VwGH 98/16/0131

VwGH98/16/013130.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Michael Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, Petersbrunnstraße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 12. September 1997, Zl RV/061-06/06/97, betreffend Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §35 Abs2;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §9;
FinStrG §35 Abs2;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §9;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Zollwachbeamter beim Zollamt Walserberg-Autobahn und als solcher seit dem Jahre 1980 in der Zollevidenz tätig. Am 20. Juli 1992 wurde vom Zollamt Salzburg als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegenüber dem Beschwerdeführer eine Beschlagnahmeanordnung hinsichtlich eines Personenkraftwagens der Type MG-B Kabrio erlassen. Begründet wurde die Verfügung mit dem begründeten Verdacht, dass durch "Unterfakturierung des Kaufpreises - Zollwertes - und Nichterklärung der auf dieses Fahrzeug entfallenden Hinzurechnungskosten (Frachtkosten etc)" ein beträchtlicher Teil an Eingangsabgaben hinterzogen worden sei.

Bei seiner Vernehmung als Verdächtiger schilderte der Beschwerdeführer am 21. Juli 1992 die näheren Umstände des Erwerbes des Personenkraftwagens in Kalifornien und der am 16. Juni 1992 erfolgten Einfuhr des Fahrzeuges. Unter anderem wurde vom Beschwerdeführer angegeben, er sei mit dem Zollwachebeamten Andreas H im Frühjahr 1992 nach Los Angeles gefahren. Dort hätten sie Josef E. getroffen, der schließlich auch die Verschiffung des in der Folge erworbenen Fahrzeuges veranlasst habe. Weiters gab der Beschwerdeführer an, er habe in der Anmeldung nur den tatsächlichen Kaufpreis (von 990 $ frei Hafen Los Angeles) erklärt. Die Frachtkosten seien deswegen nicht erklärt worden, weil beim Zollamt Walserberg-Autobahn die Frachtkosten für Privateinfuhren noch nie dem Zollwert hinzugerechnet worden seien. Dies sei dem Beschwerdeführer auch von einigen Kollegen, die ständig im Reiseverkehr tätig seien, erklärt worden. Wer dies gewesen sei, könne er nicht mehr sagen.

Mit einem am 29. Juli 1992 beim Zollamt Salzburg eingelangten Schriftsatz vom 28. Juli 1992 berief der Beschwerdeführer gegen den die Verzollung des streitverfangenen Fahrzeuges betreffenden Eingangsabgabenbescheid des Zollamtes Walserberg vom 30. Juni 1992, Zl 650/029965/50/92, "da die Bemessungsgrundlage nicht ÖS 10.989,-- wie von mir am 30. 6. 1992 irrtümlich erklärt wurden, sondern die Frachtkosten in der Höhe von ÖS 13.000,-- hinzuzurechnen sind." Er ersuchte, die Abgabendifferenz in der Höhe von S 6.968,-- so rasch als möglich nachzahlen zu können

Bei der am 30. Mai 1996 vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer als Beschuldigter unter anderem an, dass der Kaufpreis des von ihm in Kalifornien erworbenen Kraftfahrzeuges 990 $ betragen habe. Bei seiner ersten Einvernahme sei er auf die Frachtkosten aufmerksam gemacht worden. Er habe dann nachgerechnet und sei dabei auf S 13.000,-- Frachtkosten gekommen. Es sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen, dass Frachtkosten zur Bemessungsgrundlage zu rechnen seien. Im Reiseverkehr seien üblicherweise keine Frachtkosten verrechnet worden. Der Beschwerdeführer sei seit 1984 in der Zollevidenz tätig gewesen. Mit tatsächlichen Verzollungen habe er nichts mehr zu tun gehabt.

Mit Straferkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 30. Mai 1996 wurde der Beschwerdeführer der Hinterziehung von Eingangsabgaben schuldig erkannt. Dabei wurde ihm zur Last gelegt, dass er die Frachtkosten in Höhe von S 13.000,-- nicht erklärt hatte. In der Begründung des Erkenntnisses wurde dazu ausgeführt, der Beschwerdeführer kenne als geprüfter Zollwachebeamter die Bestimmungen des Wertzollgesetzes. Er habe gewusst, dass im Ausland angefallene Frachtkosten dem Zollwert hinzuzurechnen seien. Die mit der Berufung vom 28. Juli 1992 eingebrachte Selbstanzeige sei verspätet, weil der Beschwerdeführer bereits am 21. Juli 1992 zum Vorwurf der Unterfakturierung vernommen worden sei.

In der Berufung gegen dieses Erkenntnis wurde insbesondere gerügt, dass darin nur festgestellt worden sei, der Beschwerdeführer habe gewusst, dass im Ausland angefallene Frachtkosten dem Zollwert hinzuzurechnen seien. Dass er auch wollte oder sich damit abgefunden habe, dass diese Kosten der Berechnung der Eingangsabgaben nicht zugrunde gelegt werden, sei nicht festgestellt worden. Weiters wurde ausgeführt, in der Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Walserberg-Autobahn vom 21. Februar 1994, mit der über die Berufung des Beschwerdeführers vom 28. Juli 1992 entschieden worden war, sei festgestellt worden, dass die Berufung eine Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG darstelle und dieser nur dann Wirkung zukomme, wenn die vorgeschriebenen Abgaben fristgerecht entrichtet werden. Dieser Bescheid sei rechtskräftig, wovon auch der Ausspruch über die Wirksamkeit der Selbstanzeige erfasst sei. Weiters wurden in der Berufung Einwendungen gegen den ausgesprochenen Verfall erhoben.

Franz H., der die Abfertigung des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges vorgenommen hatte, gab am 26. Februar 1997 als Zeuge vor dem Landesgericht Salzburg an, der Beschwerdeführer habe eine vollständig ausgefüllte Anmeldung vorgelegt. Die Frachtkosten seien bei Verzollungen von Privatpersonen nie berücksichtigt worden. Er sei davon ausgegangen, dass das Fahrzeug privat und nicht gewerblich eingeführt worden sei.

Karl N. gab am 26. Februar 1997 bei seiner Vernehmung als Zeuge an, bei der Verzollung durch Privatpersonen seien Frachtkosten nie berücksichtigt worden. Es sei nie zur Diskussion gestanden, ob bei Privatverzollungen Frachtkosten hinzuzurechnen seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung teilweise stattgegeben und an Stelle des Verfalls eine Wertersatzstrafe in Höhe von S 10.000,-- verhängt. Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Zur Frage einer wirksamen Selbstanzeige wurde von der belangten Behörde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei bereits am 21. Juli 1992 zum Sachverhalt befragt worden und habe dabei ausgeführt, er habe die Frachtkosten deswegen nicht erklärt, weil beim Zollamt Walserberg-Autobahn die Frachtkosten noch nie zum Zollwert hinzugerechnet worden seien. Der in der Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Walserberg-Autobahn vom 21. Februar 1994 enthaltene Hinweis, wonach die eingebrachte Selbstanzeige nur bei fristgerechter Entrichtung der vorgeschriebenen Abgaben strafbefreiend wirke, könne die Finanzstrafbehörden nicht binden. Zur Schuldform räumte die belangte Behörde ein, dass es tatsächlich Übung gewesen sein könne, Frachtkosten bei der Privateinfuhr nicht zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer bestreite aber nicht, dass diese Übung rechtswidrig gewesen sei. Ein geprüfter und ausgebildeter Zollwachebeamter könne sich auf eine rechtswidrige Praxis nicht berufen. Wenn mit dieser Argumentation ein Rechtsirrtum geltend gemacht werden sollte, stelle sich die Frage, weshalb der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung am 21. Juli 1992 aus Eigenem eine derartige Aussage gemacht habe. Die belangte Behörde glaube daher der Verantwortung des Beschwerdeführers, von der richtigen Vorgangsweise nichts gewusst zu haben, nicht. Der Beschwerdeführer habe als Zollwachebeamter durchaus gewusst, dass seine Erklärungen der Berechnung der Abgaben zugrunde gelegt werden.

Nach dem Inhalt der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, nicht nach § 35 Abs. 2 FinStrG bestraft zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Einbringung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Dem Täter wird gemäß § 9 FinStrG weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei der Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen.

Vorsätzlich handelt, wer eine strafbare Handlung mit Wissen und Wollen begeht (vgl z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1997, Zl. 95/16/0275).

Der Beschwerdeführer stellt in Übereinstimmung mit seiner Verantwortung im Verwaltungsverfahren in Abrede, dass er gewusst habe, dass die Frachtkosten bei der von ihm vorgenommenen Abfertigung zur Berechnungsgrundlage der Eingangsabgaben zu rechnen waren. Diese Verantwortung stimmt mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens überein. So sagten zwei Organwalter des Zollamtes, bei dem die Abfertigung vorgenommen wurde, als Zeugen aus, dass bei derartigen Abfertigungen die Frachtkosten (nach ständiger Übung bei der abfertigenden Zollbehörde) nicht berücksichtigt worden seien. Die belangte Behörde begründete demgegenüber die Annahme von Vorsatz letztlich damit, dass der Beschwerdeführer ausgebildeter Zollwachebeamter ist. Ein "Wissen-müssen" ist aber dem "Wissen" nicht gleichzuhalten. Die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer - der selbst nicht im Abfertigungsdienst tätig gewesen ist - habe gewusst, dass die Frachtkosten beim Zollwert zu berücksichtigen sind, erscheint nicht schlüssig und steht im Widerspruch zum Ergebnis des Beweisverfahrens. Vielmehr ist von einem Irrtum des Beschwerdeführers auszugehen, der aber im Hinblick auf die Ausbildung des Beschwerdeführers und die Einfachheit der vorliegenden Rechtsfrage - wie aus verfahrensökonomischen Gründen zu bemerken ist - nicht entschuldbar erscheint.

Weiters ist ebenfalls aus verfahrensökonomischen Gründen darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Rüge, im Zeitpunkt der Einvernahme des Beschwerdeführers am 21. Juli 1992 habe (nur) der Verdacht einer Unterfakturierung bestanden, übersieht, dass bereits in der eine Verfolgungshandlung iSd § 29 Abs. 3 lit. a FinStrG darstellenden Beschlagnahmeanordnung vom 20. Juli 1992 die Frage der Frachtkosten ausdrücklich angeführt war.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf den handschriftlichen "Hinweis" in der Berufungsvorentscheidung vom 21. Februar 1994 bezieht, wonach einer Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung nur bei Entrichtung der Abgaben zukommt, so geht dieses Vorbringen schon deswegen ins Leere, weil allein der Spruch eines Bescheides Rechtskraftwirkung erzeugen kann. Der in Rede stehende "Hinweis" stellt aber keineswegs einen Bestandteil der Berufungsvorentscheidung, mit der über die Berufung des Beschwerdeführers stattgebend entschieden wurde, dar, sondern vielmehr eine der Rechtskraft nicht fähige Rechtsbelehrung.

Zum Hinweis des Beschwerdeführers auf die Bestimmung des § 26 FinStrG ist schließlich festzustellen, dass diese Bestimmung nur von der Gerichten, nicht aber von den Finanzstrafbehörden anzuwenden ist.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. März 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte