Normen
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1998/I/085 §1 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs2;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35;
FrG 1997 §37 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1998/I/085 §1 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs2;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35;
FrG 1997 §37 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Juli 1999 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Nach den von der belangten Behörde auch für den angefochtenen Bescheid als maßgeblich bezeichneten Feststellungen im Bescheid der Behörde erster Instanz befindet sich die Beschwerdeführerin seit 28. Juni 1992 im Bundesgebiet.
Die Beschwerdeführerin sei zuletzt aufgrund des § 1 Abs. 2 Z. 1 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina vom 6. August 1997, BGBl. II Nr. 215, als Angehörige einer Minderheit in ihrem Herkunftsort bis 31. Juli 1998 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen. Sie habe (nach der Aktenlage am 28. Juli 1998) einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird, BGBl. I Nr. 85/1998 (im Folgenden: Bosniergesetz), gestellt.
Die Beschwerdeführerin verfüge nach ihren Angaben über ein Sparbuch mit einem Einlagestand von etwas mehr als S 50.000,--, habe darüber hinaus jedoch kein eigenes Einkommen. Sie lebe bei ihrem 72-jährigen Bruder, der eine Pension von (nur) etwa S 9.000,-- beziehe, wovon noch eine monatliche Kreditrate von S 1.600,-- zu leisten sei. Überdies beziehe er für seine im Haushalt lebenden, noch minderjährigen Kinder im Alter von 11 und 16 Jahren Familienbeihilfe. Seine 39-jährige Gattin stehe in Bosnien wegen Schizophrenie in ärztlicher Behandlung. Der Sohn der Beschwerdeführerin führe mit seiner Ehegattin und den beiden Kindern im Alter von neun und zehn Jahren einen eigenen Haushalt. Der Sohn stehe in keinem dauerhaften Dienstverhältnis und verdiene bei der Straßenreinigung als stundenweise Aushilfskraft monatlich zwischen S 500,-- und S 3.500,--. Die Schwiegertochter verdiene als Abwäscherin netto S 12.500,-- und daneben als Bedienerin etwa S 1.500,-- im Monat. (Nach der Aktenlage verfügen sowohl der Bruder der Beschwerdeführerin und dessen Kinder als auch die gesamte Familie des Sohnes der Beschwerdeführerin über - zum Teil unbefristete - Niederlassungsbewilligungen.)
Es bedürfe keiner weitere Erörterung, dass die Beschwerdeführerin nicht über ausreichende eigene Mittel für ihren künftigen Unterhalt verfüge und ihr weiterer Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung der öffentlichen Hand führen könnte. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung könne auch unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des Bosniergesetzes nicht in Erwägung gezogen werden, weil die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG nicht gesichert erschienen. Im Hinblick auf das Vorliegen dieses Versagungsgrundes seien die Voraussetzungen für die Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG - vorbehaltlich des § 37 FrG - gegeben. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin sei angesichts des vorliegenden Sachverhaltes zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten. Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Ausweisung wögen schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie. Die Abstandnahme von der Ausweisung habe auch im Rahmen des Ermessens nicht in Kauf genommen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "wegen Verletzung subjektiver Rechte" zu beheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. § 1 Abs. 1 Bosniergesetz hat folgenden Wortlaut:
"Fremde, denen aufgrund der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukam oder die aufgrund der Verordnung BGBl. II Nr. 215/1997 zum Aufenthalt berechtigt sind, ist - sofern sie vor dem 1. Oktober 1997 nach Österreich eingereist sind, sich her ständig aufhalten und die Voraussetzungen der §§ 5 bis 16 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997, bei ihnen bis auf weiteres gesichert scheinen - für die Niederlassung auf Dauer auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung (§ 23 FrG) zu erteilen, und zwar, wenn
- 1. ...
- 2. sie Angehörige im Sinne des § 47 Abs. 3 FrG eines Fremden gemäß Z. 1 oder eines Fremden sind, der über eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck verfügt, eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen Erwerbstätigkeit;
3. sie keine Erwerbsabsicht haben, eine Niederlassungsbewilligung für Private. "
Angehörige im Sinn des § 47 Abs. 3 FrG sind u.a. Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird (Z. 3).
1.2. Durch die Bezugnahme auf die §§ 5 bis 16 FrG in § 1 Bosniergesetz ist klargestellt, dass den dort genannten Fremden entgegen der Beschwerdemeinung nur dann eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen ist, wenn sie die allgemeinen Voraussetzungen hiefür, insbesondere dass kein Versagungsgrund gemäß § 10 FrG vorliegt, erfüllen.
2.1. Gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG können Fremde, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.
Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 FrG) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 1) der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zur seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt oder (Z. 2) der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches.
2.2. Die Beschwerdeführerin hat sich zum Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auf Unterhaltsleistungen durch ihren Bruder, ihren Sohn und ihre Schwiegertochter sowie auf das vorgelegte Sparbuch berufen. Die belangte Behörde hat die grundsätzliche Eignung von Leistungen der genannten Personen zur Dartuung ausreichender Unterhaltsmittel nicht in Frage gestellt, sondern gemeint, dass diese Leistungen aufgrund der finanziellen Situation dieser Personen nicht ausreichten, den Unterhalt der Beschwerdeführerin zu sichern.
Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich jedoch weder, welchen konkreten Unterhaltsbedarf der Beschwerdeführerin die belangte Behörde angenommen hat, noch welcher Betrag der Beschwerdeführerin für den Unterhalt - unter Berücksichtigung des auf dem Sparbuch erliegenden Betrages von mehr als S 50.000,--, der angesichts des Umstandes, dass die weitere Niederlassungsbewilligung gemäß § 23 Abs. 4 FrG für höchstens zwei Jahre auszustellen ist, jedenfalls einen nicht unbeachtlichen Teil der für diesen Zeitraum erforderlichen Mittel darstellt - tatsächlich zur Verfügung steht. Ohne derartige Ausführungen ist die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführerin keine ausreichenden Unterhaltsmittel zur Verfügung stünden und der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, für den Verwaltungsgerichtshof nicht überprüfbar. Der angefochtene Bescheid leidet daher an einem Begründungsmangel.
3.1. Unabhängig davon ist der angefochtene Bescheid aus dem Blickwinkel des § 37 Abs. 1 FrG inhaltlich rechtswidrig.
3.2. Die Beschwerdeführerin befindet sich unstrittig bereits seit Juni 1992, somit seit mehr als sieben Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet. Sie wohnt mit ihrem Bruder und dessen minderjährigen Kindern in einem Haushalt. Im Bundesgebiet befindet sich auch ihr Sohn mit seiner Familie. Angesichts dieser Umstände ist mit der Ausweisung ein schwer wiegender Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin verbunden. Dem steht gegenüber, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet insoweit die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens beeinträchtigt, als der Unterhalt der Beschwerdeführerin nur zum Teil gesichert ist und ihr Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Diese Beeinträchtigung der maßgeblichen öffentlichen Interessen führt unter Berücksichtigung der gewichtigen, aus dem inländischen Privat- und Familienleben erfließenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Inland entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht dazu, dass die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig ist.
4. Hinzugefügt sei, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 FrG schon deshalb nicht erfüllt, weil sie als Kriegsflüchtling nur zum vorübergehenden Aufenthalt berechtigt und daher nicht auf Dauer niedergelassen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zlen. 99/18/0088). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem bloßen Umstand, dass sie berechtigt ist, einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung zu stellen, nicht, dass sie bisher "auf Dauer niedergelassen" war.
5. Der angefochtene Bescheid war wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. März 2000
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)