VwGH 99/20/0435

VwGH99/20/043527.1.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der MB in G, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Juni 1999, Zl. Wa-102/98, betreffend Entziehung der Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
WaffG 1996 §8 Abs1;
AVG §45 Abs2;
WaffG 1996 §8 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. Februar 1998 entzog die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung der Beschwerdeführerin gemäß §§ 25 Abs. 3 i.V.m. 8 Abs. 1 Z 2 Waffengesetz 1996 (im Folgenden: WaffG) die ihr am 24. Juli 1989 ausgestellte Waffenbesitzkarte 187560. Die ausgesprochene Entziehung wurde damit begründet, dass im Zuge einer gerichtlich veranlassten Hausdurchsuchung die Pumpgun der Beschwerdeführerin in einem unversperrten Schlafzimmer an die Wand gelehnt vorgefunden worden sei. Die Munition dafür sei mit Faustfeuerwaffen im unversperrten Schlafzimmerschrank aufgelegen. Zur Zeit der Hausdurchsuchung hätten sich auch hausfremde Personen in der Wohnung befunden. Der festgestellte Sachverhalt stütze sich auf die Zeugenaussagen der unter Diensteid stehenden Gendarmeriebeamten, an deren Glaubwürdigkeit keinerlei Zweifel vorlägen. Demgemäß stehe für die Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin ihre Pumpgun nicht ordnungsgemäß verwahrt gehalten habe.

In der dagegen erhobenen Berufung bestritt die Beschwerdeführerin, dass sich die Waffe im unversperrten Schlafzimmer frei zugänglich befunden hätte. Die Waffe sei vielmehr im versperrten Schlafzimmerschrank aufbewahrt gewesen. Ebenso sei auch die Schlafzimmertür zugesperrt gewesen. Zum Beweis dafür, dass sowohl die Schlafzimmertür als auch der Schlafzimmerschrank versperrt gewesen seien, beantragte die Beschwerdeführerin ihre Einvernahme und die ihres Ehemannes.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juni 1999 wurde der Berufung keine Folge gegeben.

Die belangte Behörde ging von dem im erstinstanzlichen Bescheid festgestellten Sachverhalt aus. Mit dem in der Berufung gestellten Beweisantrag setzte sich die belangte Behörde nicht auseinander. Sie führte lediglich aus: "Zentrales Beurteilungskriterium waren die Zeugenaussagen der unter Diensteid stehenden Gendarmeriebeamten, die schlüssig und glaubwürdig waren und kein Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen besteht".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der eine Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht werden. Beantragt wird aus diesen Gründen die Aufhebung des bekämpften Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 8 Abs. 1 WaffG ist ein Mensch als (waffenrechtlich) verlässlich anzusehen, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er

  1. 1. Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
  2. 2. mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;
  3. 3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

Wären die Feststellungen der belangten Behörde das Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens, so bestünden gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei im Sinne der vorerwähnten Bestimmung als nicht mehr waffenrechtlich verlässlich anzusehen, keine Bedenken.

Allerdings hat die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin schon im Verfahren erster Instanz gestellten und in der Berufung wiederholten Beweisanträge zu der hier maßgeblichen Frage der Art der Aufbewahrung ihrer Waffen einfach negiert. Offensichtlich war die belangte Behörde der Auffassung, aufgrund der Aussage der Gendarmeriebeamten sei der Sachverhalt ausreichend geklärt und allfällige gegenteilige Zeugenaussagen wären ohnehin nicht geeignet, die glaubwürdigen Angaben "der unter Diensteid stehenden Gendarmeriebeamten" zu erschüttern. Dazu wird aber in der Beschwerde mit Recht aufgezeigt, dass den Verwaltungsverfahrensgesetzen eine vorweggenommene Würdigung von beantragten Beweisen fremd ist und demnach eine Würdigung der Beweise hinsichtlich ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit nur nach deren Aufnahme möglich ist. Die Wertung eines Beweises auf seine Glaubwürdigkeit hin setzt demnach die Aufnahme des Beweises voraus (vgl. dazu bereits die hg. Erkenntnisse vom 8. März 1949, Slg. Nr. 726/A; vom 15. Mai 1979, Zlen. 409, 411/79; und vom 11. Februar 1987, 86/03/0189, für viele). Allein deshalb, weil die belangte Behörde die Aussagen der Gendarmeriebeamten als besonders glaubwürdig einschätzte, durfte sie eine möglicherweise gegenteilige Zeugenaussage ohne Einvernahme des angebotenen Zeugen nicht schon als unglaubwürdig bewerten. Die Behörde darf einen Beweis nur dann von vornherein ablehnen, wenn er - objektiv gesehen - nicht geeignet ist, über den maßgebenden Sachverhalt einen Beweis zu liefern. Dass dies in Ansehung des in der Berufung gestellten Beweisanbots der Fall wäre, ist nicht ersichtlich.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 27. Jänner 2000

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