VwGH 99/18/0183

VwGH99/18/018328.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A, (geboren am 1. Juli 1980), vertreten durch Dr. Alex Pratter und Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwälte in

5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 22. März 1999, Zl. Fr-309/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes und Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch über die Verhängung des befristeten Aufenthaltsverbotes wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 22. März 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, und unter Bedachtnahme auf die §§ 37 und 38 leg. cit. ein Aufenthaltsverbot in der Dauer zehn Jahren erlassen. Weiters wurde mit diesem Bescheid der von der Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den Erstbescheid bestätigt.

In seiner Berufung gegen den Erstbescheid habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, dass es die Erstbehörde nicht einmal der Mühe wert befunden hätte, einen Schubhaftbescheid auszufertigen und zuzustellen, sodass bereits darin eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu erblicken wäre. Das einzige, was dem Beschwerdeführer hätte vorgeworfen werden können, wäre die Verurteilung des Landesgerichtes Salzburg, die jedoch nicht geeignet sei, den Schluss zu ziehen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Bereits aus dieser gerichtlichen Entscheidung würde sich ergeben, dass für den Beschwerdeführer eine positive Zukunftsprognose angenommen werden könnte, zumal ohnedies der überwiegende Teil der Haftstrafe bedingt ausgesprochen worden wäre; es würde nicht angehen, dass Verwaltungsbehörden entgegen gerichtlichen Entscheidungen Annahmen setzen würden.

Demgegenüber stehe unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28. Juli 1998 wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z. 1 und 2, 130 zweiter Satzund 15 StGB sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung und der Sachbeschädigung nach den §§ 229 Abs. 1 und 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon sechs Monate unbedingt und 18 Monate unter Bestimmung einer Probezeit auf drei Jahre bedingt, verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer sei schuldig gesprochen worden, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen (gesondert verfolgten) Straftätern fremde bewegliche Sachen in einem S 500.000,-- übersteigenden Wert weggenommen zu haben bzw. wegzunehmen versucht zu haben, um sich durch Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftaten fortlaufende Einnahmen zu verschaffen. Zudem habe der Beschwerdeführer eine Urkunde (Reisepass), über die er nicht hätte verfügen dürfen, durch Wegnahme und Wegwerfen mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten gebraucht werde. Weiters hätte der Beschwerdeführer durch Einschlagen einer "PKW-Scheibe" eine fremde bewegliche Sache in einem S 25.000,-- nicht übersteigenden Wert zerstört. Es liege daher auf der Hand, dass im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG gegeben seien.

Zur Frage der Zulässigkeit des vorliegenden Aufenthaltsverbotes nach den §§ 37 und 38 FrG sei Folgendes auszuführen:

Nach seinem Vorbringen in der Berufung würde sich der Beschwerdeführer seit seinem 11. Lebensjahr in Österreich aufhalten und wäre daher sowohl familiär und wirtschaftlich als auch stark sozial integriert; er würde in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter und seinem Bruder in Salzburg leben; diese Angehörigen des Beschwerdeführers würden über eine aufrechte Aufenthaltsbewilligung verfügen und auch einer beruflichen Tätigkeit nachgehen; überdies hätte der Beschwerdeführer die Pflichtschulausbildung absolviert und in zwei Berufssparten Lehrausbildungen nachzuweisen. Die Ausführungen der Erstbehörde, dass die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen und zum Schutz der Eigentumsrechte anderer unbedingt erforderlich wäre, wären daher rechtswidrig. Weiters wären die Ausführungen der Erstbehörde hinsichtlich einer eventuellen Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft unrichtig, da der Beschwerdeführer bereits vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes mehr als acht Jahre im Bundesgebiet aufhältig gewesen wäre.

Laut Aktenlage sei der Beschwerdeführer aufgrund der Kriegswirren in Bosnien, gemeinsam mit seiner Mutter, am 22. April 1992 in das österreichische Bundesgebiet eingereist. In weiterer Folge habe er hier die Pflichtschule absolviert und in zwei Berufssparten eine begonnene Lehrausbildung abgebrochen. Aufgrund seines nahezu siebenjährigen Aufenthaltes in Österreich sei mit dem Aufenthaltsverbot "ein sehr starker Eingriff" in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Die Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes sei jedoch für die Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung, "insbesondere als Präventionsmaßnahme vor weiteren strafbaren Handlungen", dringend geboten. Das verpönte Verhalten des Beschwerdeführers sei als so schwer wiegend anzusehen, dass die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme schwerer wögen als die damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie.

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer "innerhalb eines kurzen Zeitraumes wegen zahlreicher Straftaten" rechtskräftig verurteilt worden sei, sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die vorzeitige Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes im Interesse des öffentlichen Wohls wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sei, weswegen auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung begründet gewesen sei. Aufgrund der Tatsache, dass ein Teil der besagten Haftstrafe vom Landesgericht Salzburg bedingt ausgesprochen worden sei, erfolge eine Befristung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes auf zehn Jahre.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorweg ist Folgendes festzuhalten: Durch die vom Beschwerdeführer vorgenommene Bezeichnung des Beschwerdepunktes (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides gemäß § 41 Abs. 1 VwGG gebunden ist. Die verwaltungsgerichtliche Prüfung hat sich demnach darauf zu beschränken, ob jenes Recht verletzt wurde, dessen Verletzung der Beschwerdeführer behauptet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0049). Die vorliegende Bescheidbeschwerde wird erhoben "wegen Verletzung des gesetzlich gewährleisteten Rechtes entgegen den Bestimmungen des AVG i.V.m. den zugehörigen Bestimmungen des FrG ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen zu erhalten". Infolge des solcherart festgelegten Beschwerdepunktes hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid lediglich hinsichtlich der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nicht aber (auch) des Ausspruches über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den Erstbescheid - diesbezüglich werden im Übrigen auch keine Beschwerdegründe (vgl. § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG) geltend gemacht - zu prüfen.

2. Wenn ein Tatbestand des § 36 Abs. 2 FrG als verwirklicht angesehen wird, dann ist von der Behörde der Anordnung des § 36 Abs. 1 FrG entsprechend in einem weiteren Schritt - zusätzlich - eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob dieser Tatbestand in concreto die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 98/18/0272). Die belangte Behörde hat zwar § 36 Abs. 1 FrG im Spruch des angefochtenen Bescheides zitiert, es aber - wie die Bescheidbegründung zeigt - gänzlich unterlassen zu prüfen, ob im Beschwerdefall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, es vielmehr dabei bewenden lassen, die Erfüllung der Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. zu bejahen. Damit hat sie die Rechtslage verkannt.

3. Auf dem Boden des Gesagten war der angefochtene Bescheid im spruchmäßig umschriebenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juni 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte