VwGH 98/12/0071

VwGH98/12/007129.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der P in W, vertreten durch Dr. Heinrich Keller, Rechtsanwalt in Wien I, Reichsratsstraße 15, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 29. Jänner 1998, Zl. MA 2/372/97, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:

Normen

AHG 1949 §1;
DVG 1984 §8 Abs1;
PensionsO Wr 1995 §4 Abs3 idF 1996/048;
PensionsO Wr 1995 §4 Abs5 idF 1996/048;
PensionsO Wr 1995 §73a Abs1 idF 1996/048;
PensionsO Wr 1995 §73a Abs2 idF 1996/048;
AHG 1949 §1;
DVG 1984 §8 Abs1;
PensionsO Wr 1995 §4 Abs3 idF 1996/048;
PensionsO Wr 1995 §4 Abs5 idF 1996/048;
PensionsO Wr 1995 §73a Abs1 idF 1996/048;
PensionsO Wr 1995 §73a Abs2 idF 1996/048;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im August 1944 geborene Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Stadt Wien; sie war vor ihrer mit Wirkung vom 31. Jänner 1997 erfolgten Ruhestandsversetzung im Franz-Josef-Spital als Fachärztin für Radiologie tätig.

Die Beschwerdeführerin beantragte am 8. Juli 1996 im Dienstweg ihre vorzeitige Ruhestandsversetzung wegen der zunehmenden Verschlechterung ihres Sehvermögens, die sie in ihrer Tätigkeit sehr belaste, unter Vorlage eines fachärztlichen Befundes vom 20. März 1996.

Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Beschwerdeführerin bereits vorher mit Schreiben vom 25. März 1996, beim Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland am 9. April 1996 eingelangt, die Einschätzung des Grades ihrer Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes beantragt. Mit Bescheid der genannten Behörde vom 23. Oktober 1996 wurde der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin mit 50 v. H. festgestellt.

Maßgebend dafür waren aber folgende Gesundheitsschädigungen:

  1. "1. Tachyarrhythmieneigung mit Stenocardien

    bei Folgezustand nach Herzbeutelentzündung und nachgewiesenem Mitralklappenprolaps,

    g. Z. III/c/329 40 % Oberer Rahmensatz, da stark subjektiv störende Symptome bei nicht vermeidbarer Nachtarbeit mit erhöhter Stressbelastung.

  1. 2. Degenerative Veränderungen der WS

    g. Z. I/f/190 30 % mit geringer Fehlhaltung und Osteochondrose, sowie geringe Keilwirbelbildung BWK II,

    Oberer Rahmensatz, da zwar gute Funktion, aber Osteochondrose und Keilwirbelbildung."

Nach ärztlichen Untersuchungen am 22. und am 30. August 1996, deren Ergebnisse im abschließenden Gutachten des Gesundheitsamtes vom 29. Oktober 1996 verwertet und offensichtlich der Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin zu Grunde gelegt wurden, versetzte die gemeinderätliche Personalkommission die Beschwerdeführerin (- erst -) mit Beschluss vom 17. Jänner 1997 mit Ablauf des 31. Jänner 1997 in den Ruhestand.

Noch vorher wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben des Personalamtes vom 13. November 1996 über die voraussichtliche Bemessung ihrer Pension in Kenntnis gesetzt.

Hiezu vertrat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19. November 1996 die Auffassung, dass sie insbesondere auf Grund ihres Antrages, der schon am 8. Juli 1996 gestellt worden war, nicht unter die erst mit 1. Oktober 1996 in Kraft getretene Abschlagsregelung fallen dürfe. Weiters habe sie während ihrer über 20-jährigen Dienstzeit immer über 40 Nachtdienste jährlich geleistet, sodass es auch deshalb zu keinem Abschlag kommen dürfe.

Im Zuge des daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahrens versuchte die Behörde erster Instanz von der Dienststelle der Beschwerdeführerin insbesondere Unterlagen über die von der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit geleisteten Nachtdienste zu erhalten. Nach Mitteilung der Krankenhausleitung vom 24. April 1997 konnte aber die Anzahl der Nachtdienste der Beschwerdeführerin von 1975 bis 1989 nicht mehr eruiert werden. Die ab 1990 dokumentierten Nachtdienste der Beschwerdeführerin waren "mit Schlaferlaubnis" und jedenfalls weniger als 80 derartiger Dienste im Jahr.

Dieses Ermittlungsergebnis wurde der Beschwerdeführerin am 24. Juli 1997 niederschriftlich zur Kenntnis gebracht und sie befragt, ob sie noch Nachweise für die seinerzeit geleisteten Nachtdienste besitze. Dies wurde von der Beschwerdeführerin verneint, wobei sie aber darauf hinwies, dass sie trotz angeblicher Schlaferlaubnis wegen der dauernden Wahrnehmung von dienstlichen Erfordernissen nicht habe schlafen können. Es habe sich daher ihrer Auffassung nach in Wahrheit um Nachtdienste ohne Schlaferlaubnis gehandelt.

Ohne auf die "Abschlagsproblematik" einzugehen, entschied die Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 17. November 1997 über die Pensionsbemessung der Beschwerdeführerin wie folgt:

"Der Magistrat der Stadt Wien stellt fest, dass Ihnen gemäß §§ 3 ff der Pensionsordnung 1995 ab 01.02.1997 ein Ruhegenuss von monatlich S 26.619,52 gebührt.

Hiezu gebührt Ihnen ab demselben Zeitpunkt gemäß den §§ 3 bis 5 des Ruhe- und Versorgungsgenusszulagegesetzes 1995 eine Ruhegenusszulage von monatlich S 6.462,66."

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie habe eine zunehmende Verschlechterung ihres Sehvermögens erfahren und in Sorge um ihre zukünftige Dienstfähigkeit auf Anraten zuständiger Fachärzte am 8. Juli 1996 um ihre krankheitsbedingte Versetzung in den Ruhestand ersuchen müssen. Die amtsärztliche Begutachtung sei am 22. August 1996 erfolgt, der vom Amtsarzt weiters veranlassten fachärztlich-gutachterlichen Untersuchung habe sie sich schon am 30. August 1996 unterzogen. In der Folge habe sie zwar weiterhin Dienst versehen und trotz wiederholter Urgenz keine Auskunft oder Einsicht in das Ergebnis ihrer Begutachtung erhalten. Erst am 22. November 1996 habe ihr die namentlich genannte Personalreferentin ihrer Dienststelle mitgeteilt, dass der Amtsarzt sie als dienstunfähig beurteilt habe, und sie angewiesen, den Dienst sofort einzustellen. Da somit die gutachterliche Beurteilung ihres Gesundheitszustandes, die ihre Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe, spätestens am 30. August 1996 erfolgt sei, und sie bereits am 8. Juli 1996 um Versetzung in den Ruhestand angesucht habe, wären auf sie die Bestimmungen der Pensionsordnung in der Fassung vor der Pensionsordnungs-Novelle 1996 anzuwenden gewesen. Sie sehe daher nicht ein, dass ihr bei eindeutigen, in ihrer zeitlichen Wirksamkeit genau definierten Pensionsbestimmungen Ermessensabwägungen oder ein zu langsamer oder gar absichtlich verzögerter Aktenlauf zum Nachteil gereichen solle. Das monatelange Nichttätigwerden der Behörde sei nicht ihr zuzurechnen, sondern stelle ein Verschulden der Behörde dar. Stichtag für ihre Pensionierung sei vielmehr der Tag ihrer Antragstellung, somit der 8. Juli 1996. Damals habe noch die alte Pensionsordnung gegolten; es sei daher auf sie die Bestimmung des § 4 PO 1995 in der nunmehr geltenden Fassung nicht anzuwenden; es stehe ihr daher eine Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % und eine ungekürzte Ruhegenusszulage zu.

Die dann anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin präzisierte ihren Antrag in einer Berufungsergänzung und wies weiters darauf hin, dass ihrerseits nicht einmal festgestellt werden könne, wann sie in den Ruhestand versetzt worden sei.

Zur Frage der Nachtdienste führte die Beschwerdeführerin wie folgt aus:

"Ich habe mit Sicherheit in den vergangenen über 20 Jahren sicherlich mehr als 40 Nachtdienste ohne Schlaferlaubnis bzw. 80 Nachtdienste mit Schlaferlaubnis geleistet und mindestens 2 Stunden während des Dienstes gearbeitet. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass weder ich noch meine Vorgesetzte noch meine Mitbediensteten jemals darauf hingewiesen wurden, welche Nachtdienste mit Schlaferlaubnis bzw. ohne zu verrichten sind. Ich wurde zu Nachtdiensten eingeteilt, ohne dass mir mitgeteilt wurde, ob diese mit oder ohne Schlaferlaubnis sind, ja war uns allen diese Unterscheidung unbekannt. Tatsächlich habe ich die Nachtdienste in der Form geleistet, dass ich im Nachtdienst anwesend war und je nach Bedarfsfall für den einzelnen Patienten gerufen wurde, nachdem die entsprechenden Bediensteten (Röntgenassistenten) die Vorarbeiten geleistet haben und ich dann die entsprechenden Röntgen befundet habe. Weder ich aus obgenannten Gründen noch die Gemeinde Wien hatten für diesen 20 jährigen Zeitraum irgend welche Aufzeichnungen geführt. Ich lege daher dieser Eingabe eine Bestätigung des Kaiser Franz Josef-Spitals meiner Dienststelle vor und zwar vom 24.4.1997, aus welcher ersichtlich ist, dass von den Jahren 1975 bis inklusive 1989 nicht mehr eruiert werden kann, ob Nachtdienste mit Schlaferlaubnis oder ohne Schlaferlaubnis von mir verrichtet wurden. Tatsächlich gab es zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Unterscheidung zwischen Nachtdiensten mit oder ohne Schlaferlaubnis.

Ab dem Jahre 1990 wurden offenbar Aufzeichnungen geführt, die jedoch von mir nicht nachvollziehbar sind. Es scheinen hier Nachtdienste mit Schlaferlaubnis zwischen 48 und 52 Stunden auf, wobei ich ausdrücklich darauf hinweisen möchte - was auch durch Einvernahme meiner Vorgesetzten nachvollziehbar ist -, dass es nie eine Anweisung gegeben hat, ob Schlaferlaubnis erteilt wird oder nicht, und ich auch tatsächlich während des Nachtdienstes nicht schlafen konnte, weil tatsächlich auch während der Nacht Patienten eingeliefert wurden und von mir nach vorheriger Röntgenaufnahme von mir befundet wurden.

Alle die daher dort angeführten Nachtdienste sind daher ohne dass ich während dieser Zeit geschlafen habe, von mir geleistet worden. Nochmals möchte ich darauf hinweisen, dass es für mich nie irgend eine Anweisung gegeben hat, wann ich im Nachtdienst schlafen darf bzw. wann ich Bereitschaftsdienst ständiger Präsenz abzuleisten habe, welch letzteren ich tatsächlich immer abgeleistet habe.

Es wurden keinerlei Unterlagen vorgelegt oder überprüft, welche Nachtdienste mit welcher Arbeitsleistung ich tatsächlich in den Jahren meiner Dienstzeit im Kaiser Franz Josef-Spital geleistet habe oder diesem Bescheid zu Grunde gelegt. Dieser Bescheid ist daher mangelhaft. Es wäre Aufgabe der erstinstanzlichen Behörde gewesen, genau zu prüfen - gegebenenfalls mit Zeugeneinvernahmen - welche Nachtdienste von mir geleistet worden sind. Hätte man das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt, wäre man zur Überzeugung gekommen, dass ich die im § 4 Abs. 3 und Abs. 5 geforderten Voraussetzungen erbracht habe. Die Tatsache, dass keine Aufzeichnungen geführt werden, kann nicht automatisch so gewertet werden, als hätte ich die 40 bzw. 80 Nachtdienste (mit Arbeitsleistung) nicht verrichtet. Auch eine Einvernahme meiner Person ist nicht erfolgt. Eine solche hätte jedenfalls ergeben, dass ich die erforderlichen Nachtdienste (mit Arbeitsleistung) erbracht habe."

Über diese Berufung sprach die belangte Behörde wie folgt ab:

"Gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG, BGBl. Nr. 51/1991) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch um Punkt II) wie folgt ergänzt wird:

'Ihr Antrag vom 19. November 1996, die in der Zeit vom 1. Oktober 1975 bis 31. Jänner 1997 im Kaiser-Franz-Josef-Spital geleisteten Nachtdienste gemäß § 4 Abs. 5 PO 1995 zur Verminderung der sich aus § 4 Abs. 3 PO 1995 ergebenden Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage heranzuziehen, wird gemäß § 4 Abs. 5 PO 1995 als unbegründet abgewiesen.'"

Zur Begründung führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Bestimmungen der Pensionsordnung, in der Fassung der 2. Novelle, seien auf sie nicht anzuwenden, sei entgegenzuhalten, dass gemäß § 73 a Abs. 1 PO 1995 die Bestimmungen des § 4 Abs. 3 bis 5 PO 1995 nur auf jene Beamten, welche vor dem 1. Oktober 1996 aus dem Dienststand ausgeschieden seien, keine Anwendung fänden. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin sei für die Anwendung des § 4 Abs. 3 bis 5 PO 1995 somit lediglich der Zeitpunkt maßgebend, zu dem der Beamte aus dem Dienststand ausscheide (in den Ruhestand versetzt werde), nicht jedoch der Zeitpunkt der Antragstellung des Beamten auf Versetzung in den Ruhestand bzw. auch nicht der Zeitpunkt, zu dem erstmals die Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung vorgelegen seien. Daraus folge, dass § 4 Abs. 3 bis 5 PO 1995 auf alle Beamten anzuwenden sei, die nach dem 30. September 1996 in den Ruhestand versetzt worden seien. Ein der Behörde eingeräumter Ermessensspielraum dahin gehend, dass für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 4 Abs. 3 bis 5 PO 1995 ein anderer Zeitpunkt als der Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung des Bediensteten herangezogen werden könnte, könne auf Grund des eindeutigen Gesetzeswortlautes dem § 73 a Abs. 1 PO 1995 nicht entnommen werden; auch der Vorwurf, allfällige Ermessensabwägungen der Behörde hätten der Beschwerdeführerin zum Nachteil gereicht, ginge daher ins Leere. Zur Behauptung, die erstinstanzliche Behörde hätte durch einen zu langsamen oder gar absichtlich verzögerten Aktenlauf der Beschwerdeführerin einen Nachteil zugefügt, sei festzustellen, dass die Antragstellung zwar bereits am 8. Juli 1996 erfolgt sei, die hinreichende Feststellung des für die Ruhestandsversetzung relevanten Sachverhaltes jedoch erst auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nach Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens festgestanden sei. Im Übrigen sei jedoch auch dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin rechtlich unbeachtlich, weil auch ein allenfalls schuldhaft verzögertes Handeln der erstinstanzlichen Behörde mangels entsprechender gesetzlicher Voraussetzungen zu keinem anderen Ergebnis hätte führen können.

Dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass ihrerseits nicht habe festgestellt werden können, wann sie in den Ruhestand versetzt worden sei, sei entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. Jänner 1997, welches von ihr am 21. Jänner 1997 eigenhändig übernommen worden sei, mitgeteilt worden sei, dass die gemeinderätliche Personalkommission am 17. Jänner 1997 die Ruhestandsversetzung antragsgemäß verfügt habe. Auf Grund der Bestimmung des § 68 Abs. 7 DO 1994, deren Kenntnis auf Grund der dienstlichen Verpflichtung der Beschwerdeführerin, sich mit den ihr Dienstverhältnis regelnden Rechtsvorschriften auseinander zu setzen, vorausgesetzt werden müsse, ergebe sich somit - mangels gegenteiliger Beschlussfassung der gemeinderätlichen Personalkommission -, dass die Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin mit Ablauf des 31. Jänner 1997 wirksam geworden sei.

Zur Behauptung der Beschwerdeführerin, die Kürzung gemäß § 4 Abs. 3 PO 1995 habe zum Zeitpunkt ihrer Pensionierung nur 14 % betragen, ihr sei jedoch eine 16 %-ige Kürzung angerechnet worden, sei festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin am 23. August 1944 geboren worden und die Ruhestandsversetzung mit Ablauf des 31. Jänner 1997 erfolgt sei. Zwischen dem 1. Februar 1997 und dem der Vollendung des 60. Lebensjahres der Beschwerdeführerin folgenden Tag liege somit ein Zeitraum von 7 Jahren, 6 Monaten und 23 Tagen. Nach der Bestimmung des § 4 Abs. 3 DO 1995 sei jedoch bei einem Beamten, der vor Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Dienststand ausscheide, die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um zwei Prozentpunkte für jedes Jahr, das zwischen dem Ausscheiden aus dem Dienststand und der Vollendung des 60. Lebensjahres folgenden Tag liege, zu kürzen, wobei Bruchteile eines Jahres, wenn sie mindestens sechs Monate betrügen, als volles Jahr zu rechnen seien, andere jedoch unberücksichtigt blieben. Daraus folge, dass der Bruchteil des 8. Jahres im Ausmaß von 6 Monaten und 23 Tagen als volles Jahr zur weiteren Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage heranzuziehen gewesen sei, weshalb die Ruhegenussbemessungsgrundlage - wie die erstinstanzliche Behörde zutreffend festgestellt habe - um insgesamt 16 %-Punkte zu kürzen gewesen sei.

Der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie hätte nicht gewusst, ob während der von ihr geleisteten Nachtdienste Schlaferlaubnis bestanden habe oder nicht, die Unterscheidung sei ihr gänzlich unbekannt gewesen, sie könne daher die über die ab 1990 geleisteten Nachtdienste erstellten Aufzeichnungen nicht nachvollziehen, sei entgegenzuhalten, dass dieses Vorbringen im Hinblick auf die mehr als 20-jährige Dienstzeit als äußerst unglaubwürdig anzusehen und lediglich als Scheinargument zu werten sei. Dafür spreche auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der im erstinstanzlichen Verfahren am 24. Juli 1997 zwecks Parteiengehör aufgenommenen Niederschrift, in der die Beschwerdeführerin ausgeführt habe, sie habe während ihrer Nachtdienste trotz Schlaferlaubnis nicht schlafen können. Damit habe die Beschwerdeführerin implizit zugegeben, von der Schlaferlaubnis gewusst zu haben. Auch unter der Annahme, dass die Beschwerdeführerin während ihrer Nachtdienste tatsächlich nicht hätte schlafen können, sei für sie nichts gewonnen, weil es nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die prinzipielle Möglichkeit und dienstrechtliche Erlaubnis, während des Nachtdienstes zu schlafen, und nicht auf die jeweiligen faktischen Verhältnisse ankomme. Dem Vorwurf des mangelhaft durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei entgegenzuhalten, dass die erstinstanzliche Behörde nach Ansicht der belangten Behörde sämtliche für die Beurteilung der Anwendbarkeit des § 4 Abs. 5 PO 1995 relevanten Sachverhaltselemente durch Einholung einer Stellungnahme der Dienststelle der Beschwerdeführerin sowie des Besoldungsamtes über die während der Dienstzeit zur Auszahlung gelangten Nebengebühren, welche auch die Nebengebühren für die absolvierten Nachtdienste umfasste, hinreichend erhoben habe. Danach ergebe sich jedoch, dass die Beschwerdeführerin während ihrer gesamten Dienstzeit nicht die für die Minderung der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage gemäß § 4 Abs. 5 PO 1995 erforderlichen Nachtdienste geleistet habe. Die ziffernmäßige Richtigkeit des Ruhegenusses und der Ruhegenusszulage sei im Übrigen von der Beschwerdeführerin nicht bestritten und auch von der belangten Behörde für richtig befunden worden.

Die Berufung habe sich sohin in allen Punkten als unbegründet erwiesen, weshalb sie abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen gewesen sei. Die Ergänzung des Spruches im Punkt II. diene zur Klarstellung, dass der Antrag der Beschwerdeführerin zur Gänze erledigt worden sei, weil sich die erstinstanzliche Behörde bei Feststellung der Höhe des Ruhegenusses und der Ruhegenusszulage auch mit der Frage der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage auseinander zu setzen gehabt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist die im Zeitpunkt seiner Erlassung geltende Rechtslage (siehe beispielsweise das zur vergleichbaren Bundesrechtslage ergangene hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1999, Zl. 98/12/0500), die im Folgenden dargestellt wird, maßgebend.

Gemäß § 4 Abs. 1 der Pensionsordnung 1995 (PO 1995), LGBl. Nr. 67/1995, wird der Ruhegenuss auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt. 80 % des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden nach Abs. 2 der genannten Bestimmung die Ruhegenussbemessungsgrundlage.

Mit Art. II Z. 2 der 2. Novelle zur Pensionsordnung 1995, LGBl. für Wien Nr. 48/1996, wurden dem § 4 folgende Abs. 3 bis 5 angefügt:

"(3) Ist der Beamte vor Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Dienststand ausgeschieden, so ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um zwei Prozentpunkte für jedes Jahr, das zwischen dem Ausscheiden aus dem Dienststand und dem der Vollendung des 60. Lebensjahres folgenden Tag liegt, zu kürzen; hiebei werden Bruchteile eines Jahres, wenn sie mindestens sechs Monate betragen, als volles Jahr gerechnet, andere bleiben unberücksichtigt. Die Kürzung darf höchstens 18 Prozentpunkte betragen.

(4) Abs. 3 gilt nicht, wenn

1. der Beamte durch Tod aus dem Dienststand ausgeschieden ist oder

2. der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist, die Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten aus diesem Grund eine monatliche Geldleistung nach dem Unfallfürsorgegesetz 1967 gebührt.

(5) Die sich aus Abs. 3 ergebende Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage vermindert sich um 0,29 Prozentpunkte je volles Kalenderjahr, in dem der Beamte als Bediensteter der Gemeinde Wien mindestens 40 Nachtdienste ohne Schlaferlaubnis oder mindestens 80 Nachtdienste mit Schlaferlaubnis geleistet hat; dabei liegt ein Nachtdienst vor, wenn in die Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr mindestens zwei Stunden der Arbeitszeit fallen. Wurden beide Arten von Nachtdiensten geleistet, so zählt ein Nachtdienst ohne Schlaferlaubnis wie zwei Nachtdienste mit Schlaferlaubnis."

Gemäß § 73 a Abs. 1 PO 1995 in der vorher genannten Fassung gilt § 4 Abs. 3 bis 5 PO 1995 weder für den Beamten, der vor dem 1. Oktober 1996 aus dem Dienststand ausgeschieden ist, noch für seine Hinterbliebenen. Hat die Mehrzahl der Bediensteten einer Beamten- oder Bedienstetengruppe in einer Dienststelle oder einem Dienststellenteil im Jahr 1995 die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 erfüllt und hat ein Beamter vor dem 1. Jänner 1995 als Bediensteter dieser Beamten- oder Bedienstetengruppe in dieser Dienststelle oder diesem Dienststellenteil Dienst geleistet, so wird nach Abs. 2 der genannten Bestimmung vermutet, dass er während der Zeit dieser Dienstleistung auch die gemäß § 4 Abs. 5 erforderliche Anzahl der Nachtdienste erbracht hat. Andernfalls wird das Gegenteil vermutet. Der Gegenbeweis ist jeweils zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der mit der 2. Novelle zur Pensionsordnung 1995 eingefügten Abschlagsregelung, insbesondere mit der Begünstigung nach § 4 Abs. 5 PO 1995, in seinem Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 97/12/0370, auseinander zu setzen gehabt; verfassungsrechtliche Bedenken sind dabei unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verneint worden (Hinweis gemäß § 43 Abs. 2 VwGG).

Die Beschwerdeführerin meint zunächst, dass bei der in ihrem Fall gegebenen Sachlage die Behörde nach § 68 Abs. 1 Z. 2 der Dienstordnung 1994 verpflichtet gewesen wäre, sie nach Vorliegen der fachärztlichen Befunde, also gleich nach dem 30. August 1996, in den Ruhestand zu versetzen. Die Behörde habe dem entgegen zu ihren Gunsten und zu Lasten der Beschwerdeführerin den Pensionsanfall so weit hinausgeschoben, bis mit der 2. Novelle zur Pensionsordnung 1995 eine Verschlechterung ihrer Rechtssituation eingetreten sei. Sie sei durch diese Vorgangsweise in ihrem Recht auf Entscheidung zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. zum Zeitpunkt des Vorliegens des Sachverhaltes ihrer Dienstunfähigkeit durch willkürliche Vorgangsweise der Behörde verletzt worden.

Dem von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwurf der rechtswidrigen Verzögerung ihrer Ruhestandsversetzung ist - bezogen auf den Verfahrensgegenstand (nämlich: die Bemessung der Pension der Beschwerdeführerin) - entgegenzuhalten, dass in diesem Verfahren von der vorgegebenen Tatsache der Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin mit Ablauf des 31. Jänner 1997, also jedenfalls nach dem 1. Oktober 1996, auszugehen war. Selbst wenn der Vorwurf der Beschwerdeführerin zutreffen sollte, führte dies nicht zur Rechtswidrigkeit der mit der vorliegenden Beschwerde bekämpften Pensionsbemessung. Ein derartiger Vorwurf der Verfahrensverzögerung kann aber in einem Amtshaftungsverfahren geltend gemacht werden und wäre dann in diesem Verfahren näher zu prüfen (vgl. in diesem Zusammenhang beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1999, Zl. 97/12/0281).

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, dass bei ihr eine Pensionskürzung auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 4 Abs. 5 PO 1995 im Hinblick auf die von ihr geleisteten Nachtdienste nicht hätte vorgenommen werden dürfen. Mangels einer Definition des vom Gesetzgeber verwendeten Begriffes der Nachtdienste mit bzw. ohne Schlaferlaubnis fehle es an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage für diese Qualifikation.

Diese Auffassung der Beschwerdeführerin teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Die vom Gesetzgeber im § 4 Abs. 5 PO 1995 verwendete Formulierung "mindestens 40 Nachtdienste ohne Schlaferlaubnis oder mindestens 80 Nachtdienste mit Schlaferlaubnis" ist dem Grunde nach einer Auslegung und einem sinnvollen Vollzug zugänglich. Maßgeblich ist demnach, wie viele Nachtdienste im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 4 Abs. 5 PO 1995 geleistet worden sind und ob bei diesen Diensten Schlaferlaubnis gegeben war oder nicht. Wie die Behörde zutreffend ausgeführt hat, sind die tatsächlichen Verhältnisse für die Wertung "mit oder ohne Schlaferlaubnis" zunächst nicht entscheidend.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin kommt aber trotzdem in diesem Zusammenhang im Ergebnis Bedeutung zu. Ausgehend von der vom Gesetzgeber erst 1996 getroffenen neuen Regelung darf die Behörde nicht der Beschwerdeführerin die Nachweispflicht für die nach Mitteilung ihrer Dienststelle nicht mehr feststellbaren Nachtdienste überbürden. Der Gesetzgeber hat vielmehr mit der Übergangsbestimmung für die Ruhegenussbemessungsgrundlage im § 73 a Abs. 2 PO 1995 eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für die diesbezügliche Beweisführung vorgesehen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Bestimmung ist aber im Beschwerdefall nicht erfolgt. Die Behörde wäre dazu auch ausgehend vom Vorbringen der Beschwerdeführerin in Verbindung mit § 8 Abs. 1 DVG (Verpflichtung in Dienstrechtsverfahren, die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen) verpflichtet gewesen. Ein allfälliger Anspruch der Beschwerdeführerin auf die Begünstigung nach § 4 Abs. 5 PO 1995 dürfte demnach nur nach entsprechenden Feststellungen im Sinne des § 73 a Abs. 2 PO 1995 in einem ordnungsgemäßen Verfahren, nämlich dass die Voraussetzungen nach dem 1. Satz der genannten gesetzlichen Bestimmung nicht vorliegen, damit abgetan werden, sie habe im Rahmen der sie dann treffenden Verpflichtung zum Gegenbeweis keine Nachweise für die behaupteten Nachtdienste vorlegen können, was aus der Sicht des Beschwerdefalles vor allem für die Zeit vor 1990 bedeutsam ist.

Die belangte Behörde hat daher ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung weitere notwendige Ermittlungen über die Frage der Voraussetzungen nach § 73 a Abs. 2 PO 1995 unterlassen und den Antrag der Beschwerdeführerin - da ein für die Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis nicht auszuschließen ist - damit rechtswidrig abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Übrigen bemerkt der Verwaltungsgerichtshof, dass das zu beurteilende Verwaltungsverfahren auch daran leidet, dass weder die Behörde I. Instanz noch die belangte Behörde die angewendete Rechtslage entsprechend dargestellt und zitiert (Angabe der Fundstellen im Landesgesetzblatt) hat. Der Hinweis auf die Stammfassung wird dem Erfordernis des § 59 Abs. 1 des gemäß § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG dann nicht gerecht, wenn die angewendete Rechtslage (vielfach) geändert worden ist (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1998, Zl. 96/12/0026). Im fortgesetzten

Verfahren wird die belangte Behörde auch auf die (rückwirkend) ab 1. Jänner 1998 geänderte Rechtslage Bedacht zu nehmen haben.

Wien, am 29. März 2000

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