VwGH 99/19/0085

VwGH99/19/008519.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des 1984 geborenen J M in G/Mazedonien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. März 1999, Zl. 308.856/3-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §6 Abs2 impl;
AVG §56;
FrG 1997 §113 Abs10;
FrG 1997 §19 Abs5;
FrG 1997 §21 Abs3;
AufG 1992 §6 Abs2 impl;
AVG §56;
FrG 1997 §113 Abs10;
FrG 1997 §19 Abs5;
FrG 1997 §21 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der am 27. Mai 1984 geborene Beschwerdeführer beantragte am 30. Jänner 1998 (bei der Niederlassungsbehörde erster Instanz eingelangt am 17. Februar 1998), die erstmalige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit seinem in Österreich lebenden Vater.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. März 1999 wurde dieser Antrag gemäß §§ 21 Abs. 1 bis 3 FrG 1997 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen aus, aus § 21 Abs. 1 bis 3 FrG 1997 gehe eindeutig hervor, dass der Familiennachzug ausschließlich auf Ehegatten und deren minderjährige Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt sei, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 21 FrG 1997 abzuweisen sei, da aufgrund seines Lebensalters (er habe bereits das 14. Lebensjahr beendet) der Zweck "Familiengemeinschaft" ausgeschlossen sei. Die belangte Behörde halte zum Einwand des Beschwerdeführers, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung des 14. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe, fest, dass es nicht um den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern um den Zeitpunkt der Bescheiderlassung gehe.

Bei Abwägung der privaten Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK habe die belangte Behörde sehr wohl berücksichtigt, dass durch den Aufenthalt seines Vaters sowie seines Bruders in Österreich unabsprechbare familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestünden. Dennoch könne unter den gegebenen Umständen keinesfalls ein Aufenthaltstitel erteilt werden, da nach der vorstehenden Abwägung die belangte Behörde zur Ansicht gelangt sei, dass die öffentlichen Interessen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele höher zu bewerten seien als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung des Aufenthaltstitels auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, zumal im gegenständlichen Fall eine Zweckverfehlung vorliege, desweiteren der Beschwerdeführer bisher in seinem Heimatstaat aufhältig gewesen sei und daher keinerlei soziale Integration in Österreich vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2000, G 16/00, hob der Verfassungsgerichtshof in § 21 Abs. 3 FrG die Wortfolge "vor Vollendung des 14. Lebensjahres" als verfassungswidrig auf. Er sprach aus, dass diese Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2000 in Kraft trete (vgl. die Kundmachung des Bundeskanzlers, BGBl. I Nr. 66/2000). Eine Ausdehnung der Anlassfallwirkung auf beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren nahm der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis nicht vor.

Der gegenständliche Beschwerdefall ist nicht Anlassfall des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 2000. Der Verwaltungsgerichtshof hatte vorliegendenfalls daher § 21 Abs. 3 FrG 1997 in seiner Fassung vor Inkrafttreten der Aufhebung der oben zitierten Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof anzuwenden (Art. 140 Abs. 7 B-VG).

Übereinstimmend gehen sowohl die belangte Behörde - diese zumindest implizit - als auch die Beschwerde davon aus, dass sich der Vater des Beschwerdeführers schon vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer in Österreich niedergelassen hatte. Der im Zeitpunkt der Antragstellung noch unmündige minderjährige Beschwerdeführer hatte im Zeitpunkt der Bescheiderlassung das 14. Lebensjahr bereits vollendet.

Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 im Fall des Beschwerdeführers, der seinen Antrag erst nach Inkrafttreten des FrG 1997 gestellt hat, vorgelegen wären, bestehen nicht.

Die Beschwerde bringt vor, aus § 21 Abs. 3 FrG 1997 ergebe sich in keiner Weise, dass auf das Alter des Antragstellers zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung abzustellen sei, vielmehr sei der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zlen. 99/19/0052 bis 0055, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, Folgendes ausgeführt:

Wenn in dieser Bestimmung (gemeint: § 21 Abs. 3 FrG 1997) davon die Rede ist, dass der Familiennachzug auf die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt ist, so ist damit klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Bewilligung (nur darauf, nicht etwa auf den tatsächlichen Nachzug kann es ankommen) des Familiennachzuges nach dieser Bestimmung nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung unmündigen Kindern erteilt werden kann.

Das Abstellen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung ist demnach - so die weiteren Ausführungen des Erkenntnisses - nicht als unsachlich zu erkennen, ist doch für die Entscheidung, ob einem Fremden die Zuwanderung zu gestatten ist oder nicht, die persönliche Situation (hier: das Alter) des Fremden im Entscheidungszeitpunkt wichtiger als jene im Antragszeitpunkt. Der Umstand, dass ein vor Erreichen der Mündigkeit gestellter Antrag gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 bloß deshalb nicht bewilligt werden kann, weil sich die Entscheidung darüber bis zur Erreichung des 14. Lebensjahres des Antragstellers verzögert hat, wäre allerdings außerhalb des Anwendungsbereiches des § 113 Abs. 10 FrG 1997 bei einer im Rahmen der Quote gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 zu treffenden Ermessensentscheidung entsprechend zu berücksichtigen (vgl. für den Fall der Erreichung der Volljährigkeit während des Niederlassungsverfahrens auch das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 98/19/0236).

Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden:

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 99/19/0044, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführte, ist die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft mündiger minderjähriger Kinder, die nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 fallen, mit ihren im Inland aufhältigen Eltern im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 festgesetzten Quote im Wege einer Ermessensentscheidung nicht ausgeschlossen.

Der Beschwerdeführer hat sich vorliegendenfalls - in grundsätzlich tauglicher Weise - zur Begründung seines Antrages auf die Anwesenheit seines Vaters im Bundesgebiet gestützt.

Die belangte Behörde hätte daher von Amts wegen die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag ins Treffen geführten Umstände für die angestrebte Niederlassungsbewilligung - im Falle des Vorliegens dieser Gründe - einem zu ihrer Verwirklichung tauglichen gesetzlichen Aufenthaltszweck zu subsumieren und den Antrag im Rahmen der für diesen Zweck vorgesehenen Niederlassungsquote zu behandeln gehabt. War nach dem Vorgesagten die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 seit dem 27. Mai 1998 (Vollendung des 14. Lebensjahres des Beschwerdeführers) nicht mehr möglich, wäre die belangte Behörde bei Bescheiderlassung am 19. März 1999 gehalten gewesen, den Antrag des Beschwerdeführers im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 festgelegten Quote zu behandeln.

Die belangte Behörde war gehalten, in Anwendung der §§ 8, 19 FrG 1997 eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob dem Beschwerdeführer im Rahmen der Quote für Private eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen war. Die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK ist keine solche Ermessensentscheidung.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z.1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, deren Ersatz neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes nicht vorgesehen ist.

Wien, am 19. Dezember 2000

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