Normen
31968R1612 Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft Art10 Abs1;
ABGB §7;
EURallg;
FrG 1993 §29 Abs3;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §6 Abs3;
VwRallg;
31968R1612 Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft Art10 Abs1;
ABGB §7;
EURallg;
FrG 1993 §29 Abs3;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §6 Abs3;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 14. September 1990 geborene Beschwerdeführer beantragte am 11. Dezember 1998 bei der Bundespolizeidirektion Wien die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Er brachte vor, seine Mutter lebe in Österreich und sei mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Unter der Rubrik "Daten des Österreichers, von welchem die Angehörigeneigenschaft abgeleitet wird" führte der Beschwerdeführer den österreichischen Ehegatten seiner Mutter an.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Februar 1999 wurde dieser Antrag gemäß § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) "als unzulässig zurückgewiesen".
Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 14 Abs. 2 FrG 1997 seien Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Beschwerdeführer sei mit einem Aufenthaltsvisum (Visum D) nach Österreich eingereist. Ein solches Visum berechtige nicht zur Niederlassung im Inland. Der Beschwerdeführer sei daher im Bundesgebiet bisher nicht niedergelassen gewesen. § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 sei nicht anwendbar. Die Antragstellung vom Inland aus sei unzulässig.
Die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, er sei begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 47 Abs. 3 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 FrG 1997, sei verfehlt. Gemäß § 47 Abs. 3 FrG 1997 seien begünstigte Drittstaatsangehörige lediglich Ehegatten, Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus soferne ihnen Unterhalt gewährt werde, weiters Verwandte und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie, soferne ihnen Unterhalt gewährt werde. Der Beschwerdeführer falle unter keine der angeführten Personengruppen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6 Abs. 3 und 5, § 7, § 14 Abs. 2, § 47 Abs. 2 und 3 und § 49 Abs. 1 FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 6. ...
...
(3) Visa werden für die Einreise zu einem sechs Monate nicht übersteigenden Aufenthalt ausgestellt. ...
...
(5) ... Aufenthaltsvisa berechtigen zu einem drei Monate übersteigenden Aufenthalt in Österreich.
...
§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als
- 1. Aufenthaltserlaubnis oder
- 2.
Niederlassungsbewilligung
erteilt.
...
§ 14. ...
(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist und ... bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; ...
...
§ 47. ...
...
(2) Sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind, genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. ...
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:
- 1. Ehegatten;
- 2. Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird;
3. Verwandte und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird.
...
§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. ..."
In den Erläuterungen zum FrG 1997 (RV: 685 BlgNR 20. GP) heißt
es:
"Zu § 47:
... In Abs. 2 wurden lediglich terminologische Anpassungen in Hinblick auf den Begriff der Aufenthaltstitel vollzogen. In Abs. 3 Z 2 wurde analog zur Verordnung EG 1612/68 das Alter der begünstigten drittstaatsangehörigen Kinder auf 21 Jahre hinaufgesetzt und normiert, dass sonstige Verwandte in absteigender Linie (entweder Enkelkinder oder ältere Kinder) aufenthaltsrechtlich dann privilegiert sind, wenn ihnen Unterhalt gewährt wird. Die Bestimmung des Abs. 3 Z 3 umfasst nunmehr auch alle Verwandten, wie sie in der Verordnung 1612/68 genannt sind, und erweitert den begünstigten Personenkreis im Einklang mit den Bestimmungen der Verordnung. ...
...
Zu § 49:
Der vorgeschlagene Text stellt die Angehörigen von Österreichern in Hinkunft unter dasselbe fremdenrechtliche Regime, wie die begünstigten Drittstaatsangehörigen von EWR-Bürgern, mit der Maßgabe, dass die ersten beiden Niederlassungsbewilligungen, die dem Angehörigen eines Österreichers erteilt werden, jeweils eine Gültigkeitsdauer von einem Jahr aufweisen werden. ..."
§ 29 des Fremdengesetzes 1992 (FrG 1992) lautete:
"§ 29. (1) Angehörige von EWR-Bürgern, die zwar Fremde, aber nicht EWR-Bürger sind (Drittstaatsangehörige), unterliegen der Sichtvermerkspflicht gemäß § 5.
(2) Sofern die EWR-Bürger zum Aufenthalt berechtigt sind, ist begünstigten Drittstaatsangehörigen (Abs. 3) ein Sichtvermerk auszustellen, wenn durch deren Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wäre. ...
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind
1. Kinder bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres und Ehegatten;
2. Verwandte der EWR-Bürger in auf- und absteigender Linie oder ihre Ehegatten, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird."
In den Erläuterungen zu dieser Gesetzesbestimmung (RV: 692 BlgNR 18. GP) heißt es:
"Der Entwurf nimmt bewusst davon Abstand, beim Begriff der Familienangehörigen gleich dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht danach zu unterscheiden, ob es sich um Familienangehörige eines zum Aufenthalt berechtigten Arbeitnehmers, selbstständig Erwerbstätigen oder Dienstleistungserbringers, eines Studenten, einer aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen oder einer nach der Richtlinie 90/364/EWG begünstigten Person oder gar um einen Verbleibeberechtigten handelt. Die im Gemeinschaftsrecht getroffene Unterscheidung, ob es sich bei Angehörigen eines EWR-Bürgers selbst um Staatsangehörige einer Vertragspartei des EWR-Abkommens oder aber um Staatsangehörige eines anderen als eines EWR-Staates handelt (Drittstaatsangehöriger), wird allerdings aufrecht erhalten; solchen Drittstaatsangehörigen ist nach Abs. 2 das Aufenthaltsrecht einzuräumen, wenn der EWR-Bürger zum Aufenthalt berechtigt ist und durch den Aufenthalt der Angehörigen nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wäre; es handelt sich somit um ein vom Recht des EWR-Bürgers abgeleitetes Recht. Die einschlägigen im EWR-Abkommen verwiesenen EG-Sekundärrechtsakte schränken darüber hinaus den Kreis der aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ein; in Abs. 3 wird der weiteste vom Gemeinschaftsrecht umfasste Begriffsumfang der solcherart begünstigten Drittstaatsangehörigen übernommen. ..."
Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EWG) 1612/68 lautet:
1. In deutscher Fassung:
"Artikel 10
(1) Bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit Wohnung nehmen:
a) sein Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird;
b) seine Verwandten und die Verwandten seines Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er Unterhalt gewährt."
2. In englischer Fassung:
"Article 10
1. The following shall, irrespective of their nationality, have the right to install themselves with a worker who is a national of one Member State and who is employed in the territory of another Member State:
(a) his spouse and their descendants who are under the age of 21 years or are dependants;
(b) dependent relatives in the ascending line of the worker and his spouse."
3. In französischer Fassung:
"Article 10
1. Ont le droit de s'installer avec le travailleur ressortissant d'un Etat membre employe sur le territoire d'un autre Etat membre, quelle que soit leur nationalite:
a) son conjoint et leurs descendants de moins de vingt et un ans ou a charge;
b) les ascendants de ce travailleur et de son conjoint qui sont a sa charge."
Eingangs ist festzuhalten, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Bestimmung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 eine Erfolgsvoraussetzung umschreibt, deren Fehlen nicht die Zurück-, sondern die Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/19/0269). Bei der von der belangten Behörde im Instanzenzug ausgesprochenen "Zurückweisung" handelt es sich in Wahrheit um eine Abweisung. Die belangte Behörde hat sich insofern lediglich im Ausdruck vergriffen.
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, auf ihn sei die Ausnahmebestimmung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 anzuwenden, weil er über ein Aufenthaltsvisum verfügt habe. Zwar stelle ein Aufenthaltsvisum keinen Aufenthaltstitel im wörtlichen Verständnis des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 dar. Ein Aufenthaltsvisum berechtige aber zu einem drei Monate übersteigenden Aufenthalt im Bundesgebiet und sei daher dem Aufenthaltstitel der Aufenthaltserlaubnis sehr ähnlich. Das Visum D sei folglich einem Aufenthaltstitel im Sinne des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 gleichzuhalten.
Diesen Ausführungen ist aber zunächst der klare Wortlaut des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 entgegenzuhalten. Eine planwidrige Unvollständigkeit des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 in Ansehung von Fremden, die über ein Aufenthaltsvisum verfügten, liegt nicht vor, heißt es doch in den Erläuterungen zum FrG 1997 (RV: 685 BlgNR 20. GP) zu § 10:
"Wird der Aufenthaltstitel vom Inhaber eines nationalen Visums (Visum D) beantragt, ist dieser Antrag im Ausland zu stellen, der Aufenthaltstitel kann jedoch - so die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind - im Inland ausgefolgt werden."
Im Übrigen ist das Aufenthaltsvisum schon deshalb einer Aufenthaltserlaubnis nicht gleichgestellt, weil es - im Gegensatz zu einer Aufenthaltserlaubnis - einen sechs Monate übersteigenden Aufenthalt nicht gestattet (§ 6 Abs. 3 FrG 1997).
Schließlich vertritt der Beschwerdeführer aber die Auffassung, er sei aus dem Grunde des § 49 Abs. 1 FrG 1997 zur Antragstellung im Inland berechtigt. § 49 in Verbindung mit § 47 Abs. 3 FrG 1997 sei nämlich auf Verwandte des Ehegatten eines Österreichers in absteigender Linie jedenfalls dann anzuwenden, wenn sie das 21. Lebensjahr noch nicht überschritten haben oder ihnen Unterhalt gewährt wird. Beide Voraussetzungen lägen beim Beschwerdeführer vor. Jede andere Interpretation führte nämlich zu dem unsachlichen Ergebnis, wonach Verwandte des Ehegatten eines Inländers in aufsteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird, unter die Begünstigung des § 47 Abs. 3 FrG 1997 fielen, während dies selbst bei minderjährigen Kindern des Ehegatten eines Österreichers nicht der Fall wäre.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Zunächst ist der belangten Behörde einzuräumen, dass eine am Wortlaut und an der Systematik des § 47 Abs. 3 FrG 1997 haftende Interpretation dieser Bestimmung zum Ergebnis führen könnte, dass Verwandte des Ehegatten eines EWR-Bürgers (bzw. gemäß § 49 Abs. 1 FrG 1997 eines Österreichers) in absteigender Linie von der Privilegierung nicht umfasst wären. Diese Auffassung könnte sich darauf stützen, dass § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG 1997 als begünstigte Angehörige eines EWR-Bürgers nur "Verwandte in absteigender Linie
..." erwähnt, indes Z. 3 ausdrücklich "Verwandte und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie, ..." nennt.
Dieser Auffassung ist jedoch aus folgenden Gründen nicht zu
folgen:
Wie sich aus den oben wiedergegebenen Erläuterungen zu dieser Gesetzesbestimmung ergibt, sollte - von geringfügigen Modifikationen abgesehen - durch § 49 Abs. 1 FrG 1997 die Rechtsstellung von Angehörigen von Österreichern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, jener von Angehörigen von EWR-Bürgern, die ihrerseits ebenfalls Staatsangehörige eines Drittstaates sind, angeglichen werden. Offenbar wollte der Gesetzgeber des Fremdengesetzes 1997 damit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1997, Slg. Nr. 14.863, Rechnung tragen.
Wie sich aus den oben wiedergegebenen Erläuterungen zu dieser Gesetzesbestimmung ableiten lässt, sollte von § 47 Abs. 3 FrG 1997, wie auch schon von § 29 Abs. 3 FrG 1992, jedenfalls jener Personenkreis erfasst werden, der durch Art. 10 der Verordnung (EWG) 1612/68 begünstigt wird. Eine Erweiterung des begünstigten Personenkreises (gegenüber der in Rede stehenden Verordnung) sollte dadurch herbeigeführt werden, dass - wie auch schon in § 29 Abs. 3 FrG 1992 - bewusst davon Abstand genommen wurde, beim Begriff der Familienangehörigen gleich dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht danach zu unterscheiden, ob es sich um Familienangehörige eines zum Aufenthalt berechtigten Arbeitnehmers, selbstständig Erwerbstätigen oder Dienstleistungserbringers, eines Studenten, eines aus dem Erwerbsleben Ausgeschiedenen oder anderer EWR-Bürger handelt (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 5. November 1999, Zl. 99/19/0197).
Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber des Fremdengesetzes 1997 beabsichtigte, unter Verletzung des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EWG) 1612/68 den Kreis der begünstigten Drittstaatsangehörigen gegenüber dieser Verordnungsbestimmung des Europarechtes einzuschränken.
Nun heißt es aber in der englischen bzw. französischen Fassung des Art. 10 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EWG) 1612/68 , dass bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist "his spouse and their descendants" bzw. "son conjoint et leurs descendants", in deutscher Übersetzung also "sein Ehegatte sowie ihre Nachkommen" Wohnung nehmen dürfen.
Damit ist aber im englischen und französischen Text unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass die Begünstigung nicht nur die Verwandten in absteigender Linie des Arbeitnehmers selbst, sondern auch jene seines Ehegatten umfasst.
Es ist nun zwar einzuräumen, dass der englische und französische Wortlaut des Art. 10 der in Rede stehenden Bestimmung auch die Interpretation zuließe, mit "their descendants" bzw. "leurs descendants" seien bloß gemeinsame Verwandte des Arbeitnehmers und seines Ehegatten in absteigender Linie gemeint. Diese Interpretation verbietet sich aber schon deshalb, weil diesfalls sogar Verwandte in absteigender Linie des Arbeitnehmers selbst von der Begünstigung dann ausgeschlossen wären, wenn sich die Verwandtschaft nicht aus einer (aufrechten) Ehe des Arbeitnehmers ableitet. Dies wiederum stünde mit der Präambel der in Rede stehenden Verordnung in Widerspruch, wonach die Freizügigkeit ein Grundrecht der Arbeitnehmer und ihrer Familien darstellt. Zur Familie eines Arbeitnehmers im Sinne dieser Präambel sind aber zweifelsohne seine Kinder auch dann zu zählen, wenn sie nicht aus einer (aufrechten) Ehe stammen (vgl. mit ähnlichem Ergebnis auch Feik, Die aufenthaltsrechtliche Stellung der EWR-Bürger und das neue Fremdengesetz - dargestellt am Beispiel der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, ZfV 1994, 1ff. sowie Ziekow, Der gemeinschaftsrechtliche Status der Familienangehörigen von Wanderarbeitnehmern, DÖV 1991, 363f).
Ungeachtet der nicht eindeutigen Formulierung des deutschen Textes "die Verwandten", welche sowohl als "seine Verwandten", wie auch als "ihre Verwandten" gedeutet werden könnte, ergibt sich nach dem Vorgesagten bei Heranziehung der englischen und französischen Fassung unzweideutig, dass von der Privilegierung des Art. 10 Abs. 1 lit. a der Verordnung auch die Nachkommen des Ehegatten in absteigender Linie umfasst sind.
Es ist demnach unmittelbar evident, dass Art. 10 der Verordnung (EWG) 1612/68 unter den dort genannten Voraussetzungen auch die Verwandten in absteigender Linie des Ehegatten eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates privilegiert, sofern sie entweder noch nicht 21 Jahre alt sind, oder ihnen Unterhalt gewährt wird.
Da - wie oben aufgezeigt - durch § 47 Abs. 3 FrG 1997 der Kreis der Begünstigten gegenüber Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EWG) 1612/68 von Angehörigen (der Ehegatten) von Arbeitnehmern, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen, auf Angehörige (der Ehegatten) von sämtlichen EWR-Bürgern ohne Rücksicht auf ihre Arbeitnehmereigenschaft, erweitert werden sollte, ist § 47 Abs. 3 FrG 1997 im Einklang mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Regelungszweck dahingehend zu interpretieren, dass sich der Begriff "Verwandte" in § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG 1997 nicht nur auf jene des EWR-Bürgers selbst, sondern auch auf jene des in Z. 1 leg. cit. angeführten Ehegatten des EWR-Bürgers bezieht.
Wie der Beschwerdeführer zu Recht aufzeigt, würde die von der belangten Behörde präferierte Auslegung des § 47 Abs. 3 FrG 1997 auch zu einem mit dem Sachlichkeitsgebot in Konflikt tretenden Ergebnis führen, erweist sich doch bei typisierender Betrachtungsweise die Intensität der familiären Beziehung (eines Ehegatten eines EWR-Bürgers) zu den Verwandten in absteigender Linie, insbesondere wenn sie das 21. Lebensjahr nicht vollendet haben oder ihnen Unterhalt gewährt wird, in aller Regel als enger und intensiver, als dasjenige (eines Ehegatten eines EWR-Bürgers) zu den Verwandten in aufsteigender Linie, auch wenn letzteren Unterhalt gewährt wird.
Demnach genießen die Begünstigung des § 47 Abs. 2 leg. cit. auch Verwandte von Ehegatten von EWR-Bürgern in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird.
Aus dem Grunde des § 49 Abs. 1 erster Satz FrG 1997 kommt diese Privilegierung auch Verwandten von Ehegatten eines Österreichers in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird, zu.
Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass - wie der Landeshauptmann von Wien der Bundespolizeidirektion Wien am 15. September 1999 mitteilte - die Ehe zwischen der Mutter des Beschwerdeführers und dem österreichischen Staatsangehörigen nach Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung am 29. März 1999) geschieden wurde.
Der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof war nämlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu Grunde zu legen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 4. Februar 2000
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