Normen
ABGB §1091;
GetränkesteuerG Wr 1971 §5 Abs2 impl;
GetränkesteuerG Wr 1992 §4;
VwRallg;
ABGB §1091;
GetränkesteuerG Wr 1971 §5 Abs2 impl;
GetränkesteuerG Wr 1992 §4;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Haftungsbescheid vom 21. Oktober 1998 wurde die Beschwerdeführerin auf Grund des § 4 des Wiener Getränkesteuergesetzes 1992 für die in der vom Jänner 1995 bis September 1996 im Betrieb der ehemaligen Pächterin der Miodrag Sibinovic GmbH in Wien entstandenen Getränkesteuerschuld herangezogen und gleichzeitig aufgefordert, diesen Betrag binnen einem Monat nach Zustellung des Bescheides zu entrichten.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe niemals einen Gastgewerbebetrieb geführt und könne daher auch keinen verpachten. Es sei ein Mietvertrag abgeschlossen und dabei seien Einrichtungsgegenstände mitvermietet worden. Vertragspartner sei nicht die Miodrag Sibinovic GmbH gewesen, sondern
Miodrag Sibinovic ad personam. Die Beschwerdeführerin habe keine Gewerbeberechtigung für die Führung eines Gastgewerbebetriebes und könne daher einen solchen auch nicht verpachten. Sie sei vor Erlassung des Bescheides in keiner Weise dem Verfahren beigezogen worden und habe daher ihren Rechtsstandpunkt nicht darlegen können.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 9. Dezember 1998 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dies mit der Begründung, nach der ständigen Rechtsprechung liege eine Unternehmenspacht im Allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages sei. Neben den Räumen müsse dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und zum wirtschaftlichen Fortbestand gehöre: Betriebsmittel (Einrichtungen, Warenlager), Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeute aber nicht, dass im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müssten. Das Fehlen einzelner Betriebsgrundlagen lasse noch nicht darauf schließen, dass Miete und nicht Pacht vorliege, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber beigestellt würden und das lebende Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbestehe. Im Hinblick darauf, dass nach Einstellung der durch die Milutin Jovanovic GmbH geführten Geschäftstätigkeit mit März 1994 der Betrieb nahtlos von der Primärschuldnerin fortgeführt und die Betriebsform eines Kaffeehauses (Espresso) beibehalten worden sei, müsse das Vorhandensein eines Kundenstockes bejaht werden, zumal im Gastgewerbe nach der allgemeinen Erfahrung der Kundenstock in der Regel örtlich bedingt sei. Das Fehlen einer Gewerbeberechtigung sei ohne Bedeutung. Dazu komme, dass der Bestandnehmer nach dem Vertrag nur einen Gaststättenbetrieb führen dürfe, was das Interesse der Beschwerdeführerin an der Aufrechterhaltung und Fortführung eines solchen Betriebes zeige. Bei der Gesamtbetrachtung, des zwischen der Beschwerdeführerin und der Miodrag Sibinovic GmbH bestandenen Rechtsverhältnisses, zeige sich das Überwiegen der für die Pracht sprechenden Umstände, zumal gerade bei einem Gastgewerbebetrieb das zur Verfügung gestellte Lokal und die Geschäftseinrichtung die tragenden Unternehmensgrundlagen seien. Zu dem Berufungsvorbringen, wonach Vertragspartner nicht die Miodrag Sibinovic GmbH, sondern Miodrag Sibinovic gewesen sei, sei festzustellen, dass die Zinszahlungen durch die Gesellschaft erfolgt seien und damit die Primärschuldnerin von der Beschwerdeführerin auch als Vertragspartner akzeptiert worden sei. Hinsichtlich der in der Berufung als Beweis verlangten Zeugeneinvernahme wäre anzumerken, dass eine Person nur über Tatsachen einvernommen werden könnte. Bei der Interpretation eines Vertragsinhaltes handle es sich aber um eine Rechtsfrage, zu deren Lösung die Behörde weder verpflichtet sei, Vorhalte zu erlassen, noch betroffene Personen zu hören. Hinsichtlich der Behauptung, vor Erlassung des Haftungsbescheides sei keine Möglichkeit zur Stellungnahme geboten worden, werde die Beschwerdeführerin auf das Parteiengehör vom 18. September 1998 verwiesen.
Die Beschwerdeführerin stellte ohne nähere Begründung den Antrag, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, im Beschwerdefall seien neben den Geschäftsräumlichkeiten die Einrichtungsgegenstände des Gastronomieunternehmens in Bestand gegeben worden. Mit diesem Bestandgegenstand sei dem Bestandnehmer ermöglicht worden, den vom Vorbestandnehmer geführten Espressobetrieb nahtlos fortzuführen, wodurch er auch dessen Kundenstock übernehmen habe können, zumal im Gastgewerbe nach allgemeiner Erfahrung vom Vorhandensein eines standortbezogenen Kundenstocks auszugehen sei, wenn der Betrieb am gleichen Standort ohne wesentliche Unterbrechung vorausgesetzt werde. Ungeachtet der Bezeichnung des Vertrages als Mietvertrag, der keinerlei konstitutive Wirkung zukomme, sei demnach das Rechtsverhältnis zwischen Bestandgeber und Bestandnehmer auf Grund seines rechtlichen und faktischen Gehaltes als Pachtverhältnis anzusehen. Völlig unerheblich sei dabei der Umstand, dass der Espressobetrieb zuvor niemals von der Beschwerdeführerin selbst geführt worden sei, zumal es auf den Bestand eines Unternehmens und nicht auf einen bestimmten Betreiber ankomme. Die ziffernmäßige Richtigkeit der der Haftung zugrundeliegenden Abgabenschulden werde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch der Zweckmäßigkeit und Billigkeit, weil nach der Aktenlage weder bei der Primärschuldnerin noch bei anderen Haftungspflichtigen der Abgabenrückstand eingebracht werden könne. Der Antrag auf Einvernahme der in der Berufung genannten Zeugen sei abzulehnen gewesen, weil das hiezu genannte Beweisthema, nämlich die Interpretation des Vertragsinhaltes des abgeschlossenen Bestandvertrages, keine Tatsachenfeststellung, sondern vielmehr eine Rechtsfrage darstelle, bei deren Lösung der Zeugenbeweis als untaugliches Beweismittel anzusehen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtheranziehung zur Haftung verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Entsteht die Steuerpflicht in einem Pachtbetrieb, so haftet nach § 4 des Gesetzes über die Besteuerung von Speiseeis und Getränken im Gebiete der Stadt Wien (Wiener Getränkesteuergesetz 1992) der Verpächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen, mit bestimmten in diesem Gesetz näher angeführten Einschränkungen.
Eine Unternehmenspacht im Sinn der Haftungsbestimmung des § 4 Wiener Getränkesteuergesetz 1992 liegt in der Regel vor, wenn tatsächlich ein lebendes Unternehmen (im weitesten Sinn) Gegenstand des Bestandvertrages ist. Neben den Räumen muss dem Bestandnehmer in der Regel auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand gehört. Bei Gastronomieunternehmen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der tragenden Unternehmensgrundlagen Lokal- und Geschäftseinrichtung davon auszugehen, dass der Erwerber in der Lage sein muss, in den vorhandenen Betriebsräumen ohne wesentliche Unterbrechung einen dem vorangegangenen gleichwertigen Gewerbebetrieb fortzuführen (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zl. 96/16/0057).
Mit diesem Erkenntnis vom 21. Jänner 1998 hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der belangten Behörde betreffend Haftung für Getränkesteuer in einem Fall abgewiesen, in dem die Beschwerdeführerin für dasselbe Lokal und im Wesentlichen dieselben Einrichtungsgegenstände am 16. August 1992 einen im Wesentlichen inhaltlich gleichen Vertrag mit der damaligen Pächterin abgeschlossen hat. Der Verwaltungsgerichtshof entschied, dass die im damals angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht der belangten Behörde, es lägen eine Unternehmenspacht und die Haftungsvoraussetzungen des § 4 Wiener Getränkesteuergesetz 1992 vor, nicht rechtswidrig sei.
Der Beschwerdefall gleicht der mit dem genannten Erkenntnis vom 21. Jänner 1998 entschiedenen Sache. Aus den dort genannten Gründen erweisen sich auch im Beschwerdefall die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Haftung nach § 4
Wiener Getränkesteuergesetz 1992 gegeben. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird insoweit verwiesen.
Die Behauptung in der Beschwerde, es liege Aktenwidrigkeit vor, weil der "Vorbestandnehmer" falsch bezeichnet worden sei, zeigt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf, weil es im Beschwerdefall für die Heranziehung zur Verpächterhaftung nicht darauf ankommt, wer Vorpächter gewesen ist, und daher eine Falschbezeichnung des Vorpächters für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unerheblich ist.
Der Pachtvertrag wurde im Beschwerdefall zwischen der Beschwerdeführerin und Miodrag Sibinovic abgeschlossen. Abgabenschuldnerin war die Miodrag Sibinovic GmbH. In dem als Mietvertrag bezeichneten Pachtvertrag ist der Abschluss eines Unterbestandes nicht ausdrücklich ausgeschlossen, der Bestandnehmer konnte daher das Pachtstück an die seinen Namen tragende GmbH weiterverpachten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 29. Jänner 1993, Zl. 91/17/0048, entschieden, dass im Fall einer Weiterverpachtung durch den Pächter (Unterpacht) der am Anfang der Kette stehende Verpächter nicht für die Abgabenschulden des Afterpächters haftet. Die für das Pachtverhältnis zwischen Verpächter und Pächter charakteristischen Umstände lassen sich nämlich nicht uneingeschränkt auf das Verhältnis zwischen dem Verpächter und einem Dritten übertragen. Für eine solche abgabenrechtliche Haftung des Verpächters für Abgabenschulden eines Dritten würde daher auch die sachliche Rechtfertigung fehlen (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. November 1990, Zl. 89/17/0062).
Aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid, mit dem der Verpächter zur Haftung für die Abgabenschulden des Afterpächters herangezogen wurde, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Aus den dargestellten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Über die mit dem angefochtenen Bescheid auch erfolgte Heranziehung zur Haftung betreffend Vergnügungssteuer wird gesondert entschieden werden.
Wien, am 25. Mai 2000
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