VwGH 98/18/0356

VwGH98/18/035631.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 15. Mai 1978 geborenen H B, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 15. Juni 1998, Zl. Fr-78/1/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 15. Juni 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer (nach der Aktenlage: einen jugoslawischen Staatsangehörigen), gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 unter Bedachtnahme auf die §§ 37 und 38 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens führte die belangte Behörde begründend aus, von der Behörde erster Instanz sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes unter anderem auf § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG gestützt worden. Gemäß dieser Bestimmung habe als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermöge, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer eine Verpflichtungserklärung beigebracht habe. Die belangte Behörde vertrete die Ansicht, dass diese Verpflichtungserklärung ausreichend sei, um darzulegen, dass der Beschwerdeführer nicht mittellos im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG sei, weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht (Unterstreichung nicht im Original) auf diese Tatsache gestützt werde.

Entgegen den Berufungsausführungen sei jedoch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch dann möglich, wenn keiner der in § 36 Abs. 2 FrG genannten Tatbestände erfüllt sei, weil § 36 Abs. 2 FrG nur eine beispielsweise Aufzählung von Tatbeständen enthalte, die jedenfalls geeignet seien, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme zu rechtfertigen.

Wie der Beschwerdeführer ausführe, habe die Behörde erster Instanz dargelegt, dass er einen illegalen Grenzübertritt nach Österreich vorgenommen habe. Diese Tatsache erfülle keinen der in § 36 Abs. 2 FrG genannten Tatbestände und wäre für sich allein auch nicht geeignet, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme zu erfüllen. Die Behörde erster Instanz habe jedoch auch dargelegt, dass gegen den Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Baden-Umgebung am 10. Februar 1997 die Ausweisung verfügt worden sei, wobei ein Abschiebungsaufschub bis zum 10. Mai 1997 erteilt worden sei. Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass am 6. Jänner 1998 in Salzburg anlässlich einer Kontrolle festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer trotz der gegen ihn erlassenen Ausweisung das Bundesgebiet nicht verlassen und sich weiter illegal in Österreich aufgehalten hätte.

Die Nichtbeachtung einer Ausweisung und der "fortgesetzte illegale" Aufenthalt, dessen Unrechtmäßigkeit "dem Beschwerdeführer "anlässlich der gegen ihn verfügten Ausweisung auch" bewusst gewesen sein musste", stelle jedoch entgegen seinen Ausführungen tatsächlich eine derart massive Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen dar, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als erfüllt anzusehen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens dar und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid u.a. ein, die belangte Behörde verkenne die Rechtslage, wenn sie die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer damit begründe, dass dieser trotz der über ihn verhängten Ausweisung nicht aus Österreich ausgereist sei, obwohl er sich der Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens bewusst gewesen sein müsse. Das Rechtsinstitut des Aufenthaltsverbots sei keine Strafmaßnahme, sondern eine fremdenpolizeiliche Maßnahme, welche der Ordnung des Fremdenwesens in Österreich diene. Die Verschuldensfrage spiele darin höchstens insofern eine Rolle, als "Verurteilungen oder Verwaltungsübertretungen, welche auf Grund des Verschuldens von Fremden verhängt werden", bestimmte Tatsachen gemäß § 36 Abs. 2 FrG 1997 bildeten, auf Grund welcher ein Aufenthaltsverbot erlassen werden könne. Ob sodann ein Aufenthaltsverbot zu erlassen sei, hänge insbesondere davon ab, ob auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sei, der Aufenthalt eines Fremden werde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufen.

2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.

Der Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, es begegne keinen rechtlichen Bedenken, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG (§ 18 Abs. 1 FrG 1992) (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 37 und 38 FrG bzw. die §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG 1992) zu stützen, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 36 Abs. 2 FrG (§ 18 Abs. 2 FrG 1992) angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 36 Abs. 1 FrG (§ 18 Abs. 1 FrG 1992) umschriebene Annahme rechtfertigten (vgl. etwa das einen Suchtgiftfall betreffende Erkenntnis vom 26. März 1999, Zl. 98/18/0344, und das zum Fremdengesetz 1992 ergangene Erkenntnis vom 10. Februar 1993, Zl. 93/18/0567, jeweils mwH).

Wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides eindeutig ergibt, sah die belangte Behörde im Beschwerdefall das für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 1 FrG bedeutsame Gesamt(fehl)verhalten im illegalen Grenzübertritt des Beschwerdeführers, in der Nichtbeachtung der über ihn verhängten Ausweisung und in der Fortsetzung des Aufenthaltes im Bundesgebiet. Wenn auch der Behörde einzuräumen ist, dass eine unrechtmäßige Einreise und ein unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden das aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert aufweisende öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften gravierend beeinträchtigen, so reicht dieses aber auf dem Boden der vorgenannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, um von die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erlaubenden triftigen Gründen im besagten Sinn sprechen zu können.

3. Dadurch, dass die belangte Behörde im Beschwerdefall irrigerweise die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt hielt, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

4. Im Übrigen stehen Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides insofern zueinander in Widerspruch, als das Aufenthaltsverbot spruchmäßig auf § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG gestützt wird, die Verwirklichung dieses Tatbestandes hingegen in der Begründung ausdrücklich verneint wird. Da eine - wie im vorliegenden Fall - eindeutige Spruchfassung nicht einer Interpretation mit Hilfe der Begründung zugänglich ist, führt der aufgezeigte Widerspruch im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S 575 wiedergegebene Judikatur) zu einer weiteren inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

5. Nach dem Gesagten war der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2000

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