VwGH 99/20/0439

VwGH99/20/043930.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des BA in X, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 23. März 1999, Zl. 441.516/4-V.6/1999, betreffend eine Angelegenheit des Strafvollzuges, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
StVG §127 Abs1;
StVG §134 Abs1;
StVG §134;
AVG §58 Abs2;
StVG §127 Abs1;
StVG §134 Abs1;
StVG §134;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizanstalt X eine wegen des Verbrechens des Mordes verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Jahren. Am 27. November 2004 würde der Beschwerdeführer die zeitlichen Voraussetzungen für die bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs. 1 StGB erfüllen. Urteilsmäßiges Strafende ist der 27. Mai 2012.

Mit Erlass der belangten Behörde vom 18. November 1998 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 134 Abs. 1 StVG unter Bedachtnahme auf seine Wesensart, sein Vorleben, seine persönlichen Verhältnisse, die Beschaffenheit der Straftaten, deren er schuldig erkannt worden ist, sowie unter Berücksichtigung der bestmöglichen Ausnützung der Vollzugseinrichtungen für den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe in die Justizanstalt X klassifiziert und gleichzeitig seine Anhaltung im Normalvollzug gemäß § 127 Abs. 5 StVG angeordnet. Auf einen Alkoholmissbrauch des Beschwerdeführers seit 1990 wurde hingewiesen.

Am 2. Februar 1999 stellte der Beschwerdeführer - soweit hier wesentlich - den schriftlichen Antrag auf Klassifizierung in den Erstvollzug. Er wies darauf hin, noch nie inhaftiert gewesen zu sein und den wichtigen und einzigen sozialen Kontakt zu seiner 72 Jahre alten und herzkranken Mutter aufrecht erhalten zu wollen.

Am 23. März 1999 richtete die belangte Behörde an den Leiter der Justizanstalt X ein Schreiben folgenden Inhaltes:

"Betrifft: Strafgefangenen A

Ansuchen um Anhaltung im Erstvollzug gemäß § 127 StVG

Das Bundesministerium für Justiz hat auf Grund der Eingabe des Strafgefangenen A vom 2.2.1999 derzeit keinen Anlass gefunden, gemäß § 127 StVG dessen Anhaltung im Erstvollzug anzuordnen.

Hiefür war neben der Strafdauer und der Persönlichkeit des Strafgefangenen maßgebend, dass gegenüber der Klassifizierung keine Änderung in der Sachlage eingetreten ist.

Der Herr Leiter der Justizanstalt X wird ersucht, den genannten Strafgefangenen mündlich von der getroffenen Entscheidung in Kenntnis zu setzen."

Gegen diese vom Beschwerdeführer als Bescheid angesehene Erledigung, deren Inhalt ihm mündlich verkündet wurde, richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren und eine gesetzmäßige Behandlung in der Strafhaft, insbesondere auf Anhaltung im Erstvollzug, verletzt. Die Beschwerde macht unter anderem geltend, dass dem angefochtenen Bescheid die erforderliche Begründung fehle.

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei dem Ansuchen des Beschwerdeführers vom 2. Februar 1999 handelt es sich um ein Ansuchen hinsichtlich des seine Person betreffenden Strafvollzuges im Sinne des § 119 StVG. Zur Anordnung einer Änderung und damit zur Entscheidung über einen Antrag auf Fortsetzung des Strafvollzuges in anderer Form (nachträgliche Änderung der Klassifizierung) ist gemäß § 134 Abs. 6 StVG die belangte Behörde zuständig. Gemäß § 134 Abs. 5 zweiter Satz StVG ist der Strafgefangene vom Ergebnis der Klassifizierung, also der Entscheidung, zu verständigen, in welcher Form und nach welchen Grundsätzen die Strafe im Einzelfall zu vollziehen ist. Da gemäß § 134 Abs. 6 zweiter Satz StVG die Bestimmungen des Abs. 3 bis 5 dieses Paragraphen für die Anordnung der Forstsetzung des Strafvollzuges in anderer Form sinngemäß anzuwenden sind, hatte auch bei einer Ablehnung des Antrages des Beschwerdeführers auf Änderung des Strafvollzuges eine solche Verständigung des Beschwerdeführers zu erfolgen.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte bereits in seinem Erkenntnis vom 10. April 1973, Zl. 1793/72, die Erledigung eines Antrages auf Abänderung eines anderen Ergebnisses der Klassifizierung (Normalstatt Erstvollzug als angeordnete Form des Strafvollzuges) zu beurteilen. Der Verwaltungsgerichtshof wertete diese Erledigung als Bescheid und fügte hinzu, hinsichtlich der strittigen Vollzugsform ergebe sich aus der Formulierung des § 127 Abs. 1 StVG ("... sind getrennt ... anzuhalten") ein "Anspruch" des Strafgefangenen. Auch die dem zitierten Erkenntnis zu Grunde liegende Erledigung der belangten Behörde erschöpfte sich in der Begründung lediglich darin, es sei kein Anlass gefunden worden, die Aufnahme des Strafgefangenen in den Erstvollzug anzuordnen, "da ein schädlicher Einfluss auf Mitgefangene zu befürchten ist". Diese als Bescheid gewertete Erledigung wurde aufgehoben, weil sie keine Begründung im Sinne der §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG enthielt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in der Folge an der Zurechnung und dem Begründungserfordernis für mündlich verkündete "Erlässe" betreffend die Klassifizierung im Strafvollzug (Strafvollzugsortänderungen betreffend) festgehalten (vgl. die hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1980, Zl. 2256/79, vom 29. Jänner 1986, Zl. 85/01/0118, vom 25. Februar 1987, Zlen. 86/01/0206 und 86/01/0113, sowie vom 12. September 1996, Zl. 95/20/0750).

Auch im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung lediglich auf die "Strafdauer", die "Persönlichkeit des Strafgefangenen" sowie auf den Umstand berufen, dass gegenüber der Klassifizierung "keine Änderung in der Sachlage" eingetreten sei. Diese Begründung reicht nicht aus, um es dem Verwaltungsgerichtshof zu ermöglichen, den angefochtenen Bescheid auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes zu prüfen. Die in der Gegenschrift vorgebrachten Erwägungen vermögen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Mängel der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu beheben.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Ein Aufwandersatz wurde nicht verzeichnet.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 30. November 2000

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