VwGH 2000/02/0193

VwGH2000/02/019329.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde der MW in B, vertreten durch Hager & Teuchtmann, Rechtsanwälte in Linz, Hauptstraße 33, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. Juni 2000, Zl. VerkR-393.686/7-200-Vie/Hu, betreffend Oppositionsgesuch nach § 35 EO in Angelegenheit betreffend Übertretungen nach der StVO, zu Recht erkannt:

Normen

EO §35;
EO §7 Abs4;
VVG §3 Abs2;
EO §35;
EO §7 Abs4;
VVG §3 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft

Urfahr-Umgebung (kurz: BH) vom 5. Mai 1998 wurden über die Beschwerdeführerin sechs Geldstrafen im Gesamtausmaß von S 7.700.--wegen insgesamt 6 Verwaltungsübertretungen nach der StVO verhängt, wobei sich lediglich die erste Übertretung auf § 18 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 it. a StVO bezieht.

Gegen diese Strafverfügung erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 15. Mai 1998 durch ihren Rechtsvertreter (rechtzeitig) Einspruch. Auf der ersten Seite diese Schriftsatzes findet sich u.a. die Geschäftszahl des Rechtsaktes, gegen den sich der Einspruch wendet, ferner der Hinweis "wegen: § 18 Abs. 1 und § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960" sowie "Einspruch". Die Textierung des Einspruches (Seite 2 des Schriftsatzes) lautet wie folgt:

"In umseits bezogener Verwaltungsstrafsache erhebt die Beschuldigte innerhalb offener Frist durch ihre ausgewiesenen Vertreter gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 5.5.1998

EINSPRUCH

und beantragt die Einleitung des ordentlichen Verfahrens."

Ferner folgen das Datum des Schriftsatzes und der Name der Beschwerdeführerin.

In der Folge hat die BH aufgrund des Einspruchs bezüglich Spruchpunkt 1 der vorgenannten Strafverfügung nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt (Aktenvermerk vom 23. September 1998).

Hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte (betreffend fünf weitere Verwaltungsübertretungen, aufgrund derer über die Beschwerdeführerin fünf Geldstrafen im Gesamtausmaß von S 6.700.-- verhängt wurden) vertrat die BH die Auffassung, dass diese aufgrund der im Einspruch ausdrücklichen Nennung des § 18 Abs. 1 und § 99 Abs. 3 lit. a StVO nicht mittels Einspruchs angefochten und nach Ablauf der Einspruchsfrist somit rechtskräftig geworden seien.

Da die Beschwerdeführerin in der Folge ihrer Zahlungsverpflichtung bezüglich der verhängten (weiteren fünf) Geldstrafen entsprechend der rechtskräftigen Spruchpunkte 2 bis 7 in einem Gesamtausmaß von S 6.700.-- nicht nachgekommen ist, hat die BH zur Einbringung dieses Betrages beim BG Bad Leonfelden einen Antrag auf Bewilligung der Gehaltsexekution nach § 294a EO gestellt, welcher mit Beschluss vom 9. Oktober 1998 bewilligt wurde.

In der Folge hat die Beschwerdeführerin mit einem als "Oppositionsgesuch und Aufschiebungsantrag" bezeichneten Schriftsatz vom 20. November 1998 u.a. eine Entscheidung darüber begehrt, dass der Anspruch der betreibenden Partei, zu dessen Hereinbringung das BG Bad Leonfelden mit Beschluss vom 9. Oktober 1998 die Gehaltsexekution bewilligt habe, erloschen sei, und der beschwerdeführenden Partei die Kosten des Verfahrens zu ersetzen seien. Weiters beantragte die Beschwerdeführerin die Aufschiebung der anhängigen Exekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das gegenständliche Oppositionsgesuch.

Mit Antrag vom 29. Dezember 1998 begehrte die beschwerdeführende Partei vom BG Bad Leonfelden die Aufschiebung der Exekution. Mit Beschluss vom 24. Februar 1999 schob das BG Bad Leonfelden die Exekution bis zur rechtskräftigen Erledigung des Oppositionsgesuches auf.

Über die gegenüber der Verwaltungsbehörde gestellten Anträge wurde seitens der BH nicht entscheiden, weshalb die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 24. Februar 2000 einen Devolutionsantrag stellte.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Juni 2000 wies die im Devolutionswege angerufene belangte Behörde das Oppositionsgesuch als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. ausgeführt, dass es sich bei den sechs in der Strafverfügung enthaltenen Spruchpunkten um jeweils getrennte Absprüche handle, die auch getrennt bekämpfbar seien und keine (untrennbare) Einheit bilden würden. Dem Einspruch vom 15. Mai 1998 sei ausdrücklich zu entnehmen, dass dieser wegen "§ 18 Abs. 1 und § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960" erhoben worden sei. Wenn die BH daraus ableite, dass dieser Einspruch lediglich Spruchpunkt 1 der gegenständlichen Strafverfügung betreffe bzw. diesem zuzuordnen sei, so sei dies Vorgangsweise als durchaus nachvollziehbar und keineswegs rechtswidrig anzusehen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, welcher erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin wendet insbesondere ein, die Textierung des Einspruches (gegen die Strafverfügung) enthalte keinerlei Einschränkung, sondern es werde die Strafverfügung "zur Gänze" bekämpft. Im Zweifelsfall sei jedenfalls von der Bekämpfung der gesamten Strafverfügung auszugehen. Die Aufzählung am Deckblatt des Einspruchs unter der Rubrik "wegen: § 18 Abs. 1 und § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960" sei exemplarisch und es könne die Behörde könne daraus keine Einschränkung der Anfechtung ableiten. Der Einspruch enthalte nämlich "definitiv" eine Anfechtungserklärung der ganzen Strafverfügung. Die Strafverfügung sei infolge des Einspruchs zur Gänze ex lege außer Kraft gesetzt worden und das Oppositionsgesuch daher berechtigt.

Nach § 3 Abs. 2 VVG sind Bescheide und Rückstandsausweise, die von der erkennenden oder verfügenden Stelle oder von der Vollstreckungsbehörde mit der Bestätigung versehen sind, dass sie einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegen, Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO. Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 EO sind bei der Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist.

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung erstreckt sich die Zuständigkeitsnorm des § 3 Abs. 2 VVG in Ermangelung einer anderen für die Entscheidung bestehenden Kompetenzvorschrift nicht nur auf die Entgegennahme der Einwendungen, sondern auch auf deren materielle Erledigung (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, II. Band, 2. Auflage, S. 1304 unter E 39, 41 und 42 wiedergegebene hg. Judikatur zu § 3 VVG).

Grundsätzlich ist der belangten Behörde beizupflichten, dass die Strafverfügung der BH vom 5. Mai 2000 sechs jeweils getrennte Absprüche über verschiedene Verwaltungsübertretungen nach der StVO enthält, die auch getrennt bekämpfbar sind und die keine untrennbare Einheit bilden.

Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei wurde jedoch mit dem Einspruch gegen die Strafverfügung (Schriftsatz vom 15. Mai 1998) nicht die Strafverfügung "zur Gänze" bekämpft. Vielmehr wird bereits auf der ersten Seite des Einspruchs mit dem Hinweis "wegen: § 18 Abs. 1 und § 99 Abs. 3 lit. a StVO" eine wesentliche Einschränkung bezüglich des Umfangs der Bekämpfung der Strafverfügung vorgenommen, zumal sich - da die Zitierung des § 99 Abs. 3 lit. a StVO als Strafsanktionsnorm (auch) des § 18 Abs. 1 StVO hier nicht isoliert zu betrachten ist - nur eine einzige Verwaltungsübertretung, nämlich jene zu Spruchpunkt 1, auf diese Bestimmungen der StVO bezieht. Darüber hinaus verweist die Textierung des - immerhin von einem rechtskundigen Vertreter verfassten - Einspruchs ("In umseits bezogener Verwaltungsstrafsache ...") ummissverständlich nur auf eine Übertretung, nämlich auf jene, die auf der Vorderseite des Schriftsatzes angeführt wurde (arg.: "umseits"). Es liegt aufgrund dieser Textierung des Einspruchs - entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung - auch keine "exemplarische Aufzählung" der der Beschwerdeführerin insgesamt zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen vor. Die belangte Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass mit dem gegenständlichen Einspruch nur Spruchpunkt 1 der Strafverfügung bekämpft wurde und daher die übrigen Spruchpunkte - mangels fristgerechter Erhebung eines Einspruchs - rechtskräftig wurden. Die dem gegenständlichen Oppositionsgesuch zugrunde liegende Annahme der Beschwerdeführerin, die Strafverfügung sei gemäß § 49 Abs. 2 VStG "zur Gänze" außer Kraft getreten, war daher nicht zutreffend. Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. September 2000

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