VwGH 99/18/0339

VwGH99/18/033910.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der M N in Wien, geboren am 25. Juni 1974, vertreten durch Dr. Herbert Eisserer, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Jörgerstraße 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. August 1999, Zl. SD 623/99, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §47 Abs3 Z3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §47 Abs3 Z3;
FrG 1997 §49 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei in Wien geboren worden. Erst am 29. März 1978 scheine sie als von Jugoslawien zugezogen polizeilich gemeldet auf. Am 25. Juli 1978 sei sie wieder nach Jugoslawien verzogen. Erst am 30. März 1989 habe sie sich wieder polizeilich angemeldet, sei jedoch bereits am 26. Juli 1989 wieder nach Jugoslawien zurückgereist. Nach ihrer neuerlichen Einreise im März 1990 habe die Beschwerdeführerin Sichtvermerke mit einer Gültigkeitsdauer von 25. September 1990 bis 3. Mai 1991 und von September 1991 bis 30. März 1992 erhalten. Den folgenden Antrag vom Oktober 1992 habe die Beschwerdeführerin zurückgezogen. Sie sei erst im Mai 1993 wieder in den Besitz eines bis zum 20. Mai 1995 gültigen Sichtvermerkes gelangt, nachdem sie am 16. Dezember 1992 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet habe. Für die Zeit von 21. Mai 1995 bis 24. November 1995 habe sie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Ein Verlängerungsantrag sei wegen des Verdachtes des Vorliegens einer "Scheinehe" rechtskräftig abgewiesen worden. Einer dagegen eingebrachten Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde sei keine Folge gegeben worden. Ein weiterer Verlängerungsantrag sei wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Die Beschwerdeführerin sei wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes von 26. April 1996 (Tag nach rechtskräftiger Abweisung des Verlängerungsantrages) bis 13. Juni 1996 rechtskräftig bestraft worden. Danach sei sie offensichtlich noch im Juni 1996 aus dem Bundesgebiet ausgereist. (Die Ausreise der Beschwerdeführerin infolge der Abweisung des Verlängerungsantrages wird von der Beschwerde zugestanden.)

Mit einem von 28. Jänner 1997 bis 14. Februar 1997 gültigen Touristensichtvermerk sei die Beschwerdeführerin neuerlich in das Bundesgebiet gelangt. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer dieses Sichtvermerkes sei sie unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben. Wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes von 14. Februar 1997 bis 24. August 1998 sei sie rechtskräftig bestraft worden. Am 22. Juni 1998 habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt. Dieser Antrag habe ihr keine Aufenthaltsberechtigung verschaffen können. Der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG sei somit erfüllt.

Die Beschwerdeführerin sei mit einem jugoslawischen Staatsangehörigen verheiratet, welcher in Jugoslawien lebe. Sie sei Mutter eines vierjährigen Kindes; die Sorgepflicht für dieses komme jedoch den Großeltern (im Bundesgebiet lebende Eltern der Beschwerdeführerin) zu. Der Umstand, dass bezüglich des Kindes der Beschwerdeführerin ein Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren anhängig sei, vermöge die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet nicht zu verstärken. Angesichts des insgesamt mehrjährigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich sei die Ausweisung mit einem Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse habe die Beschwerdeführerin durch den seit nunmehr zweieinhalb Jahren unrechtmäßigen Aufenthalt, den sie trotz rechtskräftiger Bestrafung aufrecht gehalten habe, erheblich beeinträchtigt. Die Beschwerdeführerin sei unter den gegebenen Voraussetzungen nicht in der Lage, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren.

Am Ergebnis der Beurteilung gemäß § 37 Abs. 1 FrG könne der Umstand, dass die Beschwerdeführerin über einen Befreiungsschein verfüge und in der Vergangenheit eine Vielzahl von Beschäftigungen ausgeübt habe, nichts ändern. Dies umso weniger, als jegliche Beschäftigung der Beschwerdeführerin seit der Einreise mit dem Touristensichtvermerk mangels eines dafür erforderlichen Aufenthaltstitels aus der Sicht des Fremdenrechtes unzulässig gewesen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf der Grundlage der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich sowie den inländischen Aufenthalt ihrer Tochter, die allerdings der Obsorge der Eltern der Beschwerdeführerin untersteht, berücksichtigt. Auch den Umstand, dass die Beschwerdeführerin über einen Befreiungsschein verfügt und in der Vergangenheit eine Vielzahl von Beschäftigungen ausgeübt hat, hat sie in die Abwägung miteinbezogen. Ihre Ansicht, dass der Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin, insoweit sie in der Zeit des unrechtmäßigen Aufenthaltes ausgeübt wurde, mangels aufenthaltsrechtlicher Grundlage bei der Interessenabwägung kein großes Gewicht zukomme, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die vorgebrachten Umstände, dass die Beschwerdeführerin ihre Tochter tatsächlich pflege und die Eltern der Beschwerdeführerin schon seit vielen Jahren legal im Inland lebten, bewirken keine entscheidende Verstärkung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, ihr komme nach der in Kürze zu erwartenden Verleihung der Staatsbürgerschaft an ihre Tochter die Stellung als begünstigte Drittstaatsangehörige zu, ist ihr - abgesehen davon, dass ihr diese Stellung gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 3 FrG nur zukäme, wenn sie von ihrer österreichischen Tochter Unterhalt erhielte - zu entgegnen, dass die bloße Aussicht auf baldige Verleihung der Staatsbürgerschaft an ihre Tochter keine zusätzliche Verstärkung der persönlichen Interessen bewirkt.

Entgegen der Beschwerdemeinung ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht, "dass die Beschwerdeführerin ihre sämtlichen persönlichen Beziehungen ausschließlich in Österreich hat", steht doch unstrittig fest, dass der Ehegatte, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, in der Heimat der Beschwerdeführerin lebt.

Soweit die Beschwerdeführerin darauf verweist, einen Großteil ihres Lebens in Österreich verbracht zu haben, ist Folgendes auszuführen:

Nach den unbestrittenen Feststellungen hat sich die in Österreich geborene Beschwerdeführerin einen nicht genau festgestellten Zeitraum nach ihrer Geburt - unangemeldet - in Österreich aufgehalten. Danach befand sie sich im Alter von vier Jahren und dann wieder im Alter von 15 Jahren für nur jeweils vier Monate in Österreich. Für längere Zeit durchgehend hielt sie sich von März 1990 bis Juni 1996 (jedoch nur teilweise berechtigt) und seit Jänner 1997 (fast zur Gänze unberechtigt) im Bundesgebiet auf. Insgesamt hat die 25-jährige Beschwerdeführerin daher zwischen 9 1/2 und 13 1/2 Jahren in Österreich verbracht. Das Gewicht der daraus

ableitbaren Integration wird allerdings durch die teilweise - insbesondere in den Jahren vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegebene - Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes deutlich gemindert.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin zwar ein beachtliches, aber nicht ein so großes Gewicht zu, wie es die Beschwerde darzustellen versucht.

2.2. Diesen persönlichen Interessen steht gegenüber, dass sich die Beschwerdeführerin jedenfalls von 26. April 1996 bis zu ihrer Ausreise im Juni 1996 unrechtmäßig im Bundesgebiet befand und ihr weiterer Aufenthalt seit Ablauf der Gültigkeitsdauer des Touristensichtvermerkes (14. Februar 1997) wieder unrechtmäßig ist. Die Beschwerdeführerin hat den unrechtmäßigen Aufenthalt trotz rechtskräftiger Abweisung ihres Aufenthaltsbewilligungsantrages fortgesetzt bzw. - nach Einreise mit einem Touristensichtvermerk - neu begonnen und sich von diesem Fehlverhalten auch durch rechtskräftige Bestrafungen nicht abbringen lassen. Dieses Verhalten stellte eine schwer wiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 98/18/0307, mwN), dar. Vor diesem Hintergrund begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, keinen Bedenken.

Das Beschwerdevorbringen, die von der belangten Behörde durchgeführte Güterabwägung sei unrichtig und nicht nachvollziehbar, ist daher nicht berechtigt.

3. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. Mai 2000

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