VwGH 2000/05/0052

VwGH2000/05/005230.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Leopold Blümel in Thallern, vertreten durch Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, Dinstlstraße 6, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau vom 2. Februar 2000, Zl. MD-M-1/2000/La/Be, betreffend Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Ernst Moser in Thallern 3), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §82 Abs7 idF 1998/I/158;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauRallg;
AVG §37 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §82 Abs7 idF 1998/I/158;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Krems an der Donau hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 21. Juni 1999, eingelangt beim Magistrat der Stadt Krems an der Donau am 23. Juli 1999, stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm die auf Grund der Bauverhandlung vom 7. Mai 1960 an den Mitbeteiligten erteilte Baubewilligung für ein Presshaus, zuzustellen. Der Beschwerdeführer sei Eigentümer des Grundstückes Nr. 799/10, Grundbuch Thallern, das unmittelbar an die Parzelle 534/3, auf dem das Presshaus errichtet wurde, grenze. Zur Bauverhandlung sei der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers nicht geladen worden.

Mit Bescheid vom 17. August 1999 hat der Magistrat der Stadt Krems an der Donau den Antrag des Beschwerdeführers "auf Zuerkennung der Parteistellung betreffend die Errichtung" eines näher bezeichneten Presshauses gemäß § 42 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 21 Abs. 6 der NÖ Bauordnung 1996 als unzulässig zurückgewiesen.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 2. Februar 2000 der Berufung insofern Folge gegeben, als der erstinstanzliche Bescheid derart abgeändert wurde, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides betreffend die Errichtung eines Presshauses auf der Parzelle Nr. 534/3, KG Thallern, als unzulässig zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, die spärlichen Unterlagen des Verwaltungsaktes ließen keine Überprüfung über die Einladung bzw. Kundmachung der Bauverhandlung zu; ein in den Abs. 1 und 2 des § 42 AVG verankerter Verlust der Parteistellung könne daher nicht angenommen werden. Entscheidungswesentlich sei die Frage, ob der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsvorgänger die notwendigen, fristgebundenen Schritte unternommen hätten, um die zu Beginn des damaligen Baubewilligungsverfahrens außer Streit stehende Parteieigenschaft nicht zu verlieren. Den Bestimmungen der §§ 6 Abs. 1 dritter Satz und 21 Abs. 6 NÖ BO sei durch § 42 Abs. 1 und 3 AVG derogiert. Die Bestimmungen des § 42 AVG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) sollten klarstellen, dass der Anrainer u.a. auch im Bauverfahren nicht auf ewige Zeiten eine Parteistellung besitze. Vielmehr werde ein aktives Handeln des Anrainers verlangt, wobei die Einwendungen fristgerecht eingebracht werden müssten. Nach ordnungsgemäßer Kundmachung habe der Anrainer die Einwendungen spätestens während der Verhandlung zu erheben. Seien bei der Ladung von der Behörde "bekannte Beteiligte" vergessen worden, so trete die Rechtsfolge zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zur Erhebung von Einwendungen ein. Das bedeute, dass auch jener Personenkreis rechtzeitig aktiv werden müsse, um seine Rechte zu wahren. Da erwiesenermaßen - auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet - in der Zeit zwischen 1960 und 1999 keine Einwendungen erhoben worden seien, habe die Behörde davon auszugehen, dass der Anrainer bzw. sein Rechtsnachfolger die Parteistellung verloren habe, ohne dass die Behörde die weitere im § 42 Abs. 3 AVG genannte Frist heranziehen müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, ist am 1. Jänner 1999 in Kraft getreten. Sie bestimmt in ihrem § 82 Abs. 7, dass alle in Vorschriften des Bundes und der Länder enthaltenen Bestimmungen, die von den §§ 13 Abs. 3 bis 8, 14, 18 Abs. 3 und 4, 37 zweiter Satz, 39 Abs. 2 und 3, 42, 43, 44, 44 a bis 44 g, 59 Abs. 1 erster und zweiter Satz, 61 Abs. 1 zweiter Satz, 63 Abs. 2, 64 a, 66 Abs. 1 und 2, 69 Abs. 2, 71 Abs. 1 Z. 2, 73 Abs. 2 und 3 und 76 Abs. 1 erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/1998 abweichen, mit Ablauf des 31. Dezember 1998 außer Kraft treten. Dies gilt nicht, wenn diese Bestimmungen nach dem 30. Juni 1998 kundgemacht worden sind.

Nun trifft es zu, dass die Regelungen über die Parteistellung im § 6 Abs. 1 dritter Satz der NÖ BO 1996 von der Regelung des § 42 Abs. 1 bis 3 AVG in der Fassung der Verwaltungsverfahrensgesetznovelle 1998 abweichen und daher grundsätzlich der Bestimmung des § 6 Abs. 1 dritter Satz NÖ BO 1996 durch § 42 Abs. 1 bis 3 AVG derogiert würde. Allerdings ist die Bestimmung des § 42 Abs. 1 und 3 AVG in der Fassung der Novelle 1998 nur auf solche Tatbestände anzuwenden, die nach Inkrafttreten dieser Verfahrensgesetznovelle, also nach dem 1. Jänner 1999, verwirklicht wurden. Auf Bauverhandlungen, die vor diesem Zeitpunkt kundgemacht und abgehalten wurden, treffen diese Bestimmungen nicht zu (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. April 2000, Zl. 99/05/0239, auf dessen eingehende Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Der Beschwerdeführer hat daher im gegenständlichen Bauverfahren seine Parteistellung, die gemäß §§ 24 und 25 der Bauordnung für Niederösterreich 1883 zu beurteilen ist, nicht dadurch verloren, dass er bzw. sein Rechtsvorgänger keine rechtzeitigen Einwendungen erhoben hat, sodass die belangte Behörde seine Berufung zu Unrecht zurückgewiesen hat.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Mai 2000

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