VwGH 99/18/0436

VwGH99/18/043628.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A in Freistadt, geboren am 30. November 1961, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 29. Oktober 1999, Zl. St 207/99, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §23 Abs1;
FrG 1997 §31 Abs4;
FrG 1997 §33;
FrG 1997 §34;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §23 Abs1;
FrG 1997 §31 Abs4;
FrG 1997 §33;
FrG 1997 §34;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 29. Oktober 1999 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß "§§ 31, 33 und 37 Abs. 1" Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Dem Beschwerdeführer sei zuletzt eine bis 14. Juli 1998 gültige Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Erst am 16. Juli 1998, somit nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Titels, habe er einen Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels gestellt. Er halte sich somit gemäß § 31 Abs. 4 FrG nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Es komme daher nur eine Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG und nicht eine solche nach § 34 Abs. 1 leg. cit. in Betracht. Hiezu werde auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage verwiesen, wonach § 34 FrG bei einem Fremden, der sich während des Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Inland befinde, nur dann anzuwenden sei, wenn es sich um einen rechtmäßigen Aufenthalt handle.

Der Beschwerdeführer habe gegenüber der Niederlassungsbehörde keinen Nachweis über ausreichende Unterhaltsmittel erbracht. Das Verfahren gemäß § 15 FrG sei eingeleitet worden. Im vorliegenden Verfahren habe der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht, mit 99 % am Gewinn und Verlust einer namentlich genannten KEG beteiligt zu sein. Er würde über ein monatliches Einkommen (vor Steuern) von S 13.860,-- verfügen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 11. November 1994 in Österreich auf. Seine Gattin und die drei gemeinsamen Kindern lebten allerdings in der Türkei. In Österreich lebe nur ein Bruder des Beschwerdeführers. "Sicherlich" werde zu beachten sein, dass der Beschwerdeführer an einer KEG beteiligt sei. Eine Beteiligung an einer Firma ohne entsprechenden Aufenthaltstitel könne jedoch "keinesfalls als ausreichend für die Schaffung einer tragfähigen Aufenthaltsgrundlage für den Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich angesehen werden".

Dem stehe gegenüber, dass sich der Beschwerdeführer seit mehr als einem Jahr nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Auf Grund der daraus resultierenden großen Beeinträchtigung der maßgeblichen öffentlichen Interessen sei die Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Die Ausweisung sei erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund habe "auch von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden" müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 31 Abs. 4 FrG halten sich Fremde bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels - bzw. bis zu einer gemäß § 15 leg. cit. veranlassten Aufenthaltsbeendigung - rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie den Antrag vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder vor Entstehen der Sichtvermerkspflicht eingebracht haben. Gemäß § 23 Abs. 1 letzter Satz FrG beginnt die Gültigkeitsdauer einer weiteren Niederlassungsbewilligung mit dem Tag ihrer Erteilung.

Da der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Erteilung einer (weiteren) Niederlassungsbewilligung unstrittig erst am 16. Juli 1998, somit zwei Tage nach Ablauf der bis 14. Juli 1998 gültigen Aufenthaltsbewilligung - diese wurde laut Akteninhalt für den Aufenthaltszweck "unselbstständige Tätigkeit" erteilt und galt gemäß § 113 Abs. 5 FrG ab 1. Jänner 1998 als Niederlassungsbewilligung weiter - gestellt hat, hält er sich entgegen der Beschwerdemeinung nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer ist jedoch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer dieser Bewilligung nach der Aktenlage (Verbleib am bisherigen Wohnsitz, Gründung einer KEG im Inland, Stellung eines Antrages auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung) auf Dauer im Bundesgebiet niedergelassen geblieben. Das Verfahren über seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 16. Juli 1998 war daher - ungeachtet seines rechtswidrigen Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung zu führen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das in der Beschwerde zitierte Erkenntnis vom 23. März 1999, Zlen. 98/19/0195, 0196, und das Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0230). Der Beschwerdeführer befindet sich somit während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels, jedoch nicht rechtmäßig im Bundesgebiet.

2. Gemäß § 33 Abs. 1 FrG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Gemäß § 34 Abs. 1 FrG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre oder

2. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht oder

3. der Aufenthaltstitel einem Fremden erteilt wurde, weil er sich auf eine Ehe berufen hat, obwohl er ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt hat.

Die Absätze 2 und 3 des § 34 FrG enthalten weitere Fälle, in denen Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, ausgewiesen werden können.

Nach den Erläuterungen zur RV betreffend ein Fremdengesetz (685 BlgNR 20. GP, 74) führt § 34 das Rechtsinstitut der Ausweisung Fremder mit Aufenthaltstitel in die österreichische Rechtsordnung ein. "Der Fremde muss über einen Aufenthaltstitel verfügen oder sich während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels rechtmäßig im Land befinden."

Das Gesetz selbst hingegen sieht das Erfordernis der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes von Fremden, die sich während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, nicht vor. Dass der Gesetzgeber Fremde, die sich während eines derartigen Verfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet befinden, nicht von der Anwendbarkeit des § 34 FrG ausschließen wollte, ergibt sich auch aus den genannten Erläuterungen zu § 23, die auszugsweise folgenden Wortlaut haben:

"... entstehen zwischen den einzelnen

Niederlassungsbewilligungen Lücken. Diese werden, je nachdem ob die Antragstellung rechtzeitig erfolgte, also vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der vorhergehenden Niederlassungsbewilligung, durch § 31 Abs. 4 zu Zeiten rechtmäßigen Aufenthaltes, oder, wenn dies nicht der Fall ist, als Zeiten nicht rechtmäßigen Aufenthaltes zu gelten haben. Im letzteren Fall wird die Fremdenpolizeibehörde unter dem Gesichtspunkt des § 34 Abs. 1, aber auch des § 107 Abs. 1 Z 4 ihr weiteres Vorgehen festzulegen haben. Freilich wird es in all diesen Fällen nicht mehr dazu kommen, dass wegen einer Fristversäumung eine Antragstellung aus dem Ausland erforderlich ist, da der Fremde ununterbrochen niedergelassen war."

Die Passage in den Erläuterungen zu § 34 FrG, wonach diese Bestimmung (u.a.) auf Fremde, die sich während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, anzuwenden ist, hat daher nur den Regelfall eines auf Grund rechtzeitiger Antragstellung gemäß § 31 Abs. 4 FrG rechtmäßigen Aufenthaltes im Auge. Daraus kann aber entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht geschlossen werden, § 34 sei dahin (einschränkend) zu interpretieren, dass er auf Fälle, in denen sich der Fremde - wie im vorliegenden Fall - zwar während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels, jedoch nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht anzuwenden ist.

3. Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob die Ausweisung eines Fremden in der Situation des Beschwerdeführers auch gemäß § 33 Abs. 1 FrG zulässig ist.

Gemäß § 23 Abs. 1 erster Satz FrG ist Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, - sofern die Voraussetzungen des 2. Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit dem selben Zweckumfang zu erteilen.

Wie oben 1. dargestellt, ist auch dann eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen, wenn sich der Fremde infolge verspäteter Antragstellung nicht rechtmäßig im Bundesgebiet befindet, aber - wie der Beschwerdeführer - auf Dauer niedergelassen bleibt.

Die Ausweisung und nachfolgende Ausreise bzw. Abschiebung des Fremden hätte in solchen Fällen zur Folge, dass die dauernde Niederlassung verloren ginge und dem Fremden daher keine weitere Niederlassungsbewilligung erteilt werden könnte. Die Fremdenpolizeibehörde hätte es solcherart in der Hand, durch eine Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG die vom Gesetzgeber vorgesehene Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung zu verhindern.

Überdies kann gemäß § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels - ausnahmsweise - im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können.

Da die zum Zweck der Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit erteilte Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers ab dem Inkrafttreten des FrG bis 14. Juli 1998 als Niederlassungsbewilligung galt, war er nach dieser Bestimmung trotz seines - seit zwei Tagen - rechtswidrigen Aufenthaltes zur Inlandsantragstellung berechtigt. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, Fremde in der Lage des Beschwerdeführers insofern zu privilegieren, als er von ihnen trotz des rechtswidrigen Aufenthaltes nicht verlangt, zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer (weiteren) Niederlassungsbewilligung auszureisen - und den Ausgang des Verfahrens im Ausland abzuwarten -, und gleichzeitig die Ausweisung solcher Fremder anzuordnen.

Daraus ergibt sich, dass die Ausweisung von Fremden, die sich während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels - gleichgültig ob rechtmäßig oder unrechtmäßig - im Bundesgebiet aufhalten, abschließend in der spezielleren Norm des § 34 FrG geregelt ist und die Ausweisung solcher Personen gemäß § 33 leg. cit. nicht in Betracht kommt.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zu beurteilen haben, ob ein Versagungsgrund gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG - etwa jener des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG - vorliegt.

4. Da somit die belangte Behörde den Beschwerdeführer in Verkennung der Rechtslage gemäß § 33 Abs. 1 FrG ausgewiesen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 FrG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juni 2000

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