VwGH 99/18/0426

VwGH99/18/042614.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des M, (geboren am 23. Jänner 1964), in Wien, vertreten durch Dr. Lothar Schwarz, Rechtsanwalt in 1110 Wien,

Simmeringer Hauptstraße 36/2/1/VII, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Februar 1998, Zl. SD 1125/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

ExMinV 1999;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
ExMinV 1999;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. Februar 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 5. Jänner 1996 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 10. Jänner 1996 einen Asylantrag gestellt, der vom Bundesasylamt und im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Mai 1996 abgewiesen worden sei. In seinem Schreiben vom 18. September 1996 habe er angegeben, dass er seinen Lebensunterhalt einerseits durch den Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften (er habe für den Zeitraum 1. Mai 1996 bis 9. September 1996 S 6.243,82 erhalten) bestritte und andererseits er und seine Familie von der Caritas mit allem Nötigen versorgt würden. Da der von ihm ins Treffen geführte Betrag von S 6.243,82 für vier Monate keinesfalls hinreiche, um den Unterhalt des Beschwerdeführers und den seiner Familie im Bundesgebiet auch nur für einen kurzen Zeitraum zu decken, liege zweifelsohne der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG vor. Er verfüge noch dazu weder über eine Beschäftigungs-bewilligung noch über eine Arbeitserlaubnis.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass die Caritas für alles Nötige aufkäme, vermöge ihm nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil damit nur der tatsächliche Zustand beschrieben werde. Auch könne aus dieser Behauptung mangels Nennung irgendwelcher Beträge und Dartuung eines durchsetzbaren Rechtsanspruches eine nicht bloß vorübergehende Sicherung des künftigen Unterhaltes des Beschwerdeführers nicht abgeleitet werden. Seine Mittellosigkeit und sein illegaler Aufenthalt beeinträchtigten die öffentliche Ordnung in hohem Maß, komme doch dadurch eine krasse Geringschätzung der für ihn wesentlichen fremdenpolizeilichen Vorschriften zum Ausdruck. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn sei daher auch im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - gerechtfertigt.

Diesbezüglich sei festzustellen, dass er insofern über familiäre Bindungen zu Österreich verfüge, als sich seine Ehegattin und seine beiden Kinder hier aufhielten. Dessen ungeachtet sei die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei festzustellen, dass sich der Beschwerdeführer nicht nur sehr kurz im Bundesgebiet aufhalte, sondern sich auch nicht mit Erfolg auf seine Integration berufen könne, weil für deren Beurteilung nur der legale Aufenthalt herangezogen werden könne. Allfälligen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Angehörigen könne er auch vom Ausland nachkommen. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Was die Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme betreffe, so könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

Was das auf § 57 FrG Bezug nehmende Vorbringen in der Berufung anlange, so verkenne der Beschwerdeführer, dass im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von der Behörde nicht auf seine allfällige Gefährdungs- und/oder Bedrohungssituation im Sinne des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG Bedacht zu nehmen sei. Zur Prüfung der Frage, ob eine derartige Situation vorliege, stehe vielmehr ein eigenes Verfahren (zur Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat) zur Verfügung.

2. Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde trat dieser nach Ablehnung ihrer Behandlung (Beschluss vom 6. Oktober 1999, B 524/98-12) dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 26. November 1999, B 524/98-14). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt vor, dass der Beschwerdeführer gegen den (negativen) Bescheid des Bundesministers für Inneres betreffend die Wiederaufnahme des Asylverfahrens Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe und dieses Verfahren gemäß § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, in das Stadium vor Erlassung des (asylrechtlichen) Berufungsbescheides zurückgetreten sei. Das im angefochtenen Bescheid genannte Asylverfahren sei daher noch nicht abgeschlossen, sodass sich der Beschwerdeführer nicht unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Im Hinblick darauf könne das Aufenthaltsverbot nicht auf die Generalklausel des § 36 Abs. 1 FrG gestützt werden. Darüber hinaus erhielten der Beschwerdeführer und seine Familie Unterstützungen von der Caritas und habe der evangelische Flüchtlingsdienst Österreich ihnen nicht nur die frühere Wohnung zur Verfügung gestellt, sondern auch geholfen, ihre nunmehrige Wohnung in Wien zu finden.

2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

So wird die Rechtskraft eines verfahrenserledigenden Bescheides infolge eines Wiederaufnahmeverfahrens erst mit einem dem Wiederaufnahmeantrag stattgebenden Bescheid beseitigt. Selbst wenn sich das in der Beschwerde ins Treffen geführte Wiederaufnahmeverfahren bei Erlassung des vorliegend angefochtenen Bescheides gemäß § 44 Abs. 2 AsylG wieder im Berufungsstadium befunden haben sollte, änderte dies nichts daran, dass der Beschwerdeführer zufolge des rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens - die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Mai 1996 abgewiesen worden sei, bleiben in der Beschwerde unbestritten - nicht mehr die Stellung eines Asylwerbers hatte. Vor diesem Hintergrund begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, keinem Einwand.

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 (des § 36 leg. cit.) insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass er nicht nur über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhaltes verfügt, sondern auch entsprechend zu belegen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 99/18/0300, mwN).

Weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde ergibt sich, dass vom Beschwerdeführer ein derartiger Nachweis erbracht worden sei. Wenn der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 18. September 1996 - die diesbzüglichen, den Inhalt dieses Schreibens wiedergebenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid werden von der Beschwerde nicht bestritten - angegeben hatte, seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften (er habe für den Zeitraum 1. Mai 1996 bis 9. September 1996 S 6.243,82 erhalten) zu bestreiten und von der Caritas mit allem Nötigen versorgt zu werden, so reicht dieser Betrag angesichts der Höhe des gesetzlichen Existenzminimums (vgl. die Existenzminimum-Verordnung 1999, BGBl. II Nr. 447/1998) keineswegs aus, um den Unterhalt des Beschwerdeführers für einen nicht bloß kurzen Zeitraum als gesichert erscheinen zu lassen. Darüber hinaus geht weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde hervor, in welchem Umfang und in welchen Zeiträumen der Beschwerdeführer mit Einkünften rechnen könne und inwieweit diese gesichert seien, zumal die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass der Beschwerdeführer weder über eine Beschäftigungsbewilligung noch über eine Arbeitserlaubnis verfüge, von der Beschwerde nicht bestritten werden. Der Beschwerdehinweis, dass der Beschwerdeführer und seine Familie von der Caritas Unterstützung erhielten und der evangelische Flüchtlingsdienst Österreich ihnen nicht nur die frühere Wohnung in Wien zur Verfügung gestellt, sondern auch geholfen habe, ihre nunmehrige Wohnung in Wien zu finden, reicht zum Nachweis der Mittel zum Unterhalt des Beschwerdeführers schon deshalb nicht aus, weil sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus dem weiteren Beschwerdevorbringen ergibt, dass der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen habe (vgl. in diesem Sinn etwa das - u.a. - zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit vergleichbaren Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 95/18/0521).

Die belangte Behörde kam daher zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht sei. Im Hinblick auf die nach der hg. Rechtsprechung aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultierende Gefahr strafbarer Handlungen und einer finanziellen Belastung der Republik Österreich (vgl. etwa das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 99/18/0300), wozu im vorliegenden Fall noch kommt, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhält, ist es auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtet hat.

3.1. Die Beschwerde wendet im Licht des § 37 Abs. 1 und 2 FrG ein, dass die belangte Behörde das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen übersehen habe. Die Schulnachricht vom 30. Jänner 1998 für das am 20. Juli 1990 geborene Kind des Beschwerdeführers bestätige den Fleiss dieses Kindes und die sehr guten Beurteilungen in allen Pflichtgegenständen, woraus sich vor allem das ordentliche Familienleben des Beschwerdeführers ableiten lasse. Die unbegründeten Mutmaßungen der belangten Behörde, dass eine Wahrscheinlichkeit bestehe, dass er sich infolge unzureichender finanzieller Mittel strafbarer Handlungen schuldig machen werde, stelle in Wahrheit eine "Scheininteressenabwägung" dar. Für einen Flüchtling sei es geradezu typisches Merkmal, zunächst ohne Wohnsitz, Beschäftigung und Vermögen in Österreich zu sein. Zwischenzeitig seien derartige Bedenken der belangten Behörde jedenfalls unbeachtlich, weil sich nach dem mehr als zweijährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gezeigt habe, dass dieser sehr wohl für sich sorgen könne, ohne dem Staat oder der Allgemeinheit zur Last zu fallen.

3.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Die belangte Behörde hat den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1996 sowie dessen familiären Bindungen in Österreich zu seiner Ehefrau und zu seinen beiden Kindern berücksichtigt und daher - zutreffend - einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Wenn sie trotzdem zur Ansicht gelangte, dass das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei, so kann darin angesichts der mit der Mittellosigkeit verbundenen Gefahren (vgl. II.2.), insbesondere der Gefahr einer finanziellen Belastung der Republik Österreich, keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Im Lichte dessen kann es auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde bei der Abwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG angesichts der noch nicht langen Dauer des - nach rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages jedenfalls unrechtmäßigen - Aufenthalts des Beschwerdeführers den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen hat als den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers. An dieser Beurteilung vermag auch die von der Beschwerde ins Treffen geführte Behauptung, dass die guten Schulnoten des Kindes des Beschwerdeführers sein ordentliches Familienleben dokumentierten, nichts zu ändern.

4. Schließlich wendet sich die Beschwerde noch gegen die fünfjährige Dauer des Aufenthaltsverbotes.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 96/21/0069) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieser Gültigkeitsdauer erwartet werden könne.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 14. März 2000

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