VwGH 99/16/0467

VwGH99/16/046719.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde 1. des J, 2. der A und 3. der K, alle in L, alle vertreten durch Dr. Thomas Brückl und Mag. Christian Breit, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, Parkgasse 11 -

Dr. Th. Sennstraße 18, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. Juni 1999, Zl Gem-521670/3-1999-Keh/Pü, betreffend Getränkesteuer für 1992 bis 1995, (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Lambrechten) zu Recht erkannt:

Normen

BAO §201;
GdGetränkesteuerG OÖ;
LAO OÖ 1996 §150 Abs2;
BAO §201;
GdGetränkesteuerG OÖ;
LAO OÖ 1996 §150 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin führten bis zum 31. März 1994 ein gastgewerbliches Unternehmen in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Tochter der genannten Beschwerdeführer, die Drittbeschwerdeführerin, übernahm den Betrieb mit Wirkung vom 1. April 1994.

Nach einer Niederschrift über eine ausdrücklich nur bei der Drittbeschwerdeführerin vorgenommene abgabenbehördliche Prüfung vom 28. Jänner 1997 wurde in einer Summe eine Nachzahlung an Getränkesteuer für die Jahre 1992 - 1995 in Höhe von S 17.200,-- festgestellt.

Mit einem am 30. Jänner 1997 beim Gemeindeamt Lambrechten eingebrachten Schriftsatz beantragten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin die bescheidmäßige Festsetzung der im Einzelnen angeführten Getränkesteuerbeträge für die Jahre 1992 bis 1994 mit S 0,--. Gleichzeitig beantragte auch die Drittbeschwerdeführerin mit einem gesonderten Schriftsatz die bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer für 1994 bis 1996 mit S 0,--.

In der Folge erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde an die Drittbeschwerdeführerin am 9. April 1997 einen Bescheid folgenden Inhalts:

Entsprechend der Niederschrift, aufgenommen am 28.01.97 in Ried, über das Ergebnis der in der Zeit vom 23.01.97 bis 28.01.97 gem § 114 LAO durchgeführten Getränkesteuerprüfung ergibt sich

für den Zeitraum 0.1.01.1992 bis 31.12.1995 eine GESAMTNACHFORDERUNG von

S 17.200,--.

In einer von allen drei Beschwerdeführern unterfertigten Eingabe vom 21. April 1997 wurde Berufung gegen den Bescheid vom 9. April 1997 erhoben. Die Einschreiter beantragten die "Nullstellung" der Getränkesteuer für die Jahre 1992 bis 1995.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde als Abgabenbehörde zweiter Instanz erblickte in dem ausdrücklich als Berufung bezeichneten Schriftsatz vom 21. April 1997 einen Devolutionsantrag und setzte in einem ausschließlich an die Drittbeschwerdeführerin gerichteten Bescheid vom 20. November 1998 Getränkesteuer für die Zeit vom 1. Jänner 1992 bis 31. Dezember 1995 mit S 567.846,98 fest.

Gegen diesen Bescheid wurde von allen drei Beschwerdeführern Vorstellung erhoben.

Mit dem angefochtenen, an alle drei Beschwerdeführer gerichteten Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. November 1999, B 1167/99, abgelehnt. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer dadurch in ihren Rechten verletzt, dass ihnen undifferenziert für den gesamten Streitzeitraum Getränkesteuer nach Art einer Solidarschuld vorgeschrieben worden sei.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach Art. 119a Abs. 5 B-VG hat die Aufsichtsbehörde den in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde erlassenen Bescheid eines Gemeindeorgans aufzuheben, wenn Rechte des Einschreiters verletzt wurden.

Im Beschwerdefall wurden die Rechte der Beschwerdeführer von den Gemeindebehörden in vielfacher Weise verletzt: Allgemein ist zunächst festzustellen, dass die Einwendungen der Beschwerdeführer, die Abgabenbehörden hätten nicht beachtet, wer von ihnen für welche Zeiträume als Steuerschuldner in Betracht kam, zutreffend sind. Warum es sich bei diesem Vorbringen, wie in der Gegenschrift der belangten Behörde ausgeführt wird, um ein vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliches neues Vorbringen handeln soll, ist dabei schlechthin unerklärlich.

Abgabenbescheide haben gemäß § 146 Abs 3 OÖ LAO, LGBl. Nr. 107/1996, im Spruch die Art und die Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt der Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Die Getränkesteuer im Sinne des OÖ Gemeinde-Getränkesteuergesetzes, LGBl. Nr. 15/1950, war bis zur Novelle 1996, LGBl. Nr. 5/12996, eine monatlich zu entrichtende Abgabe (vgl § 6 Abs 2 der damals geltenden Fassung).

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass über die beiden Anträge der Beschwerdeführer auf "Nullfestsetzung" der Getränkesteuer von der Abgabenbehörde erster Instanz bisher nicht entschieden worden ist. Der an die Drittbeschwerdeführerin erlassene Bescheid des Bürgermeisters vom 9. April 1997 verletzt das Gesetz mehrfach: Zum einen wurde er für einen Zeitraum (nämlich für Zeiträume vor der Übernahme des Unternehmens) erlassen, in dem die Bescheidadressatin als Steuerschuldnerin nicht in Betracht kam. Sodann verletzte er die oben angeführten Bestimmungen des § 146 Abs. 3 OÖ LAO über die wesensnotwendigen Spruchbestandteile. Schließlich hat die Abgabenbehörde erster Instanz nicht beachtet, dass sich die bescheidmäßige Festsetzung von Selbstbemessungsabgaben auf die gesamte, im Bemessungszeitraum (das ist der Monat) zu entrichtende Abgabe und nicht bloß auf die restliche Abgabenforderung zu erstrecken hat (vgl z.B. das hg Erkenntnis vom 12. November 1997, Zl. 95/16/0321 mwH).

Auch der Bescheid der Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 20. November 1998 verletzt das Gesetz in mehrfacher Hinsicht:

Im Schriftsatz vom 21. April 1997 wurde entgegen der Annahme der Abgabenbehörde zweiter Instanz kein Devolutionsantrag gestellt. Diese nahm somit mit dem an die Drittbeschwerdeführerin (allein) gerichteten Bescheid eine Zuständigkeit in Anspruch, die ihr nicht zukam. (Nach der Aktenlage wurde über die Berufung aller drei Beschwerdeführer bisher nicht entschieden.) Zur Vorschreibung von Abgaben an die Drittbeschwerdeführerin für Zeiträume, hinsichtlich der sie als Steuerschuldnerin nicht in Betracht kam, sowie zum Fehlen einer (getrennten) Darstellung der Steuern und Bemessungsgrundlagen für die jeweiligen Bemessungszeiträume (Monate) wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Die von allen drei Beschwerdeführern erhobene Vorstellung gegen den an die Drittbeschwerdeführerin ergangenen Bescheid wurde mit dem (einheitlichen) Bescheid der belangten Behörde abgewiesen. Da die bezeichneten Rechtsverletzungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz von der belangten Behörde nicht erkannt wurden, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen auf Grund des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 ergangenen Erkenntnissen vom 30. März 2000, Zlen. 2000/16/0117 (vormals 97/16/0221) und 2000/16/0116 (vormals 97/16/0021), ausgeführt, dass die belangte Behörde, wenn sie auf Basis des von ihr angewendeten innerstaatlichen Rechts die Vorschreibung der Getränkesteuer für alkoholische Getränke (ab dem 1. Jänner 1995) billigte, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Im Hinblick auf die Frage, inwieweit durch rückwirkend erlassene landesgesetzliche Bestimmungen die sich aus Punkt 3. des EuGH-Urteils ergebende Rückzahlungspflicht davon abhängig gemacht wird, wer die Abgabe wirtschaftlich getragen hat, hat der Verwaltungsgerichtshof auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, dass es für den von ihm anzuwendenden Prüfungsmaßstab unbeachtlich ist, wenn der Gesetzgeber das von der Behörde angewendete Gesetz, nach Erlassung des angefochtenen Bescheides, aber vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, rückwirkend ändert.

In Anwendung des § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe der genannten Erkenntnisse verwiesen.

Hinsichtlich der Bemessung von Getränkesteuer für Bemessungszeiträume des Jahres 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof überdies im hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 96/16/0173, ausführlich begründet dargelegt, dass ein Verstoß gegen Art 14 des EWR-Abkommens nicht vorliegt.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Juni 2000

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