Normen
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §26;
FrPolG 1954 §3 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs2 litb;
FrPolG 1954 §4;
EMRK Art3;
StGB §102 Abs1;
StGB §277 Abs1;
StGB §280 Abs1;
VwRallg;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §26;
FrPolG 1954 §3 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs2 litb;
FrPolG 1954 §4;
EMRK Art3;
StGB §102 Abs1;
StGB §277 Abs1;
StGB §280 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 6. November 1991 war gegen den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und 2 lit. b und § 4 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 75/1954, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dem lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. März 1985 wegen §§ 15, 102 Abs. 1, 277 Abs. 1 und 280 Abs. 1 StGB (versuchte erpresserische Entführung, verbrecherisches Komplott und Ansammeln von Kampfmitteln) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von elf Jahren verurteilt worden war.
Mit gleichfalls im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 22. Mai 1997 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Juli 1995 auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ab.
Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass der strafgerichtlichen Verurteilung der Versuch eines terroristischen Anschlages im Hotel Imperial zugrunde gelegen habe; der Beschwerdeführer habe mit acht Mittätern am 30. Juni und am 1. Juli 1984 die gemeinsame Ausführung von Morden am pakistanischen Botschafter in Wien und an weiteren Mitgliedern des diplomatischen Corps und anderen Personen verabredet, in der Zeit "vom 29.8. bis 6.7.1984" einen Vorrat an Waffen, Schießbedarf und anderen Kampfmitteln (u.a. Maschinenpistolen, Handgranaten und Paketen mit Sprengstoff) angesammelt und bereitgehalten sowie am 1. Juli 1984 in Wien - nach Zusammentreffen im Hotel Imperial, Verbringen der genannten Kampfmittel in dieses Hotel, Ladung der Schusswaffen, Zuteilung der Kampfmittel und Festlegung der durchzuführenden Handlungen - versucht, 58 Teilnehmer eines Empfanges der "Ford-Motor-Companie" Kanada, die für Mitglieder des in Wien akkreditierten diplomatischen Corps und Teilnehmer eines Empfangs der kanadischen Botschaft gehalten worden seien, durch Fesselung und Bedrohung mit Schusswaffen, Handgranaten und Sprengstoff zu entführen bzw. sich ihrer zu "ermächtigen", um die österreichische Bundesregierung zur Unterlassung eines Einsatzes von Sicherheitskräften und zur Bereitstellung zweier Autobusse sowie einer Boing 707 und um die pakistanische Regierung zur Freilassung von ca. 200 politischen Gefangenen, Ausstellung von gültigen Reisepässen und Bereitstellung eines Flugzeuges für den Abtransport zu nötigen.
Aus der Strafhaft sei der Beschwerdeführer am 9. März 1992 bedingt entlassen worden. Es sei (jedoch) noch immer die Annahme zulässig, dass sein Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Terroristische Machenschaften stellten eine der schwer wiegendsten Straftaten der österreichischen Rechtsordnung dar. Der Beschwerdeführer sei am Versuch eines terroristischen Einsatzes beteiligt gewesen, bei dem mit gefährlichsten Kampfmitteln vorgegangen worden sei. Die völkerrechtliche Verurteilung derartiger terroristischer Aktivitäten manifestiere sich darin, dass sich der österreichische Staat im Rahmen von internationalen Organisationen und Verträgen dazu verpflichtet habe, strengstens gegen internationalen Terror vorzugehen und alles zu unternehmen, um Österreich nicht zu einer Drehscheibe des Terrors zu machen. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat sei bislang bloß deswegen unterblieben, weil ihm dort die Todesstrafe drohen könnte.
Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes sei auch zu prüfen, ob sich durch das Verhalten eines Antragstellers und durch seinen Aufenthalt in Österreich die Umstände, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, derart geändert hätten, dass eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zulässig sei. Hiezu sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer in der zur bedingten Entlassung führenden Entscheidung als gewissenhafter und zuverlässiger Häftling mit guter Führung bezeichnet worden sei. Er habe in der Folge Arbeit gefunden, sei (mit einer österreichischen Staatsbürgerin) eine Lebensgemeinschaft eingegangen und am 18. April 1995 Vater einer Tochter geworden und habe schließlich am 27. März 1997 seine Lebensgefährtin geheiratet. Die Bewährungshilfe St. Pölten habe mit Bericht vom 28. Jänner 1997 eine beispielhafte soziale und psychische Integration bestätigt. Er habe überdies keine weiteren strafbaren Handlungen begangen. Es werde sohin nicht verkannt, dass sich unter Berücksichtigung der §§ 19 und 20 FrG seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, insbesondere seit der Haftentlassung, erhebliche Änderungen ereignet hätten und fortschreitende Integration und familiäre Bande erkennbar seien; andererseits sei die begangene schwer wiegende Straftat "im Lichte terroristischer Machenschaften" und die daraus resultierende Gefährlichkeitsprognose, die gegen eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes spreche, zu beurteilen. Im Verhältnis zur Schwere der Straftat könne der fünfjährige Beobachtungszeitraum seit der Haftentlassung des Beschwerdeführers 1992 - nur dieser Zeitraum lasse eine Beurteilung seiner Gefährlichkeit zu - als "noch nicht sehr lange" beurteilt werden. Es könne noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass vom Beschwerdeführer keine Gefährdung im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG mehr ausgehe. Unter Abwägung dieser Prognose mit seinem Aufenthalt in Österreich, der erst ab Haftentlassung als berücksichtigungswürdig zu bezeichnen sei, und dem Ausmaß seiner Integration und seiner familiären Bande seien daher die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes im Licht der öffentlichen Interessen schwerer zu werten als jene Nachteile, die der Beschwerdeführer bei
Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erleide (§ 20 FrG). Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erscheine auf Grund des bisher Vorgebrachten überdies als dringend geboten (§ 19 FrG).
Bei Weiterfortschreiten der Integration in die österreichische Gesellschaft und Rechtsordnung könnte aber - so die belangte Behörde abschließend - ein neuerlicher Antrag nach § 26 FrG zu einem späteren Zeitpunkt positiv bewertet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift absah, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte für den Fall der Abweisung der Beschwerde Kostenzuspruch.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 26 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 18 Abs. 1 leg. cit. gegen den Fremden weiter getroffen werden kann, ob allenfalls ein relevanter Eingriff im Sinn des § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist und - bejahendenfalls - ferner, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits gemäß § 20 leg. cit. maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben. Diese Interessen sind gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 1999, Zl. 97/21/0296, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde zu Recht die Ansicht vertreten, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblich gewesenen Gründe (noch) nicht weggefallen sind. Einerseits ist die zugrunde liegende gerichtliche Verurteilung noch nicht getilgt, weshalb sie noch immer unter § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG - was auch unter dem Blickwinkel der hier angesichts der Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin relevanten Bestimmung des § 31 FrG von Bedeutung ist (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, Zl. 97/21/0112) - subsumiert werden kann; andererseits war das von der belangten Behörde umfassend dargestellte strafrechtliche Fehlverhalten so massiv und mit einer so außergewöhnlich großen Gefährdung für die maßgeblichen öffentlichen Interessen verbunden, dass ungeachtet des bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichenen Zeitraums nach wie vor von einer an den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland anknüpfenden Gefährlichkeit ausgegangen werden musste. Richtig hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf die besondere Gefahr hingewiesen, die von terroristischen Machenschaften ausgeht. Dass dies bei der vom Beschwerdeführer gemeinsam mit acht Mittätern versuchten Geiselnahme einer großen Anzahl von Mitgliedern des diplomatischen Corps in herausragendem Maß der Fall ist, bedarf keiner weiteren Darlegung. Diese Gefahr reduziert sich zwar in Anbetracht der von der belangten Behörde festgestellten positiven Entwicklung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers mit zunehmendem zeitlichen Abstand von der versuchten Tathandlung, die seither verstrichene Zeit (bei Bescheiderlassung knapp 13 Jahre; zu diesem Zeitpunkt war gerade die bei der bedingten Entlassung bestimmte Probezeit und nicht einmal die Hälfte der Tilgungsfrist abgelaufen) lässt jedoch dessen ungeachtet das vom Beschwerdeführer ursprünglich ausgehende besonders hohe Risiko noch nicht soweit gemindert erscheinen, dass eine maßgebliche Gefährlichkeit nicht mehr angenommen werden könnte. Mit anderen Worten: Ein möglicher Terroranschlag ist mit einem derart hohen Gefährdungspotential für die öffentliche Sicherheit verbunden, dass selbst eine nur mehr geringe Rückfallgefahr ein ins Gewicht fallendes "Restrisiko" darstellt. Damit erweist sich aber auch die Annahme gerechtfertigt, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 19 FrG zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten ist.
Wenn der Beschwerdeführer einwendet, dass ihm mehrmals Abschiebungsaufschübe - zuletzt bis April 1998 - gewährt worden seien, dass das Oberlandesgericht Wien seine Auslieferung an die islamische Republik Pakistan für unzulässig erklärt habe und dass seine Abschiebung oder Ausreise nach Pakistan bzw. in einen anderen Staat unmöglich sei, so vermag er damit der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Daraus kann nämlich nicht abgeleitet werden, dass das für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebende öffentliche Interesse weggefallen wäre. Die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan bzw. die Erteilung von Abschiebungsaufschüben trägt den aus Art. 3 EMRK erfließenden internationalen Verpflichtungen - der Beschwerdeführer hatte seine Anträge auf Erteilung von Abschiebungsaufschüben u.a. mit ihm drohender Todesstrafe begründet - Rechnung; die Verweigerung der Auslieferung beruhte auf dem politischen Charakter der dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden strafrechtlichen Vorwürfe.
Erkennbar unter dem Gesichtspunkt des § 20 Abs. 1 FrG betont die Beschwerde - zutreffend -, dass im Rahmen der Entscheidung nach § 26 FrG (auch) darauf abzustellen sei, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten der Fremden geändert haben und dass diese Interessen anschließend gegeneinander abzuwägen sind. Unzutreffend ist es hingegen, dass das gegenständliche Aufenthaltsverbot bereits 1986 erlassen worden sei; aus diesem Jahr stammt lediglich die erstinstanzliche Entscheidung des Magistrats der Stadt Krems, während der insoweit relevante Berufungsbescheid der belangten Behörde erst am 26. November 1991 erlassen worden ist. Davon abgesehen hat die belangte Behörde ohnehin die Änderung in den privaten und familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers (insbesondere die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und die Geburt eines Kindes) berücksichtigt und diese so gestärkten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes gegenübergestellt. Wenn sie dabei zu der Beurteilung gelangte, dass die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die - wenn auch beträchtlichen - Auswirkungen der Aufrechterhaltung dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, so begegnet dies angesichts der von der belangten Behörde zutreffend umschriebenen Schwere der von ihm begangenen Straftat und der ebenfalls zutreffend beurteilten von ihm ausgehenden Gefährdung keinen Bedenken.
Die Beschwerde war daher nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Februar 2000
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