Normen
SPG 1991 §16 Abs2;
SPG 1991 §38a Abs1;
SPG 1991 §38a;
StGB §115;
StGB §117;
StGB §83 Abs2;
SPG 1991 §16 Abs2;
SPG 1991 §38a Abs1;
SPG 1991 §38a;
StGB §115;
StGB §117;
StGB §83 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat der mitbeteiligten Partei die Aufwendungen in Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid vom 8. November 1999, Zl. UVS 20.14-7,8,9/1999- 25, hat der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (die belangte Behörde) über die Beschwerde der Mitbeteiligten wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt entschieden, dass ihre am 19. Mai 1999 um 0.15 Uhr erfolgte Wegweisung aus der Wohnung K-Gasse durch Beamte der Bundespolizeidirektion Graz, die mit der Durchsetzung der Wegweisung verbundene Anwendung von Körperkraft und der Ausspruch des Rückkehrverbotes rechtswidrig waren.
Gleichzeitig sprach die belangte Behörde aus, dass die Bundespolizeidirektion Graz der Mitbeteiligten die Kosten des Verfahrens in der Höhe von S 19.050,-- binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen hat.
Die belangte Behörde ging dabei von folgendem rechtserheblichen Sachverhalt aus:
Am 18. Mai 1999, um etwa 22.50 Uhr, sei J.Z. im Wachzimmer Grabenstraße erschienen und habe Anzeige gegen seine frühere Ehegattin (die Mitbeteiligte) erstattet, weil er von ihr im Zuge einer verbalen Auseinandersetzung geschlagen worden sei. Gegenüber dem Dienst habenden Beamten RI Silvio Toader habe J.Z. angegeben, er wäre seit rund neun Monaten geschieden, wohne aber noch mit seiner früheren Gattin in der gemeinsamen Wohnung; ein Güteraufteilungsverfahren wäre noch gerichtsanhängig. Im Verlaufe des Abends wäre es wieder einmal zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen. J.Z. hätte von seiner Ex-Gattin einen Schlag mit der rechten Hand in das Gesicht erhalten, wodurch er - vermutlich mit einem Ring - an der linken Augenbraue verletzt worden wäre. Er nähme an, dass seine Gattin weiterhin Gewalt ausüben werde, weil sie bei diesen Auseinandersetzungen permanent aggressiv wäre. Der ebenfalls in der Wohnung anwesende gemeinsame Sohn müsste die Auseinandersetzung mitbekommen haben, er wäre es auch gewesen, der auf seine Mutter eingeredet hätte, sie solle ihr aggressives Verhalten einstellen.
RI Toader sei die Familie Z. schon aus zwei vorangegangenen Amtshandlungen wegen Streitschlichtung bekannt gewesen. In beiden Fällen hätte die Mitbeteiligte um polizeiliche Intervention ersucht. Einmal sei es darum gegangen, dass J.Z. den Fernseher ausgeschaltet und auf die Sitzbank geworfen habe, ein anderes Mal habe J.Z. die Türschnalle vom Kinderzimmer in der Wohnung abmontiert, damit die Mitbeteiligte nicht in das Zimmer gekonnt hätte, wo sie schlief. Gewalthandlungen, die von der Mitbeteiligten ausgegangen wären, seien nicht bekannt gewesen.
Gegen 23.30 Uhr hätten sich RI Toader und BI Brandstätter zur Wohnung K-Gasse in der Absicht begeben, die Mitbeteiligte zu den Anschuldigungen ihres geschiedenen Gatten zu befragen. Den Beamten sei von J.Z. geöffnet worden, der gleich nach der Anzeigenerstattung allein nach Hause gegangen wäre. In der Wohnung sei es ruhig gewesen; die Mitbeteiligte habe sich schon mit ihrem Sohn in das von ihnen bewohnte Zimmer zurückgezogen. Auf den Hinweis von J.Z., seine Ex-Gattin wäre im Kinderzimmer, habe BI Brandstätter diesen Raum betreten. Er habe die Mitbeteiligte und ihren Sohn in den Betten liegend vorgefunden. Ob die Mitbeteiligte schon geschlafen habe und erst habe geweckt werden müssen oder nicht, sei nicht mehr feststellbar gewesen; jedenfalls habe sie Nachtkleidung getragen. BI Brandstätter habe das Gespräch mit der Mitbeteiligten begonnen, indem er sie gefragt habe, was heute vorgefallen sei, ihr Mann habe sie wegen Körperverletzung angezeigt. Die Mitbeteiligte habe darauf reagiert, indem sie gesagt habe, sie wäre schuldlos, sie hätte ihren Mann nicht geschlagen. Das Einschreiten der Beamten würde aber noch Folgen haben, sie würde sich über ihr Vorgehen beschweren. BI Brandstätter habe erwidert, er habe ein Delikt aufzuklären, die Mitbeteiligte solle aufstehen, sich anziehen und sich ausweisen. Die Mitbeteiligte habe sich diesen Anordnungen nicht fügen wollen; sie habe sich die Bettdecke über den Kopf gezogen und weggedreht. Daraufhin habe BI Brandstätter der Mitbeteiligten die Bettdecke weggezogen, sie bei einer Hand gefasst und in Sitzposition aufgezogen. Die Mitbeteiligte habe das Zimmer verlassen wollen. Der Beamte habe zu ihr gesagt, sie solle dableiben. Er habe ihr den Weg versperrt, da er nicht gewusst habe, wohin sie wollte. Auf Zureden ihres Sohnes habe sich die Mitbeteiligte einen Trainingsanzug über das Schlafgewand gezogen und sei BI Brandstätter in den Vorraum der Wohnung gefolgt. Auf dem Weg dorthin habe die Mitbeteiligte im Vorbeigehen im Wohnzimmer zu ihrem Gatten in aufgebrachtem Ton gesagt: "Das habe ich jetzt dir zu verdanken, du hast mich schon oft geschlagen und ich habe dich noch nie angezeigt". RI Toader habe sie auf seine kurze Frage, was sie zu den Anschuldigungen sage, geantwortet, sie hätte ihren Mann nie geschlagen.
BI Brandstätter habe der Mitbeteiligten zu verstehen gegeben, dass ihr Verhalten zu einer Wegweisung führen könne. Nachdem die Mitbeteiligte ihr verbal aggressives Verhalten gegenüber BI Brandstätter im Vorzimmer fortgesetzt und weiter mit Beschwerden gedroht habe, habe BI Brandstätter am 19. Mai 1999, 0.15 Uhr, ihr gegenüber die Wegweisung und das Rückkehrverbot betreffend die Wohnung K-Gasse und Stiegenhaus ausgesprochen. Die Mitbeteiligte habe daraufhin ihre Schwägerin angerufen, die den Beamten gegenüber bestätigen hätte sollen, dass ihr Ex-Gatte lüge. BI Brandstätter habe mit der Schwägerin gesprochen und ihr erklärt, die Mitbeteiligte müsse aus der Wohnung gewiesen werden, weil sie ihren Mann geschlagen habe. Die Mitbeteiligte habe nicht gehen wollen, sie habe sich passiv gewehrt. Sie habe sich bei der Kühltruhe im Vorraum angehalten, von der sie BI Brandstätter mit Körperkraft weggezogen habe. Auf Zureden ihres Sohnes, sie möge bitte mitgehen, sie komme vielleicht ohnehin gleich wieder zurück, habe sich die Mitbeteiligte wieder beruhigt. Sie habe schließlich ihren Sohn gebeten, Straßenkleidung aus dem Zimmer zu holen, und habe sich der Wegweisung gefügt. Sie habe den Beamten zwei Wohnungsschlüssel ausgehändigt und sei mit ins Wachzimmer Grabenstraße gefahren. Während der gesamten Amtshandlung habe sich J.Z. im Wohnzimmer befunden; er sei weder eingeschüchtert noch ängstlich gewesen. Er habe ruhig gewirkt. Von RI Toader ergänzend zu seiner Anzeige befragt, habe J.Z. wiederholt, was er schon im Wachzimmer gesagt habe. Er sei von seiner Frau geschlagen worden, die Verletzung stamme von einem Ring. Sein Sohn könne dies bezeugen. Dieser habe dazu nur so viel angegeben, dass seine Eltern wieder einmal gestritten hätten, ansonsten hätte er nichts mitbekommen.
Fragen, deren Beantwortung für eine zu treffende Gefährlichkeitsprognose dienlich gewesen wären, z.B. ob J.Z. Angst vor seiner Gattin habe bzw. ob er sich von ihr unmittelbar bedroht fühle, seien polizeilicherseits nicht gestellt worden.
Im Landeskrankenhaus Graz, II. Chirurgische Abteilung, sei noch in der selben Nacht bei J.Z. eine ca. 1 cm lange Hautabschürfung über dem linken Auge diagnostiziert worden. Im Unfallkrankenhaus Graz sei in der selben Nacht bei der Mitbeteiligten ein ausgeprägtes Hämatom am linken Oberarm festgestellt worden.
Die Bundespolizeidirektion Graz habe auf Grund der in der Vorfallsdokumentation vom 19. Mai 1999 angeführten Umstände das Rückkehrverbot gegen die Mitbeteiligte bestätigt. Nach Erhebungen zu einer Hausbesorgerwohnung der Mitbeteiligten in der K-Gasse habe die Bundespolizeidirektion Graz das Stiegenhaus aus dem Rückkehrverbot ausgenommen.
Die belangte Behörde gründete ihre Feststellungen zum Hergang der Amtshandlung auf die Angaben der Mitbeteiligten und auf die Schilderungen der vernommenen Zeugen in der mündlichen Verhandlung vom am 14. Oktober 1999. Das Zustandekommen der 1 cm langen Hautabschürfung bei J.Z. war nach Ansicht der belangten Behörde nicht zu klären. Laut J.Z. habe sich die Mitbeteiligte über ein von ihm unterbrochenes Telefonat geärgert und ihn, als er auf der Couch sitzend mit seiner Schwägerin telefoniert habe, von hinten zwei bis drei Schläge "auf die obere Gesichtshälfte" versetzt. Laut der Mitbeteiligten soll es während des Streitgesprächs zu einem wechselweisen Ein- und Ausschalten des Fernsehers im Wohnzimmer, möglicherweise zu einer unbeabsichtigten "Streifung" beim aneinander Vorbeigehen gekommen sein. A.Z., der Sohn des geschiedenen Ehepaares, habe weder die eine noch die andere Version bestätigt.
Die belangte Behörde kommt in ihrer rechtlichen Würdigung zum Ergebnis, dass das Vorliegen einer nur geringfügigen Verletzung, deren Zustandekommen vor Ort nicht klärbar gewesen sei, und eine durch die nächtlichen Erhebungen der Beamten und deren Eindringen in das Schlafzimmer der Mitbeteiligten verärgerte und verbal aggressive Frau, von der bis dato keine Gewalthandlung bekannt sei, eine Maßnahme im Sinn des § 38a SPG nicht rechtfertigten. Die Beamten seien dieser Fehleinschätzung offenbar nicht zuletzt deshalb unterlegen, weil sie weder J.Z. noch seinen in der Wohnung anwesenden 15-jährigen Sohn zum entscheidenden Punkt - einem drohenden gefährlichen Angriff - befragt hätten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete Gegenschrift und beantragt die Abweisung der Beschwerde und die Zuerkennung des ihr gesetzlich zustehenden Aufwandersatzes.
Die mitbeteiligte Partei legte ebenfalls Gegenschrift vor und beantragt kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 38a Sicherheitspolizeigesetz (SPG) in der durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 759/1996 geänderten, am 19. Mai 1999, dem Zeitpunkt der beschwerdegegenständlichen Amtshandlung, geltenden Fassung lautete:
"Wegweisung und Rückkehrverbot bei Gewalt in Wohnungen
§ 38a. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.
(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind überdies ermächtigt, dem Betroffenen die Rückkehr in den nach Abs. 1 bestimmten Bereich zu untersagen; die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Rückkehrverbotes ist jedoch unzulässig. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, dem Betroffenen alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen; sie sind verpflichtet, ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen.
(3) Im Falle eines Rückkehrverbotes sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet, vom Betroffenen die Bekanntgabe einer Abgabestelle für Zwecke der Zustellung einer Information über die Aufhebung des Rückkehrverbotes oder einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO zu verlangen. Unterlässt er dies, kann die Zustellung solcher Schriftstücke so lange durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch erfolgen, bis eine Bekanntgabe erfolgt; darauf ist der Betroffene hinzuweisen.
(4) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind weiters verpflichtet, den Gefährdeten von der Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO und von geeigneten Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs. 2) zu informieren.
(5) Bei der Dokumentation der Anordnung eines Rückkehrverbotes ist nicht bloß auf die für das Einschreiten maßgeblichen Umstände, sondern auch auf jene Bedacht zu nehmen, die für ein Verfahren nach § 382b EO von Bedeutung sein können.
(6) Die Anordnung eines Rückkehrverbotes ist der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekannt zu geben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Hiezu kann die Sicherheitsbehörde alle Einrichtungen und Stellen beiziehen, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beitragen können. Die Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde kann überdies die im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Ärzte heranziehen. Sie hat, sobald sich ergibt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung des Rückkehrverbotes nicht mehr bestehen, dieses aufzuheben und hievon den Betroffenen und den Gefährdeten unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die nach Abs. 2 abgenommenen Schlüssel sind mit Aufhebung des Rückkehrverbotes dem Betroffenen auszufolgen, im Falle eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO bei Gericht zu erlegen.
(7) Das Rückkehrverbot endet mit Ablauf des siebenten Tages nach seiner Anordnung; es endet in jenen Fällen, in denen das Gericht die Sicherheitsbehörde von einem ohne unnötigen Aufschub eingebrachten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO in Kenntnis gesetzt hat, mit dem vom Gericht bekannt gegebenen Tag der Entscheidung, spätestens jedoch nach 14 Tagen."
Die Ermächtigung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einen Menschen aus einer Wohnung wegzuweisen, verlangt das Vorliegen bestimmter Tatsachen, auf Grund derer anzunehmen ist, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor.
Die nach § 38a Abs. 5 SPG zu verfassende Dokumentation der Anordnung des Rückkehrverbotes ist dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt zwar nicht angeschlossen, die belangte Behörde konnte jedoch von den Aussagen ausgehen, welche die in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommenen einschreitenden Beamten getätigt hatten und die vom Vertreter der Bundespolizeidirektion Graz insoweit nicht in Frage gestellt worden waren.
Den Aussagen der Streitbeteiligten und des Sohnes gegenüber den einschreitenden Beamten war kein Hinweis zu entnehmen, dass es bei den von beiden Streitbeteiligten und auch vom Sohn eingeräumten früheren Streitigkeiten zu Körperverletzungen gekommen wäre. Einerseits wurde von Wortgefechten, andererseits von einander Schlagen gesprochen. Während in der Bemerkung der Mitbeteiligten zu ihrem früheren Ehegatten "Du hast mich schon oft geschlagen und ich habe dich noch nie angezeigt" ein indirektes Geständnis gesehen werden kann, diesmal habe sie ihren früheren Ehegatten geschlagen, umfasst diese Bemerkung kein Zugeständnis einer durch dieses Schlagen verursachten Körperverletzung.
Ein gefährlicher Angriff ist nach § 16 Abs. 2 SPG die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand u.a. nach dem Strafgesetzbuch handelt. Das bloße Misshandeln (Schlagen) bildet eine gerichtlich strafbare Handlung nur, wenn es öffentlich oder vor mehreren Leuten begangen wird (§ 115 StGB; da Privatanklagedelikt (§ 117 StGB) allerdings kein "gefährlicher Angriff") oder eine fahrlässige Körperverletzung zur Folge hat (§ 83 Abs. 2 StGB). Da die belangte Behörde aus den Aussagen der Streitbeteiligten und deren Sohnes und der Geringfügigkeit der Verletzung schlüssig annehmen durfte, die Herkunft der Verletzung sei im Zeitpunkt der Wegweisung nicht geklärt gewesen, ist auch der darauf beruhende Schluss, dass von einem dem Einschreiten vorangegangenen gefährlichen Angriff (im Sinn des § 16 Abs. 2 SPG) im Zeitpunkt der Aussprache der Wegweisung nicht ausgegangen werden konnte, nicht als rechtswidrig anzusehen.
Aber selbst wenn von einem vorangegangenen gefährlichen Angriff ausgegangen werden könnte, wäre eine Wegweisung noch nicht zwingend auszusprechen. § 38a Abs. 1 SPG ermächtigt zur Wegweisung, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorausgegangenen gefährlichen Angriffs anzunehmen ist, es stehe ein gefährlicher Angriff bevor. Die Tatsache, dass unmittelbar vor oder im Zuge des polizeilichen Einschreitens ein gefährlicher Angriff stattgefunden hat, legitimiert allein noch nicht zur Wegweisung. Einem solchen vorangegangenen gefährlichen Angriff kommt jedoch eine wichtige, im Gesetz herausgestrichene Indizwirkung zu (Wiederin, Sicherheitspolizeirecht, Rz 479).
Die Folge, dass wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs ein gefährlicher Angriff bevorsteht, wird vom Gesetz aber nicht vermutet, sondern ist eben vom einschreitenden Organ zu beurteilen. Dabei ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen und zunächst zu fragen, ob er vertretbar annehmen konnte, dass ein gefährlicher Angriff erfolgt ist und ob ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht (ähnlich das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1998, 97/01/0448). Auf Grund des sich ihm bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Drohende "bloße" Belästigungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs reichen daher nicht aus (siehe auch Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, Seite 106).
Das Verhalten der Mitbeteiligten vom Erscheinen der Sicherheitswachebeamten in der Wohnung K-Gasse bis zum Ausspruch der Wegweisung gab keinen Hinweis auf einen bevorstehenden gefährlichen Angriff gegen eines der in § 38a SPG genannten Rechtsgüter. Der Streit zwischen den früheren Ehegatten war offenbar beendet. Die Mitbeteiligte hatte sich bereits umgekleidet und befand sich im Bett. J.Z. war nach erstatteter Anzeige vor den Sicherheitswachebeamten in die Wohnung zurückgekehrt und hatte offenbar selbst keine Furcht vor einer neuerlichen Streitigkeit. Der Sicherheitswachebeamte RI Franz Brandstätter gibt als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde an, dass "von einem drohenden Angriff bei Beginn der Amtshandlung nicht die Rede war". Das Verhalten der Mitbeteiligten in Anwesenheit der Sicherheitswachebeamten wird von diesen selbst als verbale Aggressivität geschildert, welche jedoch keinerlei Drohungen oder Ankündigungen gegen ihren früheren Ehegatten enthielt. Die Anwendung körperlicher Gewalt durch den Sicherheitswachebeamten war durch den passiven Widerstand der Mitbeteiligten verursacht, die sich dem Zugriff und der Entfernung durch den Sicherheitswachebeamten zu entziehen trachtete. Darin eine Aggressivität zu sehen, welche einen bevorstehenden gefährlichen Angriff auf ihren früheren Ehegatten vermuten ließe, wäre verfehlt. Die Möglichkeit, dass die Ehegatten neuerlich zu streiten beginnen, wie sie es in früherer Zeit schon des Öfteren getan hatten, war zwar durchaus gegeben, dass jedoch ein solcher Streit zu einem gefährlichen Angriff der Mitbeteiligten eskaliert hätte, dafür bestand kein Hinweis.
Die belangte Behörde nahm daher zu Recht an, dass die einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes weder von einem vorangegangenen gefährlichen Angriff noch vom Bevorstehen eines gefährlichen Angriffs gegen eines der in § 38a SPG genannten Rechtsgüter ausgehen konnten, weshalb die ausgesprochene Wegweisung rechtswidrig war.
Da die ausgesprochene Wegweisung rechtswidrig war, war zwangsläufig auch die zu ihrer Durchsetzung angewandte Zwangsgewalt rechtswidrig.
Da das Rückkehrverbot nach § 38a Abs. 2 SPG notwendigerweise eine vorherige rechtmäßige Wegweisung erforderte (anders jetzt allerdings das Betretungsverbot des § 38a SPG i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 146/1999; vgl. auch Dearing, Sicherheitspolizeigesetz, S. 73), ergibt sich aus der Rechtswidrigkeit der vorhergehenden Wegweisung auch die Rechtswidrigkeit des verhängten Rückkehrverbots.
Da sich somit erweist, dass dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Kostenzuspruch für den Beschwerdeführer und die belangte Behörde findet im Falle einer Beschwerde des Bundesministers für Inneres nach § 91 Abs. 1 Z. 1 SPG nicht statt (§ 47 Abs. 4 VwGG); unbeschadet dessen ist die mitbeteiligte Partei im Falle des Obsiegens der belangten Behörde neben dieser als obsiegende Partei anzusehen und steht ihr Aufwandersatz nach § 48 Abs. 3 und § 49 Abs. 1 VwGG zu (vgl. den hg. Beschluss vom 12. November 1968, Zlen. 2241 - 2247/65, 171 - 174/66).
Wien, am 21. Dezember 2000
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