Stadt Wien vom 10. März 2000 wurde auch die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 4. Jänner 2000 als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, das Kuvert, mit dem der Vorlageantrag übersendet worden sei, trage zwar das mit einer Freistempelmaschine angebrachte Datum 22. Dezember 1999. Dieser Datumsvermerk sei jedoch mit dem Poststempel des Postamtes 1150 Wien vom 27. Dezember 1999 überstempelt. Die vom Beschwerdeführer beantragte Zeugin B habe keinen Beweis erbracht, dass das in Rede stehende Schriftstück tatsächlich bereits am 22. Dezember 1999 und nicht erst am 27. Dezember 1999 zur Post gegeben worden sei. Abgesehen davon, dass in der Kanzlei des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers kein Postbuch aufliege, sei der Zeugin auch nicht mehr ausreichend erinnerlich gewesen, durch wen und bei welchem Postamt die Poststücke der Kanzlei an diesem Tag aufgegeben worden seien. Dafür, dass gerade diese Sendung nach erfolgter Übergabe an die Post wegen des höheren Anfalles an Postsendungen zu den Weihnachtstagen vom 22. Dezember 1999 bis zum 27. Dezember 1999 liegen geblieben sein sollte, bestehe kein Anhaltspunkt. Diesbezügliche Angaben seien von der Zeugin auch hinsichtlich der am 23. und 24. Dezember 1999 aufgegebenen Postsendungen nicht gemacht worden.

Gegen diese Berufungsvorentscheidung richtete sich ein Vorlageantrag des Beschwerdeführers. Darin verwies er insbesondere auf die Anbringung eines Abfertigungsstempels auf der in der Kanzlei des Beschwerdevertreters verbleibenden Gleichschrift des Vorlageantrages. Dadurch sei eine doppelte Kontrolle gegeben, welche ein Postbuch ersetze. Im Hinblick auf die Vielzahl der zur Weihnachtszeit aufzugebenden Poststücke sei es verständlich, dass sich die Zeugin B nicht mehr hundertprozentig daran erinnern könne, durch wen und bei welchem Postamt diese Poststücke tatsächlich aufgegeben worden seien. Probleme mit der Postzustellung zur Weihnachtszeit seien allgemein bekannt. Alle übrigen von der Kanzlei des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers am 22. Dezember 1999 aufgegebenen Poststücke seien unbeanstandet geblieben.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juni 2000 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien vom 4. Jänner 2000 als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Verwaltungsgerichtshof habe in einem zu § 33 Abs. 3 AVG ergangenen Erkenntnis vom 7. Mai 1982, Zl. 81/04/0136, ausgesprochen, es sei maßgeblich, wann ein Schriftstück von der Post in Behandlung genommen werde. Für den Fall des Einwurfes in einen Briefkasten folge nach diesem Erkenntnis, dass das Schriftstück zur Fristwahrung am letzten Tag der Frist vor der letzten am Briefkasten vermerkten Aushebezeit eingeworfen werden müsse. Im Hinblick darauf könne aber die Übergabe des Poststückes an die Postverwaltung durch Einwurf in einen Briefkasten nach der letzten Aushebung, aber noch vor Ende des Tages, auch dann nicht als an diesem Tag geschehen angenommen werden, wenn das Poststück mit einer Freistempelung von diesem Tag versehen sei, da durch einen derartigen, ein Zeichen der Gebührenentrichtung bewirkenden Vorgang, ein "Postenlauf" nicht in Gang gesetzt werde.

Im Hinblick auf die Gleichartigkeit der im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtslage gemäß § 83 Abs. 4 WAO seien die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes auch für den gegenständlichen Fall maßgebend. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, dass eine rechtzeitige Postaufgabe erfolgt sei. Die Zeugin B habe dazu keine konkreten Angaben machen können. Vielmehr ergebe sich aus ihrer Aussage, dass es auch nach dem 22. Dezember 1999 zur Postaufgabe von Sendungen gekommen sei.

Dass auf der Kopie des Schriftstückes selbst ein Abfertigungsstempel angebracht sei, stelle keinen Nachweis für eine rechtzeitige Postaufgabe dar, weil im Schriftsatz vom 17. März 2000 nicht behauptet werde, dass dieser Abfertigungsvermerk erst nach tatsächlicher Postaufgabe angebracht werde. Somit spreche nichts dafür, dass die Übergabe an die Post entgegen dem ausgewiesenen Poststempel rechtzeitig erfolgt sei.

Die Berufung sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Sachentscheidung über seine Berufung gegen den Haftungsbescheid vom 17. September 1997 verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 83 Abs. 2 und Abs. 4 WAO lautet (auszugsweise):

"§ 83

...

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. ...

...

(4) Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet."

Unstrittig ist vorliegendenfalls, dass die Frist für die Einbringung des Vorlageantrages gemäß § 211 Abs. 1 WAO am 22. Dezember 1999 endete. Strittig ist die Frage, ob der Postenlauf im Verständnis des § 83 Abs. 4 WAO in Ansehung des Vorlageantrages bereits am 22. Dezember 1999 oder aber erst am 27. Dezember 1999 in Gang gesetzt wurde.

Das Kuvert, welches den in der Folge zurückgewiesenen Vorlageantrag enthalten hatte, weist nun den Poststempel 27. Dezember 1999 auf. Daneben findet sich auf dem Kuvert ein Freistempel mit dem Aufdruck 22. Dezember 1999.

Für den Beginn des Postenlaufes ist maßgeblich, wann das Schriftstück von der Post in Behandlung genommen wird. Zur Feststellung dieses Zeitpunktes ist grundsätzlich der von der Post angebrachte Datumsstempel heranzuziehen. Der Beweis, dass der Postenlauf nicht an dem im Poststempel bezeichneten Tag, sondern an einem anderen Tag begonnen hat, ist zulässig. Dem Freistempelaufdruck kommt weder die Wirkung zu, den Postenlauf in Gang zu setzen, noch ein Beweiswert in der Richtung, dass das Poststück an dem im Freistempelaufdruck genannten Tag von der Post in Behandlung genommen wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 8. August 1996, Zl. 95/10/0206). Eine Partei, die entgegen der allgemein zu erwartenden prozessualen Vorsicht eine fristgebundene Eingabe nicht "eingeschrieben" zur Post gibt, sondern lediglich in den Postkasten wirft, nimmt das Risiko auf sich, den von ihr geforderten Gegenbeweis in Hinsicht auf die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe nicht erbringen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1997, Zl. 94/09/0300).

Ausgehend von dieser Rechtslage wäre es daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, im vorliegenden Verfahren zu beweisen, dass der Postenlauf entgegen dem angebrachten Poststempel nicht erst am 27. Dezember 1999, sondern schon am 22. Dezember 1999 in Gang gesetzt worden wäre.

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang meint, die Ausführungen der belangten Behörde betreffend die auf dem Briefkasten vermerkten Aushebezeiten gingen völlig ins Leere, weil der Poststempel nicht damit erklärbar sei, dass seitens des Kanzleipersonals des Beschwerdevertreters bei Posteinwurf am 22. Dezember 1999 die am Briefkasten vermerkten Aushebezeiten nicht beachtet worden seien, so verkennt er den Inhalt des angefochtenen Bescheides:

Die belangte Behörde geht in diesem Bescheid nicht etwa davon aus, das Kanzleipersonal des Beschwerdevertreters habe das in Rede stehende Poststück am 22. Dezember 1999 in einen Briefkasten geworfen (dafür gibt es im Akteninhalt auch keine Anhaltspunkte). Die diesbezüglichen Ausführungen geben ausschließlich den Inhalt einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 1982 wieder, deren rechtliche Aussagen hinsichtlich des Beweiswertes der auf dem Poststück angebrachten Freistempelung die belangte Behörde im vorliegenden Fall als maßgebend betrachtete.

Vielmehr ging die belangte Behörde - wie auch schon die erstinstanzliche Behörde in ihrer Berufungsvorentscheidung - erkennbar davon aus, dass auf Grund der Angaben der Zeugin B überhaupt kein Beweis dafür erbracht worden sei, wann und auf welchem Wege der in Rede stehende Vorlageantrag der Post zur Bearbeitung übergeben wurde.

Diese Beurteilung erweist sich aber vor dem Hintergrund des oben wiedergegebenen Inhaltes dieser Zeugenaussage als zutreffend. Die Zeugin B gab lediglich an, "in der Regel" würden die freigestempelten Poststücke noch am selben Tag auf die Post gebracht. Demgegenüber konnte sie nicht einmal mit Sicherheit angeben, welcher Kanzleiangestellte des Vertreters des Beschwerdeführers die Post am 22. November 1999 aufgegeben hat, geschweige denn bestätigen, dass gerade der in Rede stehende Vorlageantrag schon an diesem Tag der Post zur Beförderung übergeben worden sei.

Jedenfalls diesen Beweis hätte nach der oben angeführten Judikatur aber der Beschwerdeführer zu erbringen gehabt. Wenn er in diesem Zusammenhang anführt, er sei für Umstände, die nach "dem Einwurf in den Briefkasten" passierten, nicht beweispflichtig, so verkennt er ebenfalls - wie oben ausgeführt - den Inhalt des angefochtenen Bescheides.

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers ist aber auch das Argument der belangten Behörde nachvollziehbar, dass der Beweis der tatsächlichen Postaufgabe auch nicht auf Grund eines auf der in der Rechtsanwaltskanzlei verbliebenen Gleichschrift des Vorlageantrages angebrachten Abfertigungsvermerkes erbracht werden kann, wenn dieser Abfertigungsvermerk nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe der Sendung an die Post, sondern schon aus Anlass der Abfertigung und Freistempelung angebracht wird. Gerade in einer solchen Sachverhaltskonstellation bleibt es eben zweifelhaft, ob gerade dieses - abgefertigte - Schriftstück auch tatsächlich am Abfertigungstag der Post zur Beförderung übergeben wurde.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. November 2000

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