VwGH 98/18/0316

VwGH98/18/031631.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des am 1. Jänner 1970 geborenen D, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. August 1998, Zl. SD 531/98, betreffend Versagung der Ausstellung eines Fremdenpasses, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §55;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §76 Abs1 Z1;
FrG 1993 §55;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §76 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. August 1998 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatenlosen, vom 15. Oktober 1997 auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 76 Abs.1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997, abgewiesen.

Die in der Begründung des Erstbescheides angegebenen Gründe seien im Ergebnis auch für die Entscheidung der belangten Behörde maßgebend gewesen. Zum Vorbringen in der Berufung wurde ergänzend festgestellt: § 76 FrG zähle jene Fälle taxativ auf, in denen Fremdenpässe ausgestellt werden könnten. In all diesen Fällen komme es nicht bloß darauf an, dass die Ausstellung des Fremdenpasses im Interesse des Betroffenen gelegen sei, sondern es müsse auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen. Österreich eröffne mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu Reisen und übernehme damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordere einen restriktiven Maßstab.

Ausgehend von dieser Rechtslage erweise sich der vorliegende Antrag als unbegründet. Der Beschwerdeführer sei im September 1991 in das Bundesgebiet eingereist und habe in weiterer Folge einen Asylantrag gestellt, der abgewiesen worden sei. Das diesbezügliche Asylverfahren sei seit Februar 1992 rechtskräftig abgeschlossen. Wegen Mittellosigkeit sei daraufhin gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Erstbehörde vom 11. Dezember 1992 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden. Dessen ungeachtet sei der Beschwerdeführer im Bundesgebiet verblieben. Selbst nach rechtskräftiger Abweisung eines vom ihm eingebrachten Antrages auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes habe der Beschwerdeführer seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet fortgesetzt. Wenngleich mittlerweile die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes abgelaufen sei, sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer weder im Besitz eines Einreise- noch eines Aufenthaltstitels sei. Der Beschwerdeführer halte sich somit seit zumindest sechseinhalb Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und gefährde solcherart die öffentliche Ordnung, nämlich das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, in hohem Maß. Die belangte Behörde vermöge daher nicht zu erkennen, inwiefern die Ausstellung eines Fremdenpasses an den Beschwerdeführer im Interesse der Republik Österreich gelegen sein sollte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 76 Abs. 1 FrG können Fremdenpässe, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen (Z. 1); ausländische Staatsangehörige, die zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen (Z. 2); ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels gegeben sind (Z. 3); ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen (Z. 4); ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt (Z. 5).

2.1. Die Beschwerde bringt vor, gemäß § 76 Abs. 1 Z. 1 FrG sei für die Erteilung eines Fremdenpasses eine Aufenthaltsberechtigung keine Voraussetzung, sondern lediglich die Tatsache der Staatenlosigkeit sowie die Tatsache, dass der Staatenlose kein gültiges Reisedokument besitze. Beide Voraussetzungen seien im Fall des Beschwerdeführers gegeben. Im Übrigen sei dem Beschwerdeführer die Ausreise in Befolgung des Aufenthaltsverbotes nicht möglich gewesen, weil sein Reisepass anlässlich seines Asylantrages bei der Asylbehörde auch über den Zeitpunkt hinaus, in welchem bereits ein Aufenthaltsverbot gegen ihn verhängt worden wäre, verblieben und weiter an die türkische Botschaft übersandt worden sei, sodass er aus Verschulden der Behörden dem Aufenthaltsverbot nicht habe entsprechen können.

Wenn dem Beschwerdeführer daher der unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet vorgeworfen und damit die Ablehnung des Fremdenpasses begründet werde, so sei dies unlogisch, weil ihm ohne ein gültiges Reisedokument die Ausreise aus Österreich in einen anderen Staat gar nicht möglich sei. Auch in seinen Heimatstaat könne er nicht zurück, weil ihm die Staatsbürgerschaft aberkannt worden sei.

2. 2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

§ 76 FrG 1997 entspricht in seinen Grundsätzen dem § 55 FrG aus 1992. Nach den einschlägigen, wegen insofern unveränderter Rechtslage zur Auslegung des § 76 FrG heranziehbaren Gesetzesmaterialien zu § 55 FrG aus 1992 kommt es in den Fällen, in denen nach Maßgabe dieser Bestimmung Fremdenpässe ausgestellt werden können, "nicht bloß darauf an, dass die Ausstellung des Fremdenpasses im Interesse des Betroffenen gelegen ist, sondern es muss auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen. Österreich eröffnet mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu Reisen und übernimmt damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordert einen restriktiven Maßstab." (RV 692 BlgNR. 18. GP, 55, "Zu den §§ 55 bis 61")

Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses des Begriffs des Bestehens eines Interesses der Republik seitens des Gesetzgebers kann das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass ein solches positives Interesse im Fall des Beschwerdeführers nicht gegeben sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden, sind doch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände nicht geeignet, ein öffentliches Interesse im besagten Sinn zu begründen.

Auf dem Boden des Gesagten ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe die vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen zum Beweis dafür nicht einvernommen, dass sich seine Rechtsvertreterin vergeblich bemüht habe, den Verbleib seines Reisepasses ausfindig zu machen, der Boden entzogen.

Da somit die für die Ausstellung eines Fremdenpasses von § 76 Abs. 1 leg. cit. primär geforderte Voraussetzung, dass jene im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers im Interesse der Republik gelegen ist, nicht erfüllt ist, konnte der Beschwerde schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr.416/1994.

Wien, am 31. März 2000

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