VwGH 2000/11/0064

VwGH2000/11/006421.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf sowie durch Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. R, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 27. Jänner 2000, Zl. 753.241/18-2.7/99, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:

Normen

WehrG 1990 §36a Abs1 Z2 idF 1992/690;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2 idF 1992/690;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der sowohl österreichischer Staatsbürger als auch Angehöriger der italienischen Republik ist, stellte am 3. März 1999 einen Antrag auf Befreiung von der Präsenzdienstpflicht. Als aus seiner Sicht besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen, die für eine Befreiung sprächen, gab der Beschwerdeführer einerseits seine Unentbehrlichkeit in Bezug auf seine Stellung als Marketingleiter eines mittelständischen Unternehmens in Dornbirn, andererseits den Umstand an, er habe bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn - wie sich aus dem vorgelegten Gewerbeschein ergibt: am 22. August 1997 -

das Gewerbe einer selbstständigen Werbeagentur angemeldet. Die Bilanz dieses Unternehmens für 1997 weise Umsatzerlöse von knapp S 400.000,-- aus, die Bilanz für 1998 sei noch nicht erstellt, der Umsatzerlös des Jahres 1998 werde aber bei ca. S 1 Mio. liegen. Angesichts des Umstandes, dass sich die Werbeagentur in einer Aufbauphase befinde, könne der Antragsteller dafür noch keine Mitarbeiter anstellen. Seine Ehefrau sei medizinisch technische Assistentin, sodass sie diese Arbeiten nicht übernehmen könne, abgesehen davon, dass sie ein 10 Monate altes Kind zu betreuen habe.

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 27. Jänner 2000 wies der Bundesminister für Landesverteidigung den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 (WG) ab.

In der Begründung gab der Bundesminister für Landesverteidigung ua die Ereignisse vor dem Antrag des Beschwerdeführers wieder: Der Beschwerdeführer sei am 19. November 1992 der Stellung unterzogen und für tauglich befunden worden. Ein Einberufungsbefehl zum Einrückungstermin 1. April 1993 sei vom Militärkommando Vorarlberg auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer behauptet habe, den Präsenzdienst in Italien bereits geleistet zu haben, mit Bescheid vom 3. Februar 1993 aufgehoben worden. Mangels Vorlage entsprechender Urkunden sei die Erlassung eines neuerlichen Einberufungsbefehles für den Einrückungstermin 1. Oktober 1993 erfolgt. Am 16. September 1993 sei durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Aufhebung des Einberufungsbefehles mit der Begründung beantragt worden, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt nicht in Österreich aufhältig und italienischer Staatsbürger sei. Er sei in Italien wohnhaft und auch dort wehrpflichtig. Mit Bescheid vom 17. September 1993 sei der Einberufungsbefehl erneut aufgehoben worden. Da weiterhin keine Klärung (gemeint offenbar: durch den Beschwerdeführer) erfolgt sei, sei neuerlich ein Einberufungsbefehl, und zwar für den Einrückungstermin 4. Juli 1994, erlassen worden. Der dagegen erhobenen Beschwerde sei mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 1994 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Weiters sei der Beschwerde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. August 1996, Zl. 94/11/0164, stattgegeben worden, nicht zuletzt, weil der Beschwerdeführer vorgebracht habe, er halte sich lediglich zu Ausbildungszwecken in Dornbirn auf und habe seinen Hauptwohnsitz im Ausland. Gegen die Erlassung eines weiteren Einberufungsbefehles, diesmal für den 29. September 1997, habe der Beschwerdeführer erneut Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof dieser Beschwerde zunächst mit Beschluss vom 30. Juli 1997 die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe, sei sie mit Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 97/11/0169, abgewiesen worden. Auf Grund dessen habe der Kommandant des Jägerregimentes 9 (nunmehr Jägerbataillon 23) mit Befehl vom 25. Februar 1999 den Dienstantritt des Beschwerdeführers angeordnet. Dieser Befehl sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 99/11/0062, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben worden. In weiterer Folge sei dem Beschwerdeführer ein Einberufungsbefehl für den Einrückungstermin 2. November 1999 zugestellt worden. Der dagegen erhobenen Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. Oktober 1999 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Der Entscheidung der Behörde erster Instanz (des Militärkommandos Vorarlberg) sei auf Grund der durchgeführten Erhebungen sowie der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Beweismittel folgender Sachverhalt zu Grunde gelegen:

Der Beschwerdeführer habe in Italien die Pflichtschulen besucht und anschließend an der Universität Pescara ein Studium absolviert. Seit 1. November 1992 sei er bei einem Unternehmen U. in Dornbirn als Leiter der Marketingabteilung beschäftigt, die Gesellschaftsanteile befänden sich zu 100 % in Familienbesitz. Seine Mutter sei an dieser Gesellschaft zu ca. einem Sechstel beteiligt. Der Beschwerdeführer nehme die Gesellschaftsrechte seiner Mutter "derzeit" wahr. Das Unternehmen habe insgesamt 450 Mitarbeiter und werde an 6 Standorten im Inland sowie an 4 Standorten im Ausland betrieben. Die Marketingabteilung, die der Beschwerdeführer leite, sei für alle 10 Standorte zuständig. Derzeit befinde sich das Marketing des Unternehmens in grundsätzlicher Umorganisation, weil Anfang des Jahres 2000 das gesamte Unternehmen auf "Internet-Tauglichkeit" umgestellt werde. Der Beschwerdeführer betreibe als Marketingleiter führend den Aufbau einer Darstellung des Unternehmens in multimedialer Präsentation, weiters das Katalogwesen des Unternehmens und die Werbepräsentation. Überdies unterstehe ihm das Logistik-Service des Unternehmens. Laut Gewerbeschein, ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn am 16. September 1997, habe der Beschwerdeführer am 22. August 1997 das Gewerbe "Werbeagentur" mit Standort Dornbirn angemeldet.

Die vom Bundesminister für Landesverteidigung ergänzend durchgeführten Ermittlungen hätten folgendes Ergebnis erbracht:

Der Beschwerdeführer lebe im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau sowie seinem am 22. Mai 1998 geborenen Sohn bei den Eltern seiner Ehefrau in T (BRD). Sein Hauptwohnsitz sowie derjenige seiner Ehefrau und seines Sohnes befinde sich jedoch nach wie vor in Dornbirn. Seine Ehefrau sei Hausfrau und habe kein Einkommen. Auf Grund der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gutachten eines Facharztes für Innere Medizin vom 4. und vom 27. Oktober 1999 über den Gesundheitszustand der Ehefrau des Beschwerdeführers habe der Leiter der Sanitätsabteilung im Bundesministerium für Landesverteidigung festgestellt, dass unter Berücksichtigung der Verordnung des Bundesministers für Soziales über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes bei seiner Ehefrau in Relation zur beruflichen Tätigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 30 % gegeben sei.

In einer Stellungnahme vom 24. November 1999 habe der Beschwerdeführer dazu Folgendes ausgeführt:

Es sei ins Auge gefasst, dass er die Gesellschaftsanteile seiner Mutter bereits im nächsten Jahr übernehmen werde. Seine Ehefrau erwarte ihr zweites Kind, weshalb sich ihre Schonungsbedürftigkeit erhöht habe. Die Schwiegereltern des Beschwerdeführers lebten beide in T. (an derselben Adresse wie der Beschwerdeführer). Der Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers sowie derjenige seiner Ehefrau und seines Kindes befinde sich an der gleichen Adresse und sei von Dornbirn aus über die Autobahn in 20 bis 30 Minuten erreichbar. Seine Ehefrau werde voraussichtlich am 3. Juli 2000 entbinden. Der Beschwerdeführer habe sich dafür entschieden, seinen Wehrdienst in Italien zu leisten, und sei auch bis zum 18. Februar 1993 in Italien als Wehrpflichtiger "geführt worden". In Österreich habe man ihn anlässlich seiner Stellung nicht über seine Rechte nach "den bestehenden Übereinkommen" (gemeint: das Übereinkommen über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 471/1975) informiert.

Ein vom Bundesminister für Landesverteidigung angeordneter Lokalaugenschein am "Hauptwohnsitz" in Dornbirn am 4. Jänner 2000 habe folgendes Ergebnis gebracht:

Der Beschwerdeführer sei an diesem Tag auf Geschäftsreise in Wien gewesen, seine Ehefrau habe sich kurzfristig in Deutschland aufgehalten. Angetroffen seien seine Eltern worden. Seine Mutter habe mitgeteilt, sie habe in Italien beim Kommandanten der "Hafenkommandantur" vorgesprochen und erfahren, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner italienischen Staatsbürgerschaft den Militärdienst in Italien abzuleisten hätte. Zu Studienzwecken und für die anschließende Tätigkeit beim Unternehmen U sei der Beschwerdeführer vom Militärdienst befreit worden. Laut Mitteilung seiner Mutter habe er in Italien keinen Militärdienst abgeleistet. Seit 1992 sei er in seiner Wohnung in Dornbirn, welche dem Unternehmen U gehöre, gemeldet, seit seiner Verehelichung und der Geburt seines Sohnes dort wohnhaft, und würde ganztägig beim Unternehmen U arbeiten.

Zu einem diesbezüglichen Vorhalt habe der Beschwerdeführer wie folgt Stellung genommen:

Die "Erwerbsverminderung" seiner Ehefrau betrage nach fachärztlicher Begutachung 50 %. Warum ein Militärarzt ohne Untersuchung seiner Ehefrau einen anderen Wert ermittle, lasse sich nicht nachvollziehen. Gleiches gelte zum Vorhalt des Hauptwohnsitzes. Dieser würde sich in T. befinden.

In seiner rechtlichen Würdigung des zu Grunde gelegten Sachverhaltes führte der Bundesminister für Landesverteidigung Folgendes aus:

Im Falle des Beschwerdeführers lägen wirtschaftliche Interessen vor, weil er am 22. August 1997 ein Gewerbe angemeldet und an dessen ordnungsgemäßer Führung ein wirtschaftliches Eigeninteresse habe. Die Frage aber, ob diese Interessen im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle so besonders rücksichtswürdig seien, dass sie die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes rechtfertigen, sei zu verneinen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Sache des Wehrpflichtigen, unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, dass einer Einberufung keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entgegen stehen. Bereits seit dem Zeitpunkt seiner Tauglichkeitsfeststellung am 19. November 1992, und nicht erst, wie der Beschwerdeführer zu glauben scheine, zu einem späteren Zeitpunkt, hätte er die Planung und Gestaltung seiner privaten wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes so vorzunehmen gehabt, dass für den Fall der zu erwartenden Einberufung vorhersehbare oder zu befürchtende Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert werden. Es sei dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu entnehmen, dass unvorhersehbare Ereignisse es dem Beschwerdeführer nicht erlaubt hätten, mit der Gründung seines Gewerbes bis nach der Ableistung des Grundwehrdienstes zuzuwarten. Er habe somit seine wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht mit seiner öffentlich rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes harmonisiert, was die besondere Rücksichtswürdigkeit seiner wirtschaftlichen Interessen ausschließe.

Hinsichtlich seiner unselbstständigen Erwerbstätigkeit beim Unternehmen U lägen gleichfalls keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen vor, die seine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes rechtfertigen würden. Nach dem Grundsatz der gleichen Behandlung von Wehrpflichtigen, die einen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes eingebracht haben, seien bei Auswirkungen wirtschaftlicher Art nur dann besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen anzunehmen, wenn die nachteiligen Auswirkungen über das allen Wehrpflichtigen gleichermaßen zumutbare Ausmaß hinausgingen. Eine derartige Auswirkung sei nach Ansicht der Berufungsbehörde jedoch nicht gegeben, weil auf Grund der Bestimmungen des Arbeitsplatz-Sicherungsgesetzes 1991 sein Arbeitsverhältnis, wie bei allen Wehrpflichtigen, die unselbstständig erwerbstätig sind, nach rechtswirksamer Einberufung bis zum Ende des Kündigungs- und Entlassungsschutzes unberührt bleibe. Das Interesse des Beschwerdeführers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes sei auch nicht größer als das anderer Wehrpflichtiger.

Es lägen beim Beschwerdeführer auch familiäre Interessen vor, weil bei seiner Ehefrau eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 30 % festgestellt worden sei und darüber hinaus ihr minderjähriges Kind versorgt werden müsse. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lägen besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG nur dann vor, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung des Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Leistung des Grundwehrdienstes nicht gewähren könne und wenn der unterstützungsbedürftige Familienangehörige als Folge des Ausbleibens dieser Unterstützung in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet würde. Ein derartiges Unterstützungsbedürfnis der Ehefrau des Beschwerdeführers oder seines Sohnes durch ihn oder eine Gefährdung deren Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen vermöge die Behörde auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes nicht zu erkennen. Infolge seiner beruflichen Auslastung habe der Beschwerdeführer seiner Ehefrau sowie seinem Sohn auch schon bisher "nur eingeschränkt zur Verfügung stehen" können. Eine Pflegebedürftigkeit seiner Ehefrau durch den Beschwerdeführer sei von ihm auch nicht ausdrücklich geltend gemacht worden. Sie könne auch nicht dem vorliegenden Sachverhalt entnommen werden. Überdies verweise die Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach zur Unterstützung eines Familienmitgliedes nicht ausschließlich derjenige, der zur Erfüllung seiner Wehrpflicht einberufen werden solle, sondern vielmehr die gesamte Familie berufen sei. Es sei(en) daher nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch die Eltern seiner Ehefrau dazu verhalten, sowohl ihr als auch ihrem Kind eine entsprechende Unterstützung angedeihen zu lassen. Dies werde im vorliegenden Fall dadurch erleichtert, dass sich die Eltern der Ehefrau bereits in Pension befänden und die Ehefrau und das gemeinsame Kind bei diesen wohnten. Der Umstand, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers voraussichtlich am 3. Juli 2000 entbinden werde, stelle gleichfalls kein besonders rücksichtswürdiges familiäres Interesse dar. Eine diesbezügliche besondere Pflegebedürftigkeit seiner Ehefrau bzw. das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft sei der vorgelegten fachärztlichen Bestätigung vom 15. November 1999 nicht zu entnehmen und werde auch nicht behauptet.

Hinsichtlich des Umstandes, dass der Beschwerdeführer derzeit die Gesellschaftsrechte seiner Mutter wahrnehme, vertritt die Berufungsbehörde die Auffassung, dass es sich dabei der Sache nach nur um ein wirtschaftliches Interesse der Mutter des Beschwerdeführers an der Vermeidung von für den Fall der Leistung des restlichen Grundwehrdienstes befürchteten wirtschaftlichen Nachteilen handle. Darüber hinaus sei die Wahrnehmung der Gesellschaftsrechte zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem der Beschwerdeführer schon lange damit habe rechnen müssen, seinen restlichen Grundwehrdienst ableisten zu müssen, weshalb es sich erneut um die Folge der Verletzung seiner "Harmonisierungspflicht" handle. Würden dem Beschwerdeführer Gesellschaftsanteile seiner Mutter schon im nächsten Jahr übertragen werden, wären ihm wirtschaftliche Interessen aus der Sicht der Berufungsbehörde zuzubilligen. Deren besondere Rücksichtswürdigkeit müsste jedoch verneint werden, weil der Beschwerdeführer dadurch eine weitere Verletzung seiner Verpflichtung zur Harmonisierung seiner privaten wirtschaftlichen Angelegenheiten mit seiner öffentlich rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes verwirklichen würde.

Abschließend führte der Bundesminister für Landesverteidigung aus, dass sich der Beschwerdeführer entgegen seiner Rechtsauffassung nicht auf das erwähnte Übereinkommen BGBl. Nr. 471/1975 berufen könne. Soweit er schließlich im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verfahrensmängel rüge, seien diese durch das Berufungsverfahren saniert worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des WG lauten (auszugsweise):

"§ 27. (1) Der Präsenzdienst ist zu leisten als

1. Grundwehrdienst oder

...

§ 36a. (1) Taugliche Wehrpflichtige können von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden:

...

2. auf ihren Antrag, wenn und so lange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

...

§ 53.

...

(4) Neben den Dienstfreistellungen nach Abs. 1 und 3 ist Soldaten in Präsenz- und Ausbildungsdienst in dringenden Fällen, insbesondere aus familiären oder sonstigen persönlichen Gründen, eine Dienstfreistellung im notwendigen Ausmaß zu gewähren, soweit militärische Erfordernisse nicht entgegen stehen. Die Dauer einer solchen Dienstfreistellung darf für jeden Anlassfall zwei Wochen nicht übersteigen. ..."

Soweit der Beschwerdeführer eine unrichtige Vorfragenbeurteilung durch die belangte Behörde hinsichtlich seiner Präsenzdienstpflicht in Österreich rügt, ist er auf das Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2000/11/0183, zu verweisen.

Die belangte Behörde anerkannte das Vorliegen familiärer Interessen des Beschwerdeführers, verneinte jedoch deren besondere Rücksichtswürdigkeit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge von solchen Interessen nur dann die Rede sein kann, wenn der unterstützungsbedürftige Familienangehörige durch die präsenzdienstbedingte Abwesenheit des Wehrpflichtigen in lebenswichtigen Belangen gefährdet wäre (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1995, Zl. 95/11/0038). Dass eine derartige Gefährdung lebenswichtiger Belange im Falle der Ehefrau des Beschwerdeführers zu gewärtigen wäre, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht zu erkennen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kommt es dabei auch nicht darauf an, ob die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers, wie er erneut vorbringt, 50 % erreicht, oder, wie die belangte Behörde, ohne dies entsprechend zu begründen, annimmt, nur 30 % beträgt. Zu Recht weist die belangte Behörde darauf hin, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes alle Familienmitglieder gemeinsam dazu verhalten sind, für das unterstützungsbedürftige Familienmitglied zu sorgen (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 95/11/0179). Im vorliegenden Fall begegnet ihre Auffassung, durch die Anwesenheit der Eltern der Ehefrau des Beschwerdeführers sei eine Unterstützung der schonungsbedürftigen Ehefrau im Haushalt sowie bei der Kindererziehung möglich, keinen Bedenken. Im Übrigen besteht kein Anhaltspunkt, dass nicht zumindest kurzfristig mit dem Beiziehen einer Pflegeperson das Auslangen gefunden werden könnte. Dass es dem Beschwerdeführer unmöglich oder unzumutbar wäre, eine solche Pflegeperson zu beschäftigen, ist nicht ersichtlich (vgl. auch hiezu das erwähnte hg. Erkenntnis vom 14. November 1995). Die belangte Behörde ist schließlich auch damit im Recht, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner beruflichen Inanspruchnahme, deren künftige Einschränkung nicht behauptet wurde, zu einer Pflege seiner Ehefrau in größerem Umfang nicht in der Lage wäre. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass für außerordentliche Fälle, wie z.B. für den Fall der Entbindung, auch bei Ableistung des Grundwehrdienstes gemäß § 53 Abs. 4 WG eine Dienstfreistellung "in dringenden Fällen" in Frage käme.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, die belangte Behörde habe zu Unrecht das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen verneint.

In seinem Befreiungsantrag hat der Beschwerdeführer, wie oben ausführlich wiedergegeben, seine Position als verantwortlicher Marketingleiter des Unternehmens U umschrieben und seine Unentbehrlichkeit für dieses Unternehmen, dass sich in Umstellung auf Internet-taugliche Vertriebsstrukturen befinde, herausgestrichen. Auf dieses Vorbringen kommt der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht mehr zurück, weshalb es sich zu prüfen erübrigt, ob auf Grund der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Unternehmen U besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG bestehen.

Schon in seinem Befreiungsantrag hat der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe - wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, am 22. August 1997 - "zusätzlich" bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn das Gewerbe einer selbstständigen Werbeagentur angemeldet. Die Werbeagentur befinde sich in einer Aufbauphase, der Beschwerdeführer könne dafür noch keine Mitarbeiter anstellen. Der Umsatzerlös für 1998 - eine Bilanz liege noch nicht vor - werde ca. S 1 Mio. betragen. In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer - ohne nähere Begründung - vor, seine "Aufbautätigkeit" würde durch eine achtmonatige Abwesenheit "schweren Schaden leiden".

Wie schon die Behörde erster Instanz anerkannte auch die belangte Behörde - zu Recht - das Vorliegen wirtschaftlicher Interessen des Beschwerdeführers, die aus seiner unternehmerischen Tätigkeit resultierten. Sie verneinte jedoch, wie zuvor die Behörde erster Instanz, dass es sich um besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG handle, weil der Beschwerdeführer, der am 19. November 1992 der Stellung unterzogen und für tauglich befunden worden sei, bereits seit diesem Zeitpunkt die Planung und Gestaltung seiner privaten wirtschaftlichen Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes so vorzunehmen gehabt hätte, dass für den Fall der zu erwartenden Einberufung vorhersehbare oder zu befürchtende Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert würden. Es kann im Folgenden dahingestellt bleiben, ob der von der belangten Behörde behauptete Verstoß gegen die so genannte Harmonisierungspflicht vorliegt. Im Ergebnis hat die belangte Behörde nämlich zu Recht das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen des Beschwerdeführers verneint.

§ 36a Abs. 1 Z. 2 WG stellt nicht auf das Vorliegen wirtschaftlicher Interessen schlechthin ab, sondern sieht einen Anspruch auf Befreiung nur bei besonderer Rücksichtswürdigkeit dieser Interessen vor. Nicht jeder bei Ableistung des Grundwehrdienstes zu befürchtende wirtschaftliche Nachteil eines Wehrpflichtigen kann besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG begründen (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 96/11/0077).

Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen vorliegen, ist im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob dem Beschwerdeführer bei Ableistung des (restlichen) Grundwehrdienstes daraus, dass er infolge seiner zeitlichen Inanspruchnahme beim Bundesheer seine selbstständige Erwerbstätigkeit einschränken müsste, wirtschaftliche Nachteile erwachsen, die einer Existenzgefährdung gleichkommen (vgl. in diesem Sinne das erwähnte hg. Erkenntnis vom 23. April 1996). Das vage Vorbringen des Beschwerdeführers - sowohl in der Begründung seines Befreiungsantrages als auch später im Verwaltungsverfahren - bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass - bei Zutreffen dieses Vorbringens - jener bei Ableistung des restlichen Grundwehrdienstes wirtschaftliche Nachteile in einem Ausmaß zu gewärtigen hätte, das einer Existenzgefährdung gleichkommt. Weder brachte der Beschwerdeführer nämlich vor, dass er anlässlich seiner Unternehmensgründung Kredite aufgenommen hätte, deren Rückzahlung bei Ableistung des Grundwehrdienstes gefährdet wäre, noch machte er irgendwelche Angaben über die Größe und Art seines Kundenkreises, aus denen zu folgern wäre, dass ihn die Einschränkung oder Einstellung des Gewerbebetriebes für die Dauer seines Grundwehrdienstes in außergewöhnlicher Weise finanziell belasten würde.

Hinzu kommt vorliegendenfalls folgende Überlegung: Angesichts des eindringlichen Vorbringens des Beschwerdeführers zu seiner Unentbehrlichkeit auf Grund seiner Stellung als Marketingleiter im Unternehmen U, die durch die gegenüber dem Militärkommando Vorarlberg abgegebene Stellungnahme der Wirtschaftskammer für Vorarlberg vom 23. März 1999 noch unterstrichen wurde, konnte die belangte Behörde davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer als - wie er sich bezeichnete - junger Wirtschaftsmanager den weitaus überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit dem Unternehmen U widmete. Daraus ergibt sich aber, dass der Beschwerdeführer nur einen untergeordneten Teil seiner Arbeitszeit seiner eigenen, erst im Sommer 1997 angemeldeten Werbeagentur widmen konnte, die sich, wie er selbst vorbrachte, erst in der Aufbauphase befand. Dass der Beschwerdeführer entgegen seinem Antragsvorbringen seine Tätigkeit im Unternehmen U eingeschränkt hätte oder eine solche Einschränkung in Hinkunft beabsichtigt hätte, um sich vordringlich seiner Werbeagentur zu widmen, hat er nicht vorgebracht. Im Gegenteil hat er im Verwaltungsverfahren auf die geplante Übernahme von Geschäftsanteilen seiner Mutter hingewiesen, ein Umstand, der gegen eine Einschränkung seiner Tätigkeit im Unternehmen U spricht. Der Beschwerdeführer hat schließlich nicht einmal andeutungsweise vorgebracht, welche Art von Aufträgen er in seiner Werbeagentur bearbeitet, welcher Zeitaufwand ihm daraus entsteht und unter welchen näheren Umständen (zu welcher Tageszeit) er neben seiner unselbstständigen Tätigkeit als Marketingleiter noch selbstständig tätig ist. Vor diesem Hintergrund ist aber nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer für den Fall der Ableistung des restlichen Grundwehrdienstes - bei Wegfall seiner unselbstständigen Tätigkeit für das Unternehmen U - selbst im Falle der Inanspruchnahme der in § 53 Abs. 4 WG vorgesehenen Dienstfreistellungen nicht in der Lage sein sollte, die selbstständige Tätigkeit in seiner Werbeagentur mit den für ihn zumutbaren Einschränkungen aufrecht zu erhalten.

Da sich aus diesen Erwägungen die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.

Wien, am 21. November 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte