VwGH 99/03/0142

VwGH99/03/014223.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des A Y in Wien, vertreten durch Dr. Achim Maurer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 27-28, Stiege 2/19, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 21. Dezember 1998, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1998-34, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §7 Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs2;
AlVG 1977 §7 Abs3;
AlVG 1977 §7 Abs4;
B-VG Art7;
FlKonv Art33 Abs1;
FrG 1993 §6 Abs1 Z1;
FrG 1997 §113 Abs3;
EMRK Art8;
AlVG 1977 §7 Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs2;
AlVG 1977 §7 Abs3;
AlVG 1977 §7 Abs4;
B-VG Art7;
FlKonv Art33 Abs1;
FrG 1993 §6 Abs1 Z1;
FrG 1997 §113 Abs3;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Oktober 1997 auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld "gemäß § 7 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 in geltender Fassung, mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt" abgewiesen.

Mit Beschluss vom 22. Februar 1999, B 233/99, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die im Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 40 zweiter Satz Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 in der Fassung BGBl. I Nr. 78/1997 anzuwendenden Bestimmungen des § 7 Abs. 1 bis 4 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 lauten:

"§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

  1. 1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,
  2. 2. die Anwartschaft erfüllt und
  3. 3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf, wer

1. sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält und

2. sich zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich aufhalten darf (Abs. 4).

(4) Im Sinne des Abs. 3 Z. 2 dürfen sich zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit aufhalten:

2. Ausländer, die eine Aufenthaltsbewilligung für eine unselbständige Erwerbstätigkeit (§ 1 Abs. 1 Z. 1 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Aufenthaltszwecke und die Form der Aufenthaltsbewilligung, BGBl. Nr. 395/1995) besitzen.

2. Ausländer, die nach § 12 des Aufenthaltsgesetzes (AufG), BGBl. Nr. 466/1992, aufenthaltsberechtigt sind,

3. Ausländer, die nach § 13 Abs. 1 AufG aufenthaltsberechtigt sind, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllen,

4. Ausländer, die nach dem Abkommen mit dem Schweizerischen Bundesrat betreffend zusätzliche Vereinbarungen über die Niederlassungsverhältnisse der beiderseitigen Staatsbürger, BGBl. Nr. 204/1951, aufenthaltsberechtigt sind,

5. Ausländer, die vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, ausgenommen sind,

6. Ausländer, die eine Arbeitserlaubnis bzw. einen Befreiungsschein (§ 14a bzw. § 15 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) besitzen,

nicht jedoch Grenzgänger im Sinne des § 13 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 466/1992."

Unbestritten ist, dass dem Beschwerdeführer (einem türkischen Staatsangehörigen) am 29. November 1996 ein bis 30. Dezember 1998 gültiger Sichtvermerk nach § 6 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ausgestellt worden war.

Nach § 113 Abs. 3 erster Halbsatz Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, behalten die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erteilten Sichtvermerke ihre Gültigkeit bis zum festgesetzten Zeitpunkt.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 96/08/0314) ist im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des § 7 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mögliche andere als die dort aufgezählten Aufenthaltstitel nicht bedacht hat. Es besteht somit kein Hindernis, eine verfassungsrechtlich gebotene Ergänzung dieser Bestimmung dahin vorzunehmen, dass - vor dem Hintergrund der Zwecke der Arbeitlosenversicherung und der verfassungsrechtlichen Schranken, unter denen ihre beitragsfinanzierten Geldleistungen gesetzlich eingeschränkt oder aufgehoben werden dürfen - der Status eines Arbeitslosen, dessen Inlandsaufenthalt rechtlich nicht beendet werden darf, weil er Abschiebungsschutz nach der Genfer Konvention genießt oder weil er allenfalls unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK nicht außer Landes geschafft werden darf, einem Aufenthaltstitel im arbeitslosenversicherungsrechtlichen Sinn (nämlich: im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verfügbarkeit) gleichzuhalten ist. Dies muss jedenfalls auch für den hier vorliegenden Fall gelten, dass der Arbeitslose über einen gültigen Sichtvermerk verfügt.

Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Ein Eingehen auf die Frage, ob der Beschwerdeführer zufolge der von ihm ausgeübten Tätigkeit eines Gebetsrufers im Grunde des § 1 Abs. 2 lit. d Ausländerbeschäftigungsgesetz unter den Tatbestand des § 7 Abs. 4 Z. 5 Arbeitlosenversicherungsgesetz 1977 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 falle, erübrigt sich somit.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Februar 2000

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