VwGH 99/19/0060

VwGH99/19/006025.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des 1964 geborenen SB in P, Jugoslawien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Februar 1999, Zl. 305.051/6-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 4. April 1997 (beim Landeshauptmann von Wien eingelangt am 10. April 1997) die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als in Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes berief sich der Beschwerdeführer auf das Einkommen seiner in Österreich lebenden Ehegattin. Im Zuge des Verwaltungsverfahrens legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung des inländischen Unternehmens R vom 19. Dezember 1997 vor, aus der hervorgeht, dass seine Ehegattin über ein Einkommen von S 10.499,90 netto monatlich verfügt. Weiters ergibt sich aus den Verwaltungsakten, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers darüber hinaus als Hausbedienerin ein monatliches Einkommen von S 1.500,-- netto bezieht.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres wurde der gemäß § 112 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewertete Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 könne die Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen insbesondere versagt werden, wenn der Fremde nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt verfüge.

Der für die vierköpfige Familie des Beschwerdeführers (nach der Aktenlage bestehend aus dem Beschwerdeführer, seiner Ehegattin sowie einem über und einem unter 10-jährigen Kind) bestehende Bedarf errechne sich unter Berücksichtigung der Sozialhilferichtsätze für das Bundesland Wien wie folgt:

Haushaltsvorstand S 4.894,--

zwei Familienangehörige

mit Anspruch auf Familienbeihilfe

a S 1.505,-- S 3.010,--

ein Familienangehöriger

ohne Anspruch auf Familienbehilfe S 2.513,--

Mietzinsbelastung S 4.440,--

S 14.857,--

Die Ehegattin des Beschwerdeführers verfüge jedoch lediglich über einen monatlichen Nettobezug von insgesamt S 11.999,90, wie sich aus der Lohnbestätigung der Firma R vom 19. Dezember 1997 sowie aus der Vereinbarung über die Tätigkeit der Ehegattin des Beschwerdeführers als Hausbedienerin ergebe.

Dieser Betrag reiche nicht aus, um den oben festgestellten Unterhaltsbedarf zu decken. Bei der Berechnung dieses Unterhaltsbedarfes sei für die Kinder im Hinblick auf den Bezug von Familienbeihilfe bereits ein geringerer Ansatz gewählt worden. Eine Anrechnung der gegebenenfalls für das Kind bezogenen Familienbeihilfe auf das zur Verfügung stehende Einkommen habe daher nicht stattzufinden.

Sodann legte die belangte Behörde dar, aus welchen Gründen die Versagung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vorliegendenfalls mit Art. 8 Abs. 2 MRK im Einklang stehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 lautet:

"§ 10. ...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;"

§ 1 der Wiener Sozialhilfeverordnung in der im Jahr 1999 geltenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 62/1998 lautet:

"§ 1. (1) Die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes werden mit folgenden monatlichen Beträgen festgesetzt:

...

2. für den Hauptunterstützten 4 894 S

3. für den Mitunterstützten

a) ohne Anspruch auf Familienbeihilfe 2 513 S

b) mit Anspruch auf Familienbeihilfe 1 505 S"

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. Dezember 1999, Zl. 99/19/0094, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, aussprach, darf sich die Behörde bei Beurteilung der Frage, ob der Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 vorliegt, im Regelfall nur an jenem Gesamtbetrag orientieren, welcher nach Auffassung der jeweiligen Landesregierung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Deckung des Bedarfes für einen Haushaltsvorstand und der jeweiligen Zahl der unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen auch dann ausreichend ist, wenn daneben keine weiteren Mittel, also auch keine Familienbeihilfe, zur Verfügung stehen. Es ist daher bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfes eines Kindes, für welches Familienbeihilfe bezogen wird, der höhere Ansatz für Familienangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe in Anrechnung zu bringen. Andererseits ist die für ein solches Kind bezogene Familienbeihilfe den der Familie insgesamt zur Verfügung stehenden Unterhaltsmitteln hinzuzuzählen. Weiters wurde in diesem Erkenntnis ausgesprochen, dass die Behörde auf Grund eines vom Antragsteller dargelegten Nettomonatslohnes in einer bestimmten Höhe nicht ohne weitere Erhebungen davon ausgehen darf, dass dieser Monatslohn nur 12-mal jährlich bezogen werde. Auch Sonderzahlungen sind zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes verfügbare eigene Mittel, welche von der belangten Behörde amtswegig zu ermitteln und gegebenenfalls zu berücksichtigen sind.

Nach dem Vorgesagten hätte sich die belangte Behörde bei der Berechnung des Bedarfes der Familie des Beschwerdeführers mangels anderer Anhaltspunkte nur wie folgt orientieren dürfen:

Haushaltsvorstand S 4.894,--

drei Familienangehörige

ohne Anspruch auf Familienbehilfe

3 x S 2.513,-- = S 7.539,--

Miete S 4.440,--

S 16.873,--

Diesem oben berechneten Bedarf hätte die belangte Behörde nun die der Familie des Beschwerdeführers zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel gegenüber zu stellen gehabt. Zu diesen Unterhaltsmitteln hätte auch die für die Kinder zur Verfügung stehende Familienbeihilfe hinzugerechnet werden müssen. Auch wäre bei der Berechnung der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel nach dem Vorgesagten festzustellen gewesen, ob der Ehegattin des Beschwerdeführers auch Sonderzahlungen zustehen.

Bei Vermeidung dieses Rechtsirrtums und bei Berücksichtigung der oben dargelegten Berechnungsmethode wäre es nicht ausgeschlossen, dass die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

In diesem Zusammenhang wird bemerkt, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegte "Verpflichtungserklärung" seines Schwiegervaters erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides abgegeben wurde. Sie erweist sich daher für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides als irrelevant. Auf Grund einer Verpflichtungserklärung könnte allerdings zufolge § 10 Abs. 3 FrG 1997 zwar keine Niederlassungsbewilligung erteilt werden. Freilich wäre die belangte Behörde bei Vorlage einer derartigen Erklärung im Zuge des fortgesetzten Verwaltungsverfahrens verpflichtet zu prüfen, ob dieser Erklärung ein Unterhaltsvertrag zu Grunde liegt, wofür bei der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Erklärung der Umstand spricht, dass die begünstigte Ehegattin des Beschwerdeführers diese Verpflichtungserklärung mitgezeichnet hat und die Echtheit der Unterschrift der sich verpflichtenden Person notariell beglaubigt wurde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stempelgebührenersatz wurde nicht zuerkannt, weil der Beschwerdeführer infolge Zuerkennung der Verfahrenshilfe von ihrer Entrichtung befreit war.

Wien, am 25. Februar 2000

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