Normen
AVG §1;
AVG §6;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §47 Abs3 Z2;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs2 Z1;
FrG 1997 §94 Abs4;
AVG §1;
AVG §6;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §47 Abs3 Z2;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs2 Z1;
FrG 1997 §94 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte durch ihre Mutter beim Österreichischen Generalkonsulat in Istanbul unter Verwendung eines entsprechenden Formulars einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, der am 26. August 1998 beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung und am 16. September 1998 bei der Bezirkshauptmannschaft Perg einlangte. Als Aufenthaltszweck war auf dem Antragsformular Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit dem Großvater, nach den Angaben auf dem Antragsformular einem österreichischen Staatsbürger, angegeben.
Die Bezirkshauptmannschaft Perg wies namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich aufgrund der Ermächtigung durch die von diesem erlassene Verordnung LGBl. Nr. 142/1997 als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung erster Instanz mit Bescheid vom 16. Februar 1999 den als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gewerteten Antrag der Beschwerdeführerin zum Zweck der Familienzusammenführung zu ihrem Großvater gemäß § 10 Abs. 3 letzter Satz des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei türkische Staatsbürgerin und benötige demnach für eine Niederlassung im Bundesgebiet eine entsprechende Bewilligung nach dem FrG 1997. Eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung seitens ihres Großvaters bestehe nicht. Dieser habe sich aber in einer Verpflichtungserklärung vom 25. September 1997 verpflichtet, für den Unterhalt der Beschwerdeführerin aufzukommen. Nach dem FrG 1997 sei jedoch gemäß § 10 Abs. 3 die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aufgrund einer Verpflichtungserklärung unzulässig.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, der Großvater sei österreichischer Staatsbürger und verfüge über einen von der Bezirkshauptmannschaft Perg ausgestellten Reisepass. Beigelegt war eine Kopie des Reisepasses des Großvaters.
Mit Bescheid vom 11. Mai 1999 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 10 Abs. 3 und § 21 Abs. 1 bis 3 FrG 1997 ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe am 26. August 1998 über das Österreichische Generalkonsulat Istanbul einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gestellt. Durch ihre Mutter habe die Beschwerdeführerin gegen die Abweisung durch die Behörde erster Instanz berufen und im Wesentlichen eingewendet, dass ihre ganze Familie in Österreich lebe und ihre Mutter nach deren Scheidung in der Türkei in einer sehr schwierigen Lage wäre. Als Aufenthaltszweck habe sie Familiengemeinschaft mit ihrem in Österreich lebenden Großvater angegeben, der für sie eine Verpflichtungserklärung abgegeben habe. Da der Antrag ihrer Mutter auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung abgewiesen worden sei, liege im gegenständlichen Fall keine Familienzusammenführung mit der Mutter in Österreich vor, die Erteilung einer Erstniederlassungbewilligung mit dem Zweck Familiengemeinschaft mit dem Großvater gemäß § 21 FrG 1997 sei ausgeschlossen. Aus diesem Grund sei der Antrag abzuweisen gewesen. Da die Beschwerdeführerin bzw. ihre Mutter über keine eigenen Mittel verfügten, solle ihr Lebensunterhalt in Österreich einzig und allein durch die Verpflichtungserklärung ihres Großvaters gesichert werden. Gemäß § 10 Abs. 3 FrG 1997 sei jedoch die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung ausgeschlossen und der Antrag daher auch aus diesem Grund abzuweisen gewesen. Eine gesetzliche Verpflichtung ihres Großvaters auf Unterhaltsleistung sei nicht gegeben. Nach der ständigen Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bestehe kein Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung im Hinblick auf Art. 8 MRK, wenn dies nicht unbedingt (aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung) erforderlich erscheine. Somit liege es im Ermessen, nach den im § 8 Abs. 3 FrG 1997 genannten gesetzlichen Kriterien den Antrag zu beurteilen. Danach sei der von der Beschwerdeführerin angeführte Zweck für einen Aufenthaltstitel ohne gesetzliche Grundlage und somit nicht zu erteilen. Weiters sei festzustellen, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die anderen möglichen Aufenthaltszwecke nach dem FrG 1997 im Hinblick auf die Vielzahl der Bewilligungswerber nur mäßig oder überhaupt nicht erfülle. Aus diesem Grund habe die Berufungsbehörde die öffentlichen Interessen höher beurteilt als die privaten Interessen der Beschwerdeführerin.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 47. ...
...
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:
...
2. Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird;
...
§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. ...
...
§ 88. (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese.
...
§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.
(2) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft jedoch die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, wenn es sich um den Aufenthaltstitel
1. für einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem
4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt;
...
§ 94. (1) Über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz.
...
(4) Über Berufungen gegen Bescheide, die im Zusammenhang mit der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen vom Landeshauptmann oder von der von ihm ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde erlassen worden sind, entscheidet der Bundesminister für Inneres."
§ 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich über die Ermächtigung der Bezirksverwaltungsbehörden zu Entscheidungen nach dem Fremdengesetzes 1997, LGBl. Nr. 142/1997, lautet:
"§ 1
Die Bezirksverwaltungsbehörden im Land Oberösterreich sind ermächtigt, Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen (§ 89 Abs. 1 FrG) - ausgenommen die Fälle des § 89 Abs. 2 FrG - sowie mit einer Aufenthaltserlaubnis für quotenpflichtige Pendler (§ 90 Abs. 4 FrG) in erster Instanz im Namen des Landeshauptmannes zu treffen."
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Beschwerdeführerin das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Ungeachtet des Vorbringens der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag sowie in ihrer Berufung, bei ihrem Großvater handle es sich um einen österreichischen Staatsbürger, unterließ die belangte Behörde eine diesbezügliche Feststellung. Hätte sie festgestellt, dass der Großvater der Beschwerdeführerin österreichischer Staatsbürger ist, hätte sie jedoch aus folgenden Gründen zu einem anderen Bescheid gelangen können:
Bei Zutreffen des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren wäre diese eine Verwandte ihres Großvaters in absteigender Linie im Sinne des § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG 1997 iVm § 49 Abs. 1 FrG 1997 (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0228). Zählte die Beschwerdeführerin aber zu dem im § 47 Abs. 3 Z. 2 und § 49 Abs. 1 FrG 1997 umschriebenen Personenkreis, so hätte sie im Sinne des § 49 Abs. 1 erster Satz FrG 1997 Niederlassungsfreiheit genossen. Da gemäß § 89 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen, wenn es sich um den Aufenthaltstitel für einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem 4. Hauptstück (zu dem auch § 49 FrG 1997 zählt) Niederlassungsfreiheit genießt, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, somit die Fremden(polizei)behörde erster Instanz zu treffen hat, wäre der Landeshauptmann (bzw. die von ihm nach § 89 Abs. 1 zweiter Satz FrG 1997 ermächtigte Bezirksverwaltungsbehörde) unzuständig gewesen.
Wie sich aus dem Bescheid der Behörde erster Instanz (der Bezirkshauptmannschaft Perg) ergibt, traf diese ihre Entscheidung im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung, somit unzweifelhaft als Niederlassungsbehörde im Sinne des § 89 Abs. 1 FrG 1997. Aus § 94 Abs. 4 FrG 1997 folgte zwar, dass die belangte Behörde über die Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz zu entscheiden hatte, die Zuständigkeit der belangten Behörde hätte jedoch, läge ein Fall des § 89 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 vor, nur so weit gereicht, den von der Behörde erster Instanz im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich als Niederlassungsbehörde erster Instanz erlassenen Bescheid ersatzlos zu beheben. Danach wäre es Aufgabe der Bezirkshauptmannschaft Perg gewesen, gemäß § 89 Abs. 2 FrG 1997 als Fremden(polizei)behörde erster Instanz (im eigenen Namen) über den Antrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden (zuständige Berufungsbehörde wäre gemäß § 94 Abs. 1 FrG 1997 die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich).
Indem die belangte Behörde die nach dem bisher Gesagten erforderliche Feststellung zur Staatsbürgerschaft des Großvaters der Beschwerdeführerin - offenkundig aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht - unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes ein weiterer Kostenersatz für Aktenabschriften nicht vorgesehen ist.
Wien, am 17. März 2000
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